Der Vorsitze des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland, Burhan Kesici. (AA)
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von Feride Tavus

Burhan Kesici ist seit 2015 Vorsitzender des Islamrats, eines bundesweiten Dachverbands von 450 Moscheegemeinden. Damit ist der Islamrat der zweitgrößte Verband dieser Art in Deutschland. In einem Gespräch mit TRT Deutsch beantwortet Burhan Kesici Fragen zu Islamfeindlichkeit in Deutschland und Europa.

Muslimfeindlichkeit ist in Deutschland und Europa salonfähig geworden. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Wir haben in Deutschland und Europa eine große Anzahl von Muslimen, die zum Teil hier geboren sind, aber nicht ganz in die Gesellschaft integriert bzw. akzeptiert wurden. Kulturelle und religiöse Auseinandersetzungen gehören leider zum Alltag.

Wir haben auf der einen Seite politische Strömungen, die sich gegen die Muslime wenden. Auf der anderen Seite haben wir viele Muslime, die sich in der Gesellschaft nicht akzeptiert fühlen. Probleme sind hier vorprogrammiert.

Muslime streben nach Anerkennung. Sie sind ein Teil der Gesellschaft und wollen dort auch mit ihrer Kultur und Religion anerkannt werden. Die Diskussion um das Kopftuch zeigt deutlich, dass wir als Muslime noch als Fremde angesehen werden.

Diskussionen um Karikaturen, Schwimmunterricht, Religionsunterricht, Gebete in den Schulen und Arbeitsplätze, Verfassungsschutzberichte usw. haben das Klima verschlechtert.

In Deutschland haben wir noch eine gute Situation. Hier finden noch Gespräche statt und ich hoffe, dass wir gemeinsam einiges bewirken können.

Was kann der Staat tun, um die Muslime besser zu schützen?

Der Staat unternimmt schon einiges, damit Muslime in Deutschland sicher leben können. Wir haben über 2500 Moscheen und eine hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben. Wichtig wäre, dass wir das Gefühl vermittelt bekommen, dass wir in Deutschland angekommen sind und akzeptiert werden. Gerade in diesem Bereich haben wir leider Nachholbedarf.

Die Bundesregierung hat im September den Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (UEM) gegründet. Welchen Einfluss werden die Empfehlungen der Experten haben?

Wir haben seit Jahren einen Anstieg der Muslimfeindlichkeit und auch physische Übergriffe auf Muslime und islamische Einrichtungen. Wir erhoffen uns von der Kommission, dass sie die Situation beobachtet, registriert und es an die Öffentlichkeit bringt.

Die Muslimfeindlichkeit wird leider nicht ausreichend wahrgenommen, sodass auch keine klaren Schritte dagegen unternommen werden. Muslimfeindlichkeit muss genauso ernst genommen und angegangenen werden wie andere Formen der Menschenfeindlichkeit. Hier sehe ich die Aufgabe der Kommission.

Wie bewerten Sie die islamfeindlichen Aussagen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron?

Die Situation in Frankreich ist seit einiger Zeit sehr verhärtet und ich habe den Eindruck, dass es von Tag zu Tag schlimmer wird. Von einem Staatspräsidenten wie Macron erwarte ich versöhnliche Worte. Er sollte die französische Nation einigen. Die Entwicklungen in Frankreich, was die muslimische Infrastruktur anbelangt, ist nicht sehr positiv. Es finden viele Veränderungen statt, die wir kritisch beobachten.

Macron will einen „europäischen Islam“ schaffen. Um das Vorhaben voranzubringen, wurden bereits Kommissionen eingerichtet. Wie bewerten Sie das Projekt und wie groß ist die Akzeptanz unter den Muslimen?

Ich halte die Einmischung des Staats in Religionsfragen für problematisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da was Positives rauskommt. Der Staat sollte nicht in die Struktur der Religionsgemeinschaften eingreifen, so wie es jetzt der Fall ist.

Horst Seehofer glaubt, bei der Polizei gäbe es kein Rassismus-Problem. Ist die Politik auf dem rechten Auge blind, wenn es um staatliche Institutionen geht?

Wir haben tatsächlich ein Rassismus-Problem bei der Polizei und kennen das Ausmaß nicht. Wir gehen davon aus, dass wir nur die Spitze des Eisberges gesehen haben. Hier erwarten wir eine Aufarbeitung des Problems und eine Lösung.

Ich glaube schon, dass die Politik das Problem erkannt hat. Es stellt sich die Frage, wie sie jetzt damit umgehen wird. Herr Seehofer müsste hier offensiver an das Problem herangehen.

Wie bewerten Sie die mediale Darstellung von Muslimen in den westlichen Medien?

Der Islam wird leider allzu oft noch als Problem wahrgenommen. Die Berichterstattung spiegelt diese Einstellung wider. Es wäre schön, wenn man auch auf positive Ereignisse eingehen würde. Es gibt zahlreiche Projekte und Initiativen, die das Zusammenleben stärken, was aber leider nicht wahrgenommen wird.

Die muslimischen Gemeinden tun ungemein viel, um das Zusammenleben zu stärken und die Integration der Muslime voranzutreiben.

TRT Deutsch