Nach Abschluss der „Referenden“ in vier russisch besetzten Regionen der Ukraine haben die Separatisten in Luhansk und Cherson Russland um die Annexion dieser Gebiete gebeten. Der Separatisten-Anführer in Luhansk, Leonid Pasetschnik, nannte Russland im Onlinedienst Telegram den „Heimathafen“, in den die Bevölkerung zurückkehren wolle. Die Ukraine forderte als Reaktion auf die „Referenden“ weitere Militärhilfen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte Russland Präsident Wladimir Putin eindringlich vor dem Einsatz von Atomwaffen.
Prorussische Behörden vermeldeten Siege bei Scheinreferenden
Pasetschnik erklärte in einer Botschaft an Putin, er bitte diesen, „die Frage eines Anschlusses der Volksrepublik Luhansk an Russland als Mitglied der Russischen Föderation zu prüfen“. In der im Onlinedienst Telegram verbreiteten Erklärung führte Pasetschnik aus: „Wir sind uns der historischen, kulturellen und spirituellen Verbindung zum multinationalen Volk Russlands bewusst.“ Die Bewohner seiner Region hätten den „Traum“, in den „Heimathafen“ Russland zurückzukehren.
Pasetschnik hatte kurz zuvor bekanntgegeben, er werde mit dem pro-russischen Anführer in der Region Donezk, Denis Puschilin, nach Moskau reisen, um den Anschluss an Russland zu formalisieren.
Ähnlich wie Pasetschnik äußerte sich der Separatisten-Chef in Cherson, Wladimir Saldo. Die Bewohner in Cherson hätten eine „historische Entscheidung“ getroffen und beschlossen, „Teil der multinationalen Bevölkerung der Russischen Föderation zu werden“. Saldo sprach von einem „vollkommen legalen“ Wahlprozess und berief sich auf das in der UN-Charta festgeschriebene Selbstbestimmungsrecht der Völker.
Die pro-russischen Behörden hatten am Dienstag Siege bei den sogenannten Referenden vermeldet. In den südukrainischen Regionen Saporischschja und Cherson sowie in den ostukrainischen Separatistengebieten Luhansk und Donezk soll es demnach Zustimmungswerte zwischen 87,05 und 99,23 Prozent für die Annexion durch Russland gegeben haben.
EU-Außenschef bezeichnet „Referenden“ als „illegal“
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bezeichnete jedoch die sogenannten Referenden im Kurzbotschaftendienst Twitter als „illegal“ und deren Ergebnisse als „gefälscht“. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nannte in einer Videoansprache am Dienstagabend die Abstimmungen eine „Farce“ und kündigte an, die Ukraine werde ihre Bürger in den russisch besetzten Gebieten „verteidigen“. Das betreffe auch die 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim.
Die ukrainische Regierung forderte als Reaktion auf die „Referenden“ vom Westen eine „bedeutende“ Verstärkung seiner militärischen Unterstützung. Konkret forderte das ukrainische Außenministerium Kampfjets, Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie mit hoher Reichweite sowie Ausrüstung zur Luft- und Raketenabwehr.
Charkiw, die zweitgrößte Stadt der Ukraine, wurde nach ukrainischen Angaben in der Nacht zum Mittwoch erneut mit russischen Raketen beschossen. Durch Einschläge in einer Transformator-Station sei der Strom in mehr als 18.000 Haushalten ausgefallen, teilte Regionalgouverneur Oleg Synegubow mit.
Scholz schließt sich Borrell und Biden an
Journalisten der Nachrichtenagentur AFP in Charkiw berichteten von mehreren Explosionen und beobachteten die Löscharbeiten an einem von mindestens zwei Geschossen getroffenen Rangierbahnhof. Verletzte gab es durch die Angriffe ersten Angaben zufolge nicht.
Bundeskanzler Scholz antwortete in einem Video-Interview der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ auf die Frage, ob Putin seine Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen wahr machen könnte: „Wer weiß das schon? Wie US-Präsident Joe Biden will ich aber ganz klar in Richtung Russland sagen: Lasst es bleiben!“
Auf die Frage, ob Deutschland seine militärische Unterstützung der Ukraine ausweiten werde, sollte Russland besetzte Gebiete annektieren, sagte Scholz: „Wir werden das Ergebnis dieser Schein-Referenden nicht akzeptieren und die Ukraine mit unverminderter Kraft weiter unterstützen.“
28 Sep. 2022
AFP
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