Emmanuel Macron in Marseille (Reuters)
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Für den 10. April 2022 ist die erste Runde von Frankreichs nächster Präsidentschaftswahl angesetzt. Erlangt kein Kandidat die absolute Mehrheit, findet am 24. April eine Stichwahl zwischen den beiden erstplatzierten Kandidaten statt.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist als politischer Visionär angetreten, der die politische Links-Rechts-Spaltung oder Polarisierung in seinem Land überwinden wollte. Sein Ansatz bestand darin, eine neue und mehr noch innovative politische Mitte aufstellen und entwickeln zu wollen. Die Frage natürlich bleibt, ob es ihm wirklich gelang, das politische „Vakuum“ in der Mitte gut zu bespielen. Wie es der Kommentator Pawel Zerka treffend formulierte: „Es wäre nicht allein Macrons Schuld, denn die Desillusionierung der Franzosen in Bezug auf Politik währt schon lange. Doch er ist derjenige, der das politische System Frankreichs vor vier Jahren durcheinanderbrachte, indem er die Links-Rechts-Spaltung für obsolet erklärte – es dann jedoch versäumte, das Vakuum zu füllen.“

Macron hat einen vielfach bürgerlichen Werdegang, bekleidete unter dem sozialistischen Präsidenten François Hollande das Amt des Wirtschaftsministers (2014-2016), war sogar einige Jahre (2006-2009) Mitglied der Sozialistischen Partei. 2016 gründete er die Partei „La République En Marche!, die eine zentristische und pro-europäische Agenda umsetzen möchte, sich im politischen System Frankreichs als „Mitte bis Mitte-Rechts“ positioniert und als eine Manifestation des politischen Liberalismus gilt. Macron gelangen zwei politische Meisterstücke. Er gewann im Mai 2017 die französischen Präsidentschaftswahlen. Kurz danach, bei den französischen Parlamentswahlen im Juni 2017, eroberte seine Partei mit 53,4 % der Sitze auch noch die absolute Mandatsmehrheit im Parlament. Macron etablierte damit die Brücke einer „Unified Government“ von Präsidentenamt und Parlament. Als Ausdruck seiner politischen Ausrichtung gilt Macron auch als erster Präsident Frankreichs, der in der Öffentlichkeit bei entsprechenden Anlässen die englische Sprache verwendet.

Die große innenpolitische Rivalin von Emmanuel Macron ist die gegenwärtige politische Galionsfigur der französischen Rechten, Marine Le Pen, Tochter des Rechtspolitikers Jean-Marie Le Pen. Marine übernahm 2011 den Vorsitz der Partei Front National, die im Juni 2018 als Rassemblement National („Nationale Versammlung“) neu konstituiert wurde. Gründer des Front National war Jean-Marie Le Pen, und hier vollzog sich quasi in der Öffentlichkeit ein schwerer familiärer Vater-Tochter-Konflikt. In Konsequenz einer Neuaufstellung der Partei forderte Marine ihren Vater Jean-Marie zum Parteiaustritt auf, und wegen „schwerer Verfehlungen“ wurde Jean-Marie im August 2015 tatsächlich ausgeschlossen. Bereits zweimal trat Marine Le Pen glücklos zu Präsidentschaftswahlen an, schaffte es 2017 zwar in die Stichwahl, wurde bei dieser aber mit einem Stimmenanteil von lediglich 33,9 % von Emmanuel Macron schwer geschlagen.

Der Rassemblement National gilt als eine politische Bewegung an der Schnittstelle von Rechtspopulismus und „Rechtsextremismus“, wird im Französischen auch als „extrême droite“bezeichnet. Geradezu zynisch liest sich da die Eigenbeschreibung des Rassemblement National als „patriotisch“, „populistisch“ und „souveränistisch“, angeblich „weder rechts noch links“. Die politischen Forderungen folgen einem üblichen (fast schon „langweiligen“) rechten Skript rechter Denkweise. „Franzosen zuerst“ steht im Zentrum der Ausrichtung. Für die Wirtschaft wird ein Protektionismus verlangt, einhergehend mit einer Nationalisierung von Schlüsselindustrien und der Einführung von Schutzzöllen, etwa für Frankreichs Landwirtschaft. In Fragen der Einwanderung wird ein strikter Kurs unterstrichen. Beim Thema Staatsbürgerschaft sollen „jus soli“ und doppelte Staatsbürgerschaften (außer für EU-Bürger) abgeschafft werden. Außenpolitisch wird ein rabiat EU-kritischer Kurs vertreten, die Europäische Union soll ein „Europa der Nationen“ werden und jeder Nationalstaat wieder mehr nationale Souveränität erhalten. Ein EU-Austritt steht jedoch nicht mehr als generelle Forderung im Raum. Im Sinne einer gemeinsamen Unterstreichung EU-kritischer Positionen stellte es für Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán kein Problem dar, sich im Oktober mit Marine Le Pen in Budapest in der Öffentlichkeit zu zeigen. Der Rassemblement National verlangt auch einen Austritt Frankreichs aus mehreren Abkommen, so etwa dem Schengener-Raum (oder dessen Neuverhandlung), der EURO-Zone und der NATO. Ferner steht der Rassemblement National für Strafverschärfungen und „Law and Order“.

In den aktuellen Umfragen zur kommenden Präsidentschaftswahl liegt Emmanuel Macron eindeutig in Führung. Relativ stabil würde ihm ein Viertel der französischen Wählerinnen und Wähler die Stimme schon im ersten Wahlgang geben. Die Wirtschaftsdaten sind einigermaßen gut für Frankreich, und Frankreich meisterte die Corona-Krise entsprechend erfolgreich im Vergleich zu anderen EU-Partnern. Die Anti-Corona-Maßnahmen haben in Frankreich effektiv gegriffen. Trotzdem sieht sich Macron dem politischen Dilemma gegenüber, dass die „rechte Hälfte der politischen Mitte“ mit ihm zufriedener ist als die „linke Hälfte der politischen Mitte“.

Die Rechtsaußen-Kandidatin Marine Le Pen ist hingegen in den Umfragen seit Sommer auf 16 % abgerutscht. Dies hat aber auch etwas damit zu tun, dass das rechtspopulistische Lager Frankreichs derzeit merkwürdig gespalten ist und sich Le Pen einer lagerinternen Konkurrenz durch Éric Justin Léon Zemmour gegenübersieht, einem politischen Journalisten, der vielfach als Rechtsaußen beschrieben wird, in den Umfragen mit Le Pen jedoch gleichauf liegt. Bisher hat sich Zemmour noch nicht dazu durchgerungen, offiziell in das Rennen einzusteigen. Die politische Linke Frankreichs erscheint hingegen vorläufig als chancenlos mit ihren Ambitionen für das Rennen um das französische Präsidentenamt.

„Stell dir vor, es gibt Wahlen und man kennt bereits deren Ausgang“. Ist im kommenden Jahr 2022 der Wahlsieg von Emmanuel Macron bereits die sichere Wahlwette? Schafft es Macron erneut in eine zweite Runde gegen einen Rechtsaußen-Kandidaten, so wie 2017, als er sich von der ersten auf die zweite Wahlrunde von 24 auf 66 % der Stimmen steigerte, so scheint sein Wahlsieg bereits vorgezeichnet. Zu stark ist in Frankreichs Demokratie der Abwehrreflex gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Gesellschaftliche Mittelschichten definieren eindeutig ein schwieriges politisches Terrain für Rechtspopulisten. Die strategische Achillesferse und Verwundbarkeit von Macron könnte aber genau in einer zu geringen Wählermobilisierung liegen, vor allem unter Wählerinnen und Wählern mit einer eher linken Ausrichtung. Deshalb wäre ein Horrorszenario, dass Macron an einer Erst- oder Zweitplatzierung im ersten Wahlgang scheitert und es eine Stichwahl zwischen zwei Rechtsaußen-Kandidaten gäbe. Wahlausgänge sollten nicht als vor-entschieden missverstanden werden. Der tatsächliche Ausgang der ersten Wahlrunde am 10. April 2022 wird vielmehr allesentscheidend sein.

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