Zweifelsohne ging der Präsidentschaftswahlkampf 2024 nicht wie üblich über die Bühne. Es gab zwei Attentatsversuche auf den ehemaligen und nunmehrigen 47. Präsidenten Donald J. Trump. Auf Seite der Demokratischen Partei trat der amtierende Präsident als Kandidat zurück und übergab seiner Vize Kamala Harris etwas mehr als drei Monate vor dem Wahltag noch die Führung. Sie hatte damit nur wenige 15 Wochen und drei Tage Zeit, um aus der zweiten Reihe zu treten und Bekanntheit zu erreichen.
Außergewöhnliches Momentum blieb aus
Der verspätete Wahlkampfbeginn von Harris stellte diese vor strukturelle Probleme: Einen niedrigen Bekanntheitsgrad und der Schein von Profillosigkeit vor dem Hintergrund ihrer Amtszeit als Vizepräsidentin in den letzten vier Jahren. Und das, obwohl sie als erste Schwarze Frau in der Geschichte der USA als Kandidatin das Präsidentschaftsamt anvisierte. Nicht nur das: Sie war auch die erste schwarze Frau und mit Jamaikanisch-Indischen Wurzeln ein Kind von Immigranten. Ihre weibliche Identität verlieh ihrem Wahlkampf ein Momentum, zumindest in der eigenen Partei. Nach dem Ausscheiden des 81-jährigen „schläfrigen“ Joe Biden, wie er genannt wurde, ging eine Welle der Euphorie durch die Kampagne der Demokraten.
Wirtschaft, Immigration und Abtreibung
Ihre weibliche Identität konnte auch im Zusammenhang mit einem zentralen Wahlkampfthema gespielt werden: Nachdem das Recht auf Abtreibung mit der Aufhebung von Roe v. Wade durch den Obersten Gerichtshof nicht mehr gewährleistet wird, sollte die Harris-Kampagne daraufsetzen, vor allem betroffene Frauen von ihrer Kandidatur zu überzeugen. Dass sowohl Trump wie auch sein Vize-Kandidat JD Vance sich mehrmals deutlich gegen das Abtreibungsrecht gestellt hatten, half dahingehend den Demokraten. Auch wenn die Kandidaten der Republikaner hier versuchten, zurückzurudern, gelang dies nur bedingt. Prognosen am Wahlkampf zeigen, dass Harris mit 54 Prozent bei den Frauen weit vorne lag, während Trump hier lediglich bei 44 Prozent lag.
Für die Wählerschaft der Demokraten stand der Schutz von Demokratie im Vordergrund. Der Schutz von Abtreibung rangierte an zweiter Stelle. Für die republikanische Wählerschaft stand umgekehrt die Wirtschaft an erster Stelle. Trump versicherte diesen, ihre Interessen zu vertreten, indem er Einfuhrsteuern gegenüber Mexiko und China einführen wolle. Das zweitwichtigste Thema, illegale Einwanderung zu stoppen, konnte Trump mit Verweis auf seine erste Amtszeit und dem Bau der Mauer im Süden argumentieren.
Und selbst wenn Harris die Mehrheit der Demokraten in wichtigen Subgruppen sichern konnte, wie etwa bei den Schwarzen, Latinos, und Asian-American, so konnte Trump dort wichtige Zugewinne machen, die es ihm erlaubten, diesmal den Sieg davonzutragen. Insbesondere der hohe Zugewinn in der Gruppe der Latinos, wo bundesweit 45 Prozent für Trump wählten, zeigt, dass die Vorherrschaft der Demokraten hier gefallen ist.
Land vs. Stadt und Wirtschaftsverlierer
Was sich am Wahlabend deutlich abzeichnete, war ein Überhang an ländlicher Unterstützung für Trump und eine eher städtische für Harris. Dies geht tendenziell auch einher mit dem formellen Bildungsstand. Und das wichtigste Wahlmotiv, nämlich die wirtschaftliche Lage, war letztendlich ausschlaggebend für den Sieg Trumps. 86 Prozent der republikanischen Wählerschaft schätzen die wirtschaftliche Lage als schlecht ein, während unter Harris-Wähler nur 11 Prozent diese Einschätzung teilen. Trump konnte mit seinem Image, den Staat wie eine Firma zu führen, klar punkten.
Absoluter Gewinn
Trump konnte in den wichtigsten Swing-States, Georgia, Pennsylvania, North Carolina, und Wisconsin, abräumen. Und während Michigan und Arizona noch ausgezählt werden, liegt Trump auch in den Gesamtstimmen weit voran. Nicht nur das: Die Republikaner haben sich auch eine Mehrheit im Senat sichern können. Das wird Trump erlauben, viele seiner Vorhaben ohne Widerstand durchzuführen. Und innerrepublikanisch wird es die Marke MAGA – Make America Great Again – zementieren.
Trump hat im Vergleich zu 2020 knapp zwei Millionen weniger Stimmen erhalten. Harris im Vergleich zu Biden im Jahre 2020 12 Millionen Stimmen weniger. Woran genau der Mangel an Mobilisierung lag, wird eine entscheidende Frage sein, der sich vor allem das Wahlkampfteam der Demokraten stellen muss.
Viele offene Fragen
Während die US-amerikanische Öffentlichkeit gespannt auf die Konsequenzen dieser Wahl wartet, wie Trump mit seinen politischen Opponenten umgeht und wie er Wirtschaft und Immigrationspolitik verändert, blickt der Rest der Welt auf die Implikationen dieser Wahl für Institutionen wie die NATO bis hin zu geopolitischen Konfliktherden von der Ukraine-Russland bis Israel-Palästina. Israels Premier Benjamin Netanyahu hat Trump bereits zu seinem historischen Wahlsieg gratuliert. Ebenso der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenskyy, der auf den Willen Trumps zur Beendigung des Krieges verwies. Es wird abzuwarten sein, wie die nächsten Schritte Trumps hierzu aussehen.