von Ramazan Aktaş
TRT Deutsch hat mit Ozan Ceyhun gesprochen. Er ist als Botschafter der Türkischen Republik in der österreichischen Hauptstadt Wien tätig. Sie sind seit über einem Jahr in Wien im Amt. Könnten Sie uns von Ihren wichtigsten Tätigkeiten in diesem Zeitraum erzählen.
Letztes Jahr im Februar habe ich meine Arbeit als Botschafter aufgenommen. Ungefähr zur gleichen Zeit ist die Pandemie in Europa ausgebrochen und begleitet leider bis heute unser tägliches Leben. Natürlich hat das auch unsere Arbeit als Botschaft eingeschränkt. Nichtsdestotrotz habe ich intensiv daran gearbeitet, die Beziehungen mit Österreich auf allen Ebenen zu pflegen und weiter voranzubringen. Mit Bundes- und Landesbehörden wie auch mit Kommunalverwaltungen hatte ich viele Gespräche und enge Kontakte. Vor allem in Zusammenhang mit der Corona-Bekämpfung hatten wir einen exzellenten Austausch und eine gute Zusammenarbeit auf allen Ebenen.
Der Ko-Vorsitzende der interparlamentarischen Freundschaftsgruppe, Muhammed Fatih Toprak, war vor Kurzem in Österreich. Welche bilateralen Kontakte gab es?
Wir hatten einen sehr gelungenen Besuch des türkischen Ko-Vorsitzenden der interparlamentarischen Freundschaftsgruppe Türkei-Österreich, Herrn Muhammed Fatih Toprak. Nach vielen langen Jahren haben sich die Parlamentarier beider Seiten auf dieser Ebene getroffen. Dass diese Gespräche trotz der schwierigen Pandemie-Bedingungen von Angesicht zu Angesicht stattgefunden haben, zeigt, welch wichtigen Stellenwert beide Seiten den bilateralen Beziehungen beimessen.
Herr Abgeordneter Toprak hatte viele interparlamentarische Gespräche. Zunächst wurde er vom Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka empfangen. Auch traf er seine Amtskollegin, die österreichische Ko-Vorsitzende der Freundschaftsgruppe, Nurten Yılmaz. Außerdem hatten wir ein sehr offenes und konstruktives Gespräch mit den Mitgliedern der österreichischen Freundschaftsgruppe.
Im Rahmen seines Besuchs traf Herr Toprak auch einige Kommunalpolitiker, unter anderem den Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien, Herrn Dr. Michael Ludwig, und den Bürgermeister von St. Georgen an der Gusen, Herrn Erich Wahl. Auch das Treffen mit dem Botschafter Peter Launsky-Tieffenthal, Generalsekretär des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten, verlief sehr positiv.
Ist in Kürze eine politische Annäherung zwischen Österreich und der Türkei zu erwarten?
Eine politische Annäherung findet bereits statt. Der Besuch des Abgeordneten Toprak ist ein guter Beweis für unseren regen Dialog auf politischer Ebene. Auch vor dem Besuch gab es Kontakte auf politischer Ebene. Unsere beiden Präsidenten haben einen guten Dialog. Nach dem Terroranschlag in Wien letztes Jahr führten unsere Außenminister ein langes Telefongespräch. Die beiden Ko-Vorsitzenden der interparlamentarischen Freundschaftsgruppe Türkei-Österreich hatten sich bereits letzten November in einer Video-Konferenz über eine Fortführung und Vertiefung der interparlamentarischen Beziehungen ausgetauscht. Danach hatten wir den Besuch von Herrn Toprak in Wien. Diese Besuche und Kontakte werden wir auch in Zukunft fortsetzen.
250 Unternehmen sind mit österreichischem Kapital derzeit in der Türkei tätig. Wie sehen Sie die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung zwischen Österreich und der Türkei?
Mit Österreich haben wir seit jeher exzellente Handels- und Wirtschaftsbeziehungen. Dadurch, dass die Türkei in den letzten Jahren ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum verzeichnen konnte, haben diese Beziehungen noch mehr an Fahrt aufgenommen.
Lag das bilaterale Handelsvolumen noch vor 20 Jahren unter 1 Milliarde Euro, hat sich es heute verdreifacht. Das bilaterale Handelsvolumen betrug letztes Jahr etwa 3 Milliarden Euro (2019: 2,9 Mrd €). Die türkischen Exporte lagen bei 1,75 Milliarden Euro, und im gleichen Zeitraum haben wir Waren im Wert von 1,25 Milliarden Euro aus Österreich importiert.
Die Türkei bietet österreichischen Unternehmen viele Möglichkeiten, insbesondere in den Branchen Bau und Infrastruktur, Verpackung, Kraftfahrzeuge, Tourismus (Skisektor), Textilien sowie erneuerbare Energien. In Bezug auf Auslandsinvestitionen sieht Österreich die Türkei als eine wichtige Chance, und das Interesse Österreichs an unserem Land ist parallel zu den wirtschaftlichen Entwicklungen unseres Landes in den letzten Jahren gestiegen.
Bei den ausländischen Direktinvestitionen, die seit 2002 in der Türkei getätigt wurden, liegt Österreich mit 10,6 Milliarden Dollar und einem Anteil von 6,6 % an allen ausländischen Investitionen an vierter Stelle, was für ein Land von der Größe Österreichs außergewöhnlich ist und von der Bedeutung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zeugt.
In Juni 2020 hat die Österreichische Post AG ihren Anteil am türkischen Paketdienstleister Aras Kargo von 25 % auf 80 % erhöht. Sie ist sehr zufrieden mit den Investitionen in der Türkei. Auch wurden in unseren Gesprächen weitere Investitionen in Aussicht gestellt.
Erst Anfang des Jahres haben wir einen weiteren Grundstein in der handels- und finanzwirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Österreich gelegt. Mitte Jänner (Januar) haben die Österreichische Kontrollbank (OeKB) und die türkische Exportkreditagentur Türk Eximbank ein Kooperationsabkommen unterzeichnet. Es soll Gemeinschaftsprojekte erleichtern und einen Wettbewerbsvorteil für österreichische Unternehmen in der Zusammenarbeit mit türkischen Generalunternehmern in Drittmärkten schaffen.
Türkische Unternehmen verantworten oft große Projekte inklusive notwendiger Zulieferungen aus anderen Ländern. Gleichzeitig sind sie in den Wachstumsmärkten Asien und Afrika stark präsent. Auch österreichische Exporteure haben ihre Stärken, sind allerdings oft kleinere oder mittelgroße Unternehmen und können Projektrisiken nicht tragen. Ich erwarte in Zukunft viel stärkere Synergien zwischen türkischen und österreichischen Unternehmen in Drittmärkten.
Welche kulturellen Beziehungen sind zwischen Österreich und der Türkei geplant? Wird es gegenseitige Besuche und gemeinsame Projekte geben?
Eines der wichtigsten Standbeine unsere bilateralen Verhältnisse sind die kulturellen Beziehungen mit Österreich. Wir tun alles, um unsere kulturelle Zusammenarbeit mit Österreich weiter voranzubringen.
Österreich wird nächstes Jahr (2022) mit der Türkei erstmals das gemeinsame "Wissenschaftliche Dialogjahr" mit einem Partnerland durchführen. Wir betrachten es als eine hervorragende Gelegenheit für die kulturelle, wissenschaftliche und historische Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern. Es ist ein Pilotprojekt und wird in Zukunft Vorbild für gleiche Projekte Österreichs mit anderen Ländern sein. Auch deshalb legen wir großen Wert darauf.
Wien ist eine der erfolgreichsten Städte im Kampf gegen das Corona-Virus. Welche Kooperationen haben Sie mit der Stadt Wien durchgeführt?
Auch zu Corona-Zeiten haben wir eine gute Zusammenarbeit mit Österreich. In der ersten Phase der Epidemie benötigte Österreich dringend Materialnachschub – Schutzmasken etc. Der Bedarf an Materialien in den Krankenhäusern von Wien und Salzburg war enorm. Zum Teil wurden diese aus der Türkei angefordert.
Die Türkei lieferte trotz Exportverbot Schutzausrüstung nach Österreich. Denn uns liegen die Beziehungen mit Österreich sehr am Herzen. Als Zeichen des guten Willens und der Solidarität erteilte die türkische Regierung eine Sondergenehmigung für die Lieferung von Masken und Schutzmaterial nach Österreich.
Gleichzeitig standen wir als Botschaft sowohl auf Bundes- als auch Landesebene in engem Austausch mit den Gesundheitsministern. Am 5. Juni 2020 zum Beispiel erfolgte die Übergabe von Schutzmasken aus der Türkei an die Wiener Stadtverwaltung in Anwesenheit von Peter Hacker, Stadtrat für Soziales, Gesundheit und Sport, und am 29. Juli 2020 übergaben wir weitere Schutzmasken dem Kardinal Schwarzenberg Klinikum in St. Johann im Pongau.
Die Covid-19-Impfung wurde in Österreich beschleunigt. Für wie wichtig halten Sie die Impfung? Würden Sie der türkischen Bevölkerung empfehlen, sich impfen zu lassen?
Es ist eine wichtige Entwicklung, dass immer mehr Menschen die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen. Nur so werden wir auf Dauer das Virus besiegen können. Im Namen der türkischen Mitbürger danken wir als Botschaft der österreichischen Regierung sehr für diese Möglichkeit. Auch tun österreichische Behörden viel, um die Menschen zu informieren. Auch wir als Botschaft helfen da, wo wir können, und versuchen diese Informationen weiterzuleiten und unsere Mitbürger zu motivieren.
Nicht nur bei den Impfungen, sondern auch bei den Kampagnen für die Testungen waren wir sehr aktiv. Im letzten Jänner (Januar) war ich z.B. zu Besuch beim Bürgermeister von Wiener Neustadt, Herrn Klaus Schneeberger. Wir haben gemeinsam die türkische Community in Wiener Neustadt dazu aufgerufen, an den Massentestungen teilzunehmen. Man kann von einem positiven Ergebnis sprechen. Denn allein in der Teststraße am Standort „Golden Palast“, wo auch mehrsprachiges Personal im Einsatz war, haben sich mehr als 400 Personen testen lassen.
Wir befinden uns im Monat Ramadan. Wie verbringen Sie Ihre Tage in Wien? Was ist Ihre Botschaft an türkeistämmige Menschen in Österreich?
Ich verbringe diese Tage wie viele türkischen Menschen im Sinne und Geiste des heiligen Monats. Der Fastenmonat Ramadan ist auch die Zeit, in der wir uns an die wichtigen Werte des zwischenmenschlichen Lebens erinnern, nämlich Frieden, Solidarität und Menschenliebe, in der wir an unsere Mitmenschen denken und Bedürftigen helfen.
Ich wünsche den türkischstämmigen Menschen hierzulande, die seit Generationen in Österreich leben und als integraler Bestandteil dieser Gesellschaft zum Wohl und Erfolg dieses Landes auf allen Ebenen beitragen, einen ruhigen und besinnlichen Ramadan, Gesundheit und viel Glück.
Vielen Dank für das Gespräch!