Der neu gewählte algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune hält eine Rede während einer Vereidigungszeremonie in Algier (Reuters)
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von Ali Özkök

TRT Deutsch hat mit Abdennour Toumi gesprochen. Er ist algerischer Politikwissenschaftler und Nordafrika-Analyst am Zentrum für Nahöstliche Studien (ORSAM) in Ankara.

In den algerisch-türkischen Beziehungen gab es zuletzt Hinweise darauf, dass es zwischen den beiden Ländern zu einer politischen Annäherung kommen könnte. Wie bewerten Sie diese Möglichkeit?

Algerien wird sich unter der neuen Regierung definitiv nach neuen regionalen Partnern umsehen. Darunter fällt natürlich die Türkei. Das ist ein Plus und eine solide Bereicherung nicht nur für Algier, sondern auch für Ankara.

Insbesondere die politische Sackgasse in Libyen wird die Beziehungen zwischen den beiden Ländern verbessern, um eine langfristige Lösung zu finden. Algier ist bereit, mit allen Konfliktparteien direkte Gespräche zu führen. Algerien möchte nicht, dass Libyen zu einem gescheiterten Staat wird oder als Warlord-Staat zerfällt.

Nichtsdestotrotz will sich Algerien nicht direkt militärisch einmischen, aber es will zu einer politischen Lösung beitragen.

Es wird eine großartige Zusammenarbeit mit der Türkei, Tunesien und Algerien geben, und wir werden in einem Bündnis stehen, sagte Libyens Innenminister Bashagha auf einer Pressekonferenz in Tunis. Ist eine solche geopolitische Annäherung wirklich möglich?

Die Erklärung vom libyschen Innenminister Fatih Bashagha ist bedeutsam. Angesichts der Politik des Gleichgewichts zwischen allen Super- und Regionalmächten und den Entwicklungen in Libyen muss ein mächtiges subregionales System wiederbelebt und von der Türkei aufgrund ihrer engen Verbindungen und guten Beziehungen zu allen Maghreb-Ländern unterstützt werden.

Die Libyenkrise ist zu einem Problem für eine Annäherung der Länder im Maghreb geworden. Grund dafür ist vor allem die fragwürdige Hartnäckigkeit von Khalifa Haftar und seinen internationalen Unterstützern, die die Entstehung eines subregionalen Systems nicht akzeptieren. Sie wollen nicht, dass eine miteinander kooperierende Maghreb-Region die politisch irrelevante Arabische Liga ablöst. Auch hat keiner ein Interesse daran, dass diese Region EU-Ländern wie Italien, Spanien, Portugal und Frankreich gegenüber Konzessionen abverlangt.

Die Türkei und Algerien sind beides Schlüsselstaaten, beide Länder wurden ins Visier genommen und sehen sich ernsthaften nationalen Sicherheitsbedrohungen an ihren Grenzen gegenüber gestellt - deshalb freuen sich beide Länder auf eine neue Phase der öffentlichen Diplomatie, um ihre entscheidende Verbindung zur optimalen Funktion der Regionalpolitik auszubauen. Aus diesem Grund ist der Aufruf der Staaten Türkei, Algerien und Tunesien, in den nächsten Wochen an einem geplanten Berliner Gipfel zur Lösung der Libyenkrise teilzunehmen, wichtig. Fakt ist, dass die jüngsten Entwicklungen in Libyen in Frage stellen, ob das Gipfeltreffen in Berlin überhaupt noch stattfinden kann.

Können Sie die Hegemonie-Frage im Maghreb mit Bezug auf einen konkreten Staat verdeutlichen?

Zum Beispiel sieht Frankreich die Region psychologisch gesehen immer noch als seinen Hinterhof. Fakt ist, dass sich die Region in den letzten zehn Jahren deutlich verändert hat. Wir stellen eine immer stärkere Präsenz von den USA, China und der Türkei im Maghreb fest.

Was die geopolitische Annäherung zwischen der Türkei und nordafrikanischen Ländern betrifft, so ist diese aus meiner Sicht ein Muss, und das geht einher mit dem Wunsch der Menschen in der Region, die eine starke Botschaft des Wandels aussenden. Einen Hoffnungsschimmer gibt es spätestens seit den tunesischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im letzten Herbst und den letzten Präsidentschaftswahlen in Algerien. Die neuen Regierungen offerieren der Türkei komplett neue Gelegenheiten, die bilaterale Kooperation auszubauen.

Die Türkei fordert auf diese Weise die bigotte Haltung Russlands und Frankreichs heraus. Gerade diesen Ländern geht es nur um ihre eigenen geoökonomischen Interessen. Eine Win-Win-Situation ist nicht ihr erstes Interesse.

Wie haben sich die Beziehungen zwischen der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und Algerien in den letzten Jahren ihrer Meinung nach entwickelt?

Die algerisch-französischen Beziehungen befinden sich aus der Sicht von Algier in einer sehr wechselnden politischen Stimmung, da die jüngsten politischen Äußerungen einiger französischer Politiker in Paris, vor allem von der Linken und der rechtsextremen Partei von Marine Le Pen, weder bei der Regierung noch bei der Bevölkerung gut ankamen.

Es bleibt zu unterstreichen, dass sich Paris jedoch niemals von der algerischen Politik fernhalten wird. Noch eindrucksvoller ist, dass Paris die Angelegenheiten in Algerien zum nationalen Sicherheitsinteresse erklärte. Pragmatische Algerier beschreiben diese Beziehung als „Hass & Liebes“-Geschichte. Wichtig zu wissen ist, dass der Einfluss Frankreichs tief in der algerischen Gesellschaft verankert ist. Insbesondere in der Yuppy-Elite und der höheren Klasse.

Sinnbildlich für die Frage nach der Beziehung beider Länder ist diese noch immer politisch höchst aufgeheizte Diskussion, ob Englisch eventuell das Französische als erste Fremdsprache in algerischen Bildungseinrichtungen ablösen könnte. Der amtierende Minister für Hochschulbildung drängt auf eine Verallgemeinerung des Englischen an den Universitäten anstelle des Französischen. Das ist natürlich eine Entwicklung, die Frankreich gar nicht gefällt.

Hat sich mit der Entmachtung von Machthaber Bouteflika und dem Tod des Generalstabchefs Gaid Salih das politische Klima in Algier verändern können?

Man spürt ein neues Selbstbewusstsein, das vom Militär und dem neuen Präsident ausgeht. Beide haben mehr Raum für die außenpolitischen Imperative und Ziele des Landes, um ihr Verhalten gegenüber Russland, China einerseits und den USA andererseits zu diversifizieren. Dies wird Paris in Panik versetzen. Hinzu kommt, dass Frankreich eine absolut surreale Außenpolitik in Libyen führt, die die Lage von Frankreich noch weiter verschlechtert. Die anti-französische Grundhaltung gibt es nicht nur in der Sahelzone, sondern auch im Maghreb.

Vielen Dank für das Gespräch!

TRT Deutsch