Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan beim Staatsbesuch in den USA.  (AA)
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von Ali Özkök

TRT Deutsch hat mit Ali Çınar gesprochen. Er ist Außenpolitik-Analyst und Präsident der „Turkish Heritage Organization“. Das renommierte Institut mit Sitz in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington gilt als Brücke im politischen Austausch zwischen den NATO-Staaten USA und Türkei.

In einem siebenseitigen Memo an Senatoren argumentiert das US-Außenministerium gegen die Sanktionierung der Türkei. Wie schätzen Sie das politische Gewicht dieses Schriftstücks ein, um die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden in Zukunft zu sichern? Die Trump-Administration gab eine klare Botschaft von sich. Die Sanktionen würden die Türkei nur in Richtung Russland und Iran drängen, und die Drohung an die Türkei wird nicht dazu beitragen, die Spannungen zwischen den zwei NATO-Verbündeten zu verringern. Präsident Trump gab dem Senat eine klare Anweisung: „Die Türkei ist ein wichtiger Verbündeter", die USA könnten sich nicht erlauben, einen NATO-Verbündeten zu verlieren. Wir haben zudem gesehen, dass seine Bemühungen einige Senatoren dazu gebracht haben, sich im November mit Präsident Erdoğan zu treffen. Ja, es gibt Probleme und Meinungsverschiedenheiten zwischen der Türkei und den USA. Eine schwache und destabilisierte Türkei wird jedoch nicht nur für die Bürger der Türkei, sondern auch für Europa, die NATO und die USA eine Katastrophe bedeuten. Es ist wichtig, dass sowohl Washington als auch Ankara in der Lage sind, ehrliche, aber respektvolle Gespräche miteinander zu führen, auch wenn es Meinungsverschiedenheiten oder Bedenken gibt. Das jüngste Treffen zwischen Präsident Erdoğan und Präsident Trump war ein sehr wichtiger Schritt zur Lösung der Meinungsverschiedenheiten. Es gibt viele Bereiche, die für beide Nationen von Interesse und Nutzen sind - von der Wirtschaft bis hin zu Bildung, Energie und Technologie. Die USA haben das Waffenembargo gegen den griechischen Teil Zyperns aufgehoben und stehen dem türkisch-libyschen Kooperationsabkommen kritisch gegenüber. Warum nehmen die USA in Fragen Positionen ein, die im direkten Konflikt mit den Interessen der Türkei stehen? Vor allem US-Senator Robert Menendez führt die anti-türkische Debatte in dieser Frage an. Er steht auch hinter der Aufhebung des Waffenembargos. In diesen Kreisen wird die Türkei sehr negativ wahrgenommen. Viele anti-türkische Gruppierungen - darunter auch einige griechische Gruppen - bedrängen den US-Kongress in dieser Frage regelrecht. Leider gibt es keine überparteiliche Position der USA in der Zypernfrage. Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor tief besorgt über die Versuche der Türkei, Bohrungen in den Gewässern vor Zypern durchzuführen - obwohl es ihr Recht ist. Wir wissen, dass es ein Treffen in Athen gab; die Energieminister von Griechenland, Zypern und Israel und auch der stellvertretende US-Außenminister für Energieressourcen haben ihre Zusammenarbeit im Energiebereich diskutiert. Sie bekräftigten ihr gemeinsames Engagement zur Förderung von Frieden, Sicherheit und Wohlstand in der östlichen Mittelmeerregion, wie aus der Stellungnahme zu entnehmen war. Welche Auswirkung hat diese Entwicklung konkret auf die fragile geopolitische Situation im Libyen-Konflikt? Die USA arbeiten in Fragen bezüglich des östlichen Mittelmeerraums und Libyen eng mit Israel, Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien zusammen. Und diese vier Länder unterstützen zugleich die Miliz des libyschen Rebellenführers Khalifa Haftar. Das ist keine gute Nachricht für die Türkei. Die Türkei unterzeichnete ein Abkommen mit Libyens UN-anerkannter Regierung, auch abgekürzt als GNA bekannt. Beide Staaten einigten sich letzten Monat auf gemeinsame Seegrenzen im Mittelmeer. In Libyen nehmen die USA keine wirklich klare Position ein. Tatsache ist, dass Präsident Trump im April letzten Jahres mit Haftar direkte Gespräche geführt hat. Wir müssen uns auch vor Augen halten, dass die russische Präsenz eine weitere Bedrohung für die USA in Libyen darstellt. Es ist ein sehr kompliziertes Thema, so dass ein ständiger Dialog zwischen den USA und der Türkei und der EU zu diesem Zeitpunkt von kritischer Bedeutung ist. Gibt es Ihrer Meinung nach einen Unterschied zwischen Demokraten und Republikanern in ihrer Einschätzung der Türkei als Partner der USA? Es gibt eine pro-türkische Fraktion, die sich für die Verbesserung der Beziehungen zwischen der Türkei und den USA einsetzt. Derzeit gibt es 113 Mitglieder in dieser Fraktion. Im US-Senat sieht es wie folgt aus: Vier Mitglieder, drei Republikaner und ein Demokrat. Im US-Repräsentantenhaus hingegen: 109 Mitglieder, darunter 60 Republikaner und 49 Demokraten. Wie wir sehen können, übersteigt die Zahl der Republikaner die Zahl der Demokraten. Was wir seit vielen Jahren bemerken können: Es zeigen Republikaner tendenziell mehr Verständnis für die Türkei und die Sicherheitspartnerschaft mit ihr. Es gibt viele republikanische Mitglieder des Kongresses und des Senats, die vor ihrer Wahl in der Armee gedient haben. Viele von ihnen haben entweder in der NATO gedient oder waren in der Vergangenheit in der türkischen Militärbasis Incirlik stationiert. Ich will nicht sagen, dass sich die Demokraten nicht um die Beziehung kümmern, aber wir haben in den letzten 20 Jahren eine positivere Herangehensweise von republikanischer Seite erlebt. Auch die Führung der Parteien ist sehr wichtig. Wenn wir uns mal die Demokratin Nancy Pelosi anschauen, dann wirkt sie sehr hart zur Türkei, und die zwischenstaatlichen Beziehungen scheinen ihr egal. Der Mehrheitsführer im Senat, Mitch O'Connell, hat wiederum kürzlich zur Vorsicht bei den Sanktionen gegen die Türkei aufgerufen. Welche Rolle spielen verschiedene ausländische Lobbyorganisationen bei der Meinungsbildung der US-Senatoren über die Türkei? Wenn wir über die Lobby-Tätigkeit sprechen, müssen wir uns nur ansehen, wer in Washington am meisten für Lobbying ausgibt.

Saudi-Arabien hat 31,5 Millionen US-Dollar ausgegeben, die Vereinigten Arabischen Emirate gaben 18,2 Millionen US-Dollar aus. Im Vergleich dazu wendete die Türkei 5,6 Millionen US-Dollar auf.

Wegen Interessenkonflikten im Nahen Osten geben die Emirate und die Saudis viel Geld aus, um dem Ruf der Türkei zu schaden. Außerdem geht es nicht nur um die Lobbyarbeit im Kongress. Diese beiden Länder unterstützen außerdem Think Tanks und Medien, um dem Ansehen der Türkei in den USA zu schaden. Nichtsdestotrotz muss festgehalten werden, dass es die beiden Länder in ihrer Geschichte immer geschafft haben, trotz Konflikten zusammenzuarbeiten. Die Türkei ist ein Land, das seit dem Koreakrieg immer Seite an Seite mit den USA für den Weltfrieden gekämpft hat. Es ist entscheidend, dass die diplomatischen Kanäle offen bleiben. Die Beziehungen kommen sowohl der türkischen als auch der amerikanischen Gesellschaft zugute. Wie nehmen Sie als Türkei-Kenner, der in New York lebt, die Aktivitäten von pro-armenischen Akteuren im Lobby-Sektor wahr? Was Armenien betrifft, so haben sie das Thema des sogenannten armenischen Völkermords nach 2015 aufgegeben. Während des 100. Jahrestages des sogenannten armenischen Genozids konnten sie nicht das bekommen, was sie eigentlich vom Kongress erwarteten. Sie wollten die Anerkennung des angeblichen armenischen Genozids. Zwei symbolische Resolutionen wurden von der Kammer und dem Senat verabschiedet, aber das ist bedeutungslos für die Türkei. Viele Mitglieder des Kongresses und des Senats haben jedoch die Armenierfrage benutzt, um eine Botschaft an die Türkei zu vermitteln - insbesondere wegen dem Konflikt in Syrien. Es ist eine historische Debatte - keine politische. Es hat keinen Sinn, diese historische Frage in das Politische System der USA einzubringen.

Vielen Dank für das Gespräch!

TRT Deutsch