Nach wachsendem Zorn über eine möglicherweise vermeidbare Explosion mit vielen Toten und Verletzten in Beirut gerät die Regierung des Libanons immer stärker ins Wanken. Zwei Minister legten am Sonntag ihre Ämter nieder. Ministerpräsident Hassan Diab war bemüht, weitere Kabinettsmitglieder vor einer für Montag geplanten Sitzung von einem Rücktritt abzuhalten, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Hunderte protestierten am zweiten Tag in Folge aus Wut über die gewaltige Explosion vor knapp einer Woche.
Stunden nach Informationsministerin Manal Abdel Samad legte am Sonntag auch Umweltminister Damianos Kattar sein Amt nieder, hieß es aus Regierungskreisen. Die Regierung des Libanons ist aufgelöst, wenn mehr als ein Drittel der 20 Kabinettsmitglieder ihr Amt niederlegen. Das wäre bei einem Rücktritt von fünf weiteren Ministern der Fall. Diab wollte dem Kabinett in einer Sitzung am Montag vorschlagen, eine Neuwahl abzuhalten. Die nächste Wahl stünde in dem Mittelmeerland eigentlich erst im Jahr 2022 an.
Viele Libanesen haben das Vertrauen in die politische Elite nach der Explosion mit 160 Toten und rund 6000 Verletzten endgültig verloren. Sie vermuten, dass die Detonation, bei der möglicherweise große Mengen unsicher gelagerten Ammoniumnitrats explodierten, durch grobe Fahrlässigkeit verursacht wurde. Sie klagen auch, dass Wahlen an den realen Machtverhältnissen in dem konfessionell stark gespaltenen Land bisher wenig veränderten. Am Sonntag demonstrierten nach Augenzeugenberichten Hunderte. Einige warfen am Parlamentsgebäude mit Steinen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein.
Hilfsgelder für Wiederaufbau zugesichert
Für die Opfer der Explosion, durch die bis zu 300.000 Menschen obdachlos wurden, wurden wichtige Hilfsgelder gesammelt. Bei einer internationalen Geberkonferenz kamen 252,7 Millionen Euro Soforthilfe zusammen, wie Kreise des französischen Präsidialamtes nach einer Videoschalte berichteten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron leitete gemeinsam mit den Vereinten Nationen das virtuelle Treffen, an dem auch US-Präsident Donald Trump und Vertreter von mehr als 30 weiteren Staaten und Organisationen teilnahmen.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte zuvor im ZDF von über 200 Millionen Euro Hilfe gesprochen. „Deutschland alleine wird sich mit 20 Millionen Euro zusätzlich beteiligen, um die größte Not zu lindern, die es zurzeit in Beirut gibt“, sagte Maas dem Sender. Es sei überwältigend gewesen, wie viele Staaten sich beteiligt hätten. Frankreich trägt 30 Millionen Euro Hilfe bei.
Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) will dem Libanon mit einem Rettungspaket helfen, verlangt dafür aber eine politische Einigung auf umfassende Reformen. Die Finanzorganisation sei bereit, ihre Bemühungen zu verdoppeln, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa in der Schalte. Die EU kündigte an, ihre Nothilfe auf 63 Millionen Euro aufzustocken. Auch Papst Franziskus forderte internationale Hilfe für den Libanon.