Eine Flut von Klagen und Anfragen der rechtspopulistischen AfD macht dem Bundesverfassungsgericht und den Bundesministerien zu schaffen. Mittlerweile liegen nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters 22 Klagen der AfD in Karlsruhe vor, in denen sie ihre Rechte verletzt sieht - allein neun davon sind im Jahr 2023 dazugekommen. Dies droht die sonstige Arbeit des Gerichts erheblich zu belasten. Dazu kommt, dass auch Anfragen der AfD-Bundestagsfraktion an die Bundesministerien deutlich zugenommen haben und dort Probleme verursachen.
Während diskutiert wird, ob man das Verfassungsgericht angesichts der Umfragestärke der AfD vor Extremisten von rechts und links stärker schützen muss, sorgt die rechtspopulistische Partei auf ganz legale Weise dafür, dass sich die staatlichen Institutionen immer mehr mit ihren Themen beschäftigen müssen. So besteht die Besonderheit am Bundesverfassungsgericht darin, dass es über sogenannte Organklagen mündlich verhandeln muss, sofern sie nicht von vornherein unzulässig oder unbegründet eingestuft werden. Stellt man in Rechnung, dass der zuständige Zweite Senat im Höchstfall zehnmal im Jahr mündlich verhandelt, wäre das Gericht allein mit den neun neuen AfD-Klagen des Jahres 2023 voll ausgelastet.
Die AfD-Klagen befassen sich dabei mit unterschiedlichen Themen. So klagt die Partei dagegen, dass sie im Unterschied zu anderen Bundestagsparteien keine Posten der Ausschuss-Vorsitzenden besetzen kann. Darüber verhandelt das Bundesverfassungsgericht am 20. März. Vor wenigen Tagen hatte es begleitend dazu einen Eklat im Gesundheitsausschuss gegeben, weil sich ein AfD-Abgeordneter auf den Sitz des Vorsitzenden setzte und den Platz zunächst nicht räumen wollte.
1439 Kleine Anfragen an Bundesministerien
Aber die AfD klagt in Karlsruhe auch gegen fünf Ordnungsrufe, die ihre Abgeordneten während Bundestagssitzungen erhielten. Solche Ordnungsrufe gibt es immer wieder, wenn Abgeordnete Zwischenrufe machen, die nach der Geschäftsordnung des Bundestages als unangemessen oder gar beleidigend gelten. Obwohl dies eigentlich Parlamentsangelegenheit ist und dort geahndet werden muss, sieht die AfD ihre verfassungsmäßigen Mitwirkungsrechte verletzt.
Weitere Klagen der Partei befassen sich damit, dass der Bundeskanzler, die Bundesfamilienministerin und ein Staatssekretär des Familienministeriums sich im Bundestagsplenum jeweils negativ über die AfD geäußert hätten. Dadurch wiederum sieht die AfD die Neutralitätspflicht verletzt und will innerhalb des Plenums Beschränkungen für Amtsträger durchsetzen. Schließlich hat die AfD fünf verschiedene Klagen eingereicht, weil aus ihrer Sicht parlamentarische Anfragen an die Bundesregierung nicht ausreichend beantwortet worden sind.
Davon hat die Partei eine ganze Menge gestellt: Allein in dieser Legislaturperiode bis Ende Februar gingen 1439 sogenannte Kleine Anfragen von der AfD an Bundesministerien - doppelt so viel wie die Union als größte Oppositionsfraktion. Dazu kommen 4212 schriftliche Einzelfragen. Die Folge: Da die Bundesministerien gesetzlichen Auskunftspflichten unterliegen, müssen sie die verschiedenen Anfragen innerhalb festgesetzter Fristen beantworten. Dies bindet nach Angaben vieler Ressorts enorme Personalkapazitäten.
„Bei der AfD scheint Masse statt Klasse zu gelten“
Dies löst Kritik in anderen Parteien aus - auch wenn Anfragen an die Regierung gerade für die Opposition ein probates Mittel sind, um Auskunft zu erhalten. „Aber bei der AfD scheint Masse statt Klasse zu gelten“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, zu Reuters. „Bei vielen Fragen dreht sich die AfD um sich selbst, beispielsweise wenn sie nach ihrer Beobachtung durch den Verfassungsschutz fragt“, fügte er hinzu. Insgesamt gehe es der AfD offenbar häufig nicht um Erkenntnisgewinn und parlamentarische Kontrolle, sondern um Stichwortgebung für ihre eigenen Kampagnen, sagte der CDU-Politiker. Die AfD und die AfD-Bundestagsfraktion wollten auf Anfrage keine Stellung nehmen.
Grundtenor des Vorgehens in Karlsruhe und im Bundestag ist, dass die AfD Opfer eines vermeintlich AfD-feindlichen politischen Systems sei. So warf die AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel vor kurzem auch Medien eine gezielte Kampagne vor, nachdem es Berichte gab, dass angeblich mehrere Dutzend Mitglieder rechtsextremer Organisationen bei AfD-Bundestagsabgeordneten angestellt sind. Die Einstufung des Verfassungsschutzes als rechtsextremistischer Verdachtsfall sieht Weidel als subjektive Einschätzung.