Der Verband der algerischen-muslimischen Gelehrten hat die jüngsten Behauptungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron über die Geschichte Algeriens zurückgewiesen. „Die Osmanen, die nach Algerien kamen, kamen nicht als koloniale Besatzer, sondern auf Einladung der Algerier, (...) um ihnen zu helfen, die spanische Kreuzfahrer-Aggression zu bekämpfen“, betonte Verbandsvorsitzender Abdul-Razzaq Qassoum in einer Kolumne der Zeitung Al-Basair am Montag. Die türkische Präsenz in Algerien sei aus heutiger Sicht zu keinem Zeitpunkt eine Kolonialisierung gewesen.
Die Beziehungen zwischen Frankreich und Algerien sind wegen der umstrittenen Äußerungen Macrons über die koloniale Vergangenheit des nordafrikanischen Landes angespannt. Macron behauptete, dass es in Algerien bereits „eine Kolonisierung vor der französischen Kolonialherrschaft“ gegeben habe. Er spielte damit auf die osmanische Präsenz in dem Land zwischen 1514 und 1830 an. Zudem sei die Abneigung gegen das ehemalige französische Kolonialreich auf türkische Propaganda zurückzuführen. Macrons Aussagen wurden von Algerien als ein Versuch gewertet, die blutige koloniale Vergangenheit des Landes zu beschönigen.
„Osmanen haben unsere Kultur respektiert und unsere Reichtümer nicht geplündert“
Laut Qassoum haben die Osmanen im Gegensatz zu Frankreich die Algerier nicht getötet, ihr Land nicht zerstört und ihren Reichtum nicht geplündert. Die Algerier „besaßen (unter den Osmanen) eine Menge Reichtum“, so der algerische Gelehrte. Er stellte auch fest, dass die Osmanen den Algeriern weder ihre Sprache aufzwangen, noch ihren Glauben bekämpften. Daher könne man nicht von einer Kolonialisierung sprechen.
Ganz im Gegensatz zu Frankreich „haben (die Osmanen) unseren Glauben nicht bekämpft, nicht einmal unsere Madhhab (islamische Rechtsschule)“. Die französische Kolonialmacht hingegen habe zu „Tragödien“ und „Elend“ geführt.
Zuvor hatte Algeriens Präsident Abdelmedjid Tebboune die umstrittenen Äußerungen Macrons als „inakzeptable Beleidigung“ der algerischen Unabhängigkeitskämpfer bezeichnet. Zudem war der algerische Botschafter in Paris zu Konsultationen zurückgerufen worden. Algier hatte außerdem den Luftraum für französische Militärflugzeuge, die in der Sahelzone operieren, gesperrt.
Frankreich hat sich für seine Kolonialverbrechen nicht entschuldigt
In einem am Sonntag ausgestrahlten Fernsehinterview erzählte Tebboune über das französische Massaker an fast 4000 Muslimen während der Kolonialzeit von 1830 bis 1962. Die Menschen seien getötet worden, als sie in der osmanischen Moschee Ketchaoua einen Sitzstreik veranstaltet hätten. Paris habe damals versucht, die Moschee demonstrativ in eine Kirche umzuwandeln.
Die Regierung in Algier erwartet vom ehemaligen Kolonialstaat Frankreich ein öffentliches Eingeständnis für die zahlreichen Kriegsverbrechen in dem Land. Die Kolonialherrschaft in Algerien ist eine der jüngsten und blutigsten Beispiele der französischen Kolonialgeschichte auf dem afrikanischen Kontinent. Paris versuchte, die einheimische Kultur weitestgehend auszulöschen. 1954 begann der algerische Unabhängigkeitskampf, der bis 1962 andauerte. Etwa 1,5 Millionen Algerier verloren dabei ihr Leben, mehrere Millionen wurden vertrieben.