Hilfsorganisation: Menschen können nicht aus Rafah fliehen / Photo: AA (AA)
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Angesichts der israelischen Pläne für einen Großangriff in Rafah im südlichen Gazastreifen hat die deutsche Hilfsorganisation Cadus, die dort derzeit im Einsatz ist, die Lage der notleidenden Menschen als ausweglos beschrieben. „Diejenigen, die fliehen wollen, können es einfach nicht," sagte der Chef der deutschen Hilfsorganisation, Sebastian Jünemann, der Nachrichtenagentur AFP in einem Telefoninterview von Rafah aus. Seit Anfang Februar leistet der erfahrene Notfallsanitäter mit seinem Berliner Team im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) medizinische Nothilfe im Gazastreifen.

Es gebe in der dicht besiedelten Enklave „keine Fronten, wie man das normalerweise kennt“, sagte Jünemann. Vielmehr werde der israelische Vernichtungskrieg „auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen“.

Der Notfallsanitäter Jünemann ist mit zwischen fünf und acht Cadus-Mitarbeitern in Rafah stationiert, sie leisten Hilfe in einem Krankenhaus zwischen Rafah und der weiter nördlich gelegenen Stadt Chan Junis. Es ist die einzige deutsche Hilfsorganisation, die derzeit vor Ort ist.

Hilfsorganisation: Menschen können nicht aus Rafah fliehen (AA)

Von seinem derzeitigen von der WHO zugeteilten Einsatzort aus, dem Europäischen Krankenhaus, sehe das Cadus-Team, dass die aufgrund der israelischen Angriffe nach Rafah geflüchteten Menschen „nun wieder versuchen, in Richtung Norden und ins Zentrum des Gazastreifens zu fliehen - über Chan Junis hinaus, an Chan Junis vorbei, mit Plastikplanen und vielleicht noch einer Matratze bepackt“. In der Stadt Rafah direkt an der Grenze zu Ägypten sind angesichts der massiven israelischen Angriffe auf den Gazastreifen mehr als 1,4 Millionen Schutzsuchende aus anderen Teilen der abgeriegelten Enklave zusammengepfercht.

Auch wenn die Menschen in den Krankenhäusern und das Pflegepersonal „unfassbar froh“ über die Unterstützung seien, so sei die Arbeit von Cadus „ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Jünemann. Um den Menschen vor Ort akut und langfristig helfen zu können, müsse „mehr humanitäre Hilfe vorankommen“.

Israelische Pläne zur “Evakuierung” von Zivilisten in Rafah im Vorfeld eines Großangriffs auf Gaza sieht Jünemann skeptisch. „Ich habe keine Ahnung, wie sich das vorgestellt wird. Die Menschen leben jetzt schon in Zeltstädten. Es gibt hier einfach keinen Platz. Die Menschen sind einfach fertig.“ Schon jetzt seien in Rafah überall Notunterkünfte, Zelte und Planen aufgestellt. „In den Krankenhäusern schlafen die Menschen auf den Fluren.“

Hilfsorganisation: Menschen können nicht aus Rafah fliehen (AA)

Auch die von Israel geplante Errichtung von Zeltstädten hält der Notfallsanitäter angesichts fehlender sanitärer Einrichtung und der Möglichkeit, die Ausbreitung von Krankheiten einzudämmen, für problematisch. Zudem geht es aus Jünemanns Sicht darum, „an einen sicheren Ort zu gehen“. Doch den gebe es derzeit im Gazastreifen nicht.

Israels Regierungschef Netanjahu hatte der israelischen Armee in der vergangenen Woche den Befehl erteilt, einen Großangriff auf Rafah vorzubereiten. Nach Angaben von Augenzeugen griff Israel bereits mehrfach die Stadt aus der Luft an. Dabei wurden Dutzende Menschen getötet, viele weitere verletzt.

Israels Vernichtungskrieg in Gaza

Israel hatte nach dem 7. Oktober die Versorgung des Gazastreifens mit Wasser, Lebensmitteln, Treibstoff und Strom gestoppt und zugleich massive Luftangriffe gestartet. Anschließend drangen Bodentruppen in den dicht besiedelten Küstenstreifen ein. Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel seitdem behindert. Fast zwei Millionen Menschen wurden gezwungen, in den Süden zu flüchten. Nun sollen sie laut Israel auch den Süden räumen, obwohl das Gebiet an der Grenze zu Ägypten liegt.

Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober mehr als 28.570 Menschen getötet und Zehntausende verletzt. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können. Ein Großteil der Getöteten besteht aus Kindern und Frauen

TRT Deutsch und Agenturen