Ukraine-Sondertribunal? EU-Kommission hat rechtliche Vorbehalte / Photo: DPA (dpa)
Folgen

Die EU-Kommission hat zurückhaltend auf den Vorstoß von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) für ein neuartiges Sondertribunal für die Ukraine reagiert. EU-Justizkommissar Didier Reynders sagte am Dienstag in Straßburg, es seien „komplexe rechtliche und politische Fragen“ zu klären. Darüber gebe es Diskussionsbedarf mit den EU-Ländern und internationalen Partnern. Vor allem müsse der „internationale Charakter“ eines solchen Sondergerichts sichergestellt sein, betonte Reynders. Baerbock hatte am Montag in Den Haag ein „Sondertribunal für das Aggressionsverbrechen gegen die Ukraine“ angeregt. Ansonsten könne der russische Angriffskrieg trotz des Gewaltverbots im Völkerrecht nicht geahndet werden, argumentiert die Grünen-Politikerin.

EU erwägt Einrichtung einer internationalen Strafverfolgungsbehörde

EU-Kommissar Reynders machte bei seiner Rede im Europaparlament einige Vorbehalte geltend: Ein solches Tribunal müsse „einen hinreichend internationalen Charakter haben, um die Immunität (der Verantwortlichen) rechtmäßig aufheben zu können und im Namen der internationalen Gemeinschaft zu handeln“, betonte er. Baerbock schlägt vor, für das neuartige Tribunal das ukrainische Strafrecht zu Grunde zu legen und um „internationale Elemente“ zu ergänzen. Reynders regte an, sich zunächst auf einen „Untersuchungsmechanismus“ zu einigen. Die EU-Kommission erwäge „die Einrichtung einer internationalen Strafverfolgungsbehörde, die Ermittlungen zum Verbrechen der Aggression einleiten und Beweise für mögliche künftige Gerichtsverfahren sichern und aufbewahren soll“, sagte er. Darüber liefen bereits Gespräche mit Kiew, der EU-Justizagentur Eurojust und dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. Das Haager Tribunal ermittelt zwar zu mutmaßlich russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine. Es kann aber nicht wegen des Verbrechens der „Aggression“ gegen Moskau vorgehen, da Russland den IStGH nicht anerkennt. Reynders rief die Ukraine auf, ihrerseits das Römische Statut als Vertragsgrundlage des Haager Tribunals zu ratifizieren. „Dies wäre ein wichtiges Zeichen“, betonte der Justizkommissar.

AFP