01.03.2023, Griechenland, Tempe: Feuerwehrleute und Rettungskräfte arbeiten am Unfallort nach einem Zusammenstoß zweier Züge. / Photo: DPA (dpa)
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Bei Tagesanbruch wird das Ausmaß des schweren Zugunglücks erst deutlich: Die Unfallstelle gleicht einem Trümmerfeld, die vorderen Waggons beider Züge wurden durch den Aufprall geradezu zusammengefaltet und brannten aus, wie Drohnenaufnahmen im griechischen Staatsfernsehen zeigten.

Mindestens 36 Menschen kamen am späten Dienstagabend beim Frontalzusammenstoß eines Personen- und eines Güterzugs in Mittelgriechenland ums Leben, mehrere wurden Dutzende Meter von den Schienen entfernt gefunden. Mindestens 66 Passagiere wurden teils schwer verletzt in umliegende Krankenhäuser gebracht. Die griechische Regierung ordnete eine dreitägige Staatstrauer an.

Die Zahl der Todesopfer könnte noch steigen. Am Mittwochmorgen liefen die Bergungsarbeiten mit Kränen und schwerem Gerät und auch mit Spürhunden weiter. Dem Staatssender ERT zufolge wurden in den Trümmern noch viele weitere Tote befürchtet. Die Identifizierung der Opfer sei wegen des Ausmaßes der Zerstörung und des Brandes zum Großteil nur mittels DNA-Analyse möglich, hieß es.

Es handele es sich um das schlimmste Zugunglück in der Geschichte des Landes, teilte die Gewerkschaft der Eisenbahner mit. Bei Rettungskräften und Reportern vor Ort, aber auch im ganzen Land herrscht Fassungslosigkeit. Wie ist es möglich, dass der Intercity von Athen nach Thessaloniki mit rund 350 Passagieren an Bord auf demselben Schienenstrang wie der entgegenkommende Güterzug unterwegs war, obwohl die Strecke zweispurig ausgebaut ist?

Menschliches Versagen mutmaßliche Unfallursache

Erste Mutmaßungen zur Unfallursache weisen auf menschliches Versagen hin. Medienberichten zufolge funktionierte das elektronische Leitsystem auf der Strecke nicht. Deshalb seien die jeweiligen Bahnhofsvorsteher für die korrekte Weiterleitung der Züge verantwortlich gewesen. Der Personenzug könnte demnach schon vom Bahnhof der Stadt Larisa aus auf die falsche Spur geschickt worden sein, auf der ihm dann später der Güterzug entgegenkam. Mangels Leitsystem war zunächst auch der genaue Unfallort nicht auszumachen, berichtete der Sender ERT - die Rettungskräfte hätten die Stelle erst suchen müssen.

Der für den Abschnitt zuständige Eisenbahner sei bereits festgenommen worden, hieß es weiter. Andere Mitarbeiter und Techniker würden befragt. Die Verkehrsbehörde der nahe gelegenen Stadt Larisa hat mit Ermittlungen zur Unfallursache begonnen. Viele anknüpfende Bahnstrecken wurden für den Zugverkehr vorerst gesperrt.

Am Zielbahnhof in der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki versammelten sich schon nachts verzweifelte Angehörige, Telefon-Hotlines wurden eingerichtet. Rund 200 Passagiere, die nicht oder nur leicht verletzt wurden, wurden vom Unglücksort mit Bussen ins 150 Kilometer weit entfernte Thessaloniki gebracht. Manche Angehörige aber warteten dort vergebens. Bei vielen der Passagiere soll es sich um junge Leute gehandelt haben, Studierende, die nach einem verlängerten Wochenende wegen eines Feiertags nun auf dem Weg zur Universität von Thessaloniki waren.

„Ich dachte, ich würde sterben“, sagte ein Passagier der Tageszeitung „Kathimerini“. Der junge Mann saß nach eigenen Angaben in einem der hinteren Waggons. Er habe am Boden Schutz gesucht, Menschen hätten geschrien und geweint. Andere Passagiere berichteten, sie hätten die Fenster eingedrückt und sich im Dunkeln aus dem halb umgekippten Waggon retten können.

Çavuşoğlu telefoniert mit Dendias nach Unglück

Viele Staaten bekundeten ihr Beileid. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu telefonierte mit seinem griechischen Amtskollegen Nikos Dendias. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb auf Twitter, ganz Europa trauere mit Griechenland.

Trotz der Modernisierung mit neuen Brücken und Tunneln und zwei Gleisen entlang der gesamten rund 500 Kilometer langen Strecke Athen-Thessaloniki gab es schon länger erhebliche Probleme bei der elektrischen Koordination der Verkehrskontrolle, hieß es im Staatsfernsehen. „Wir fahren wie in alten Zeiten von einem Streckenteil zum anderen per Funk. Die Stationsleiter geben uns grünes Licht“, sagte Kostas Genidounias, Präsident der Gewerkschaft der Lokführer im staatlichen Rundfunk. Warum das moderne Leitsystem nicht funktioniert, konnte er nicht sagen. Die griechischen Bahnen (Hellenic Train) werden von der italienischen Staatsbahn Ferrovie dello Stato Italiane (FS) betrieben.

dpa