03.03.2021, Berlin: Das AfD Logo am Eingang zum Fraktionssaal der AfD im Deutschen Bundestag. Die AfD ist vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft worden. (dpa)
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Sprecher aller Unterdrückten, Ausgegrenzten, Arbeitslosen? Natürlich, aber nur, wenn man die weiße Hautfarbe besitzt und eindeutig deutscher Abstammung ist. Heutzutage propagiert die AfD Rassismus 2.0 ganz ungeniert. Noch erschreckender: ein festzustellender Rechtsruck im Volksparteienmilieu, um auf AfD-Stimmenfang zu gehen, Stichworte: Migration, Integration.

Pikanterweise kam die deutsche Version einer politischen Bewegung, die bürgerfreundlich aussieht, aber in Wahrheit autoritäres Gedankengut pflegt, nicht aus eigener Kraft in die Schlagzeilen. Die Alternative für Deutschland (AfD) wurde von altbekannten Medienhäusern zumeist unbewusst hofiert, die ihren Vertretern die benötigte werbewirksame Plattform gaben. Selbst wenn es kritische Fragen gibt: Was könnte für Wählerstimmenfänger passender sein, als in Talkshows zur besten Sendezeit aufzutreten? Und sollte man nicht ausreden können, stellt man sich am Tag danach vor eine andere Kamera und macht einen auf beleidigt.

2013 gegründet, vertuschte die AfD anfangs ihre rechtsextreme Ideologie noch diskret unter der EU-Skeptiker-Flagge; die Partei erklärte, man sei gegen den Euro und hoffte, von einer wachsenden Europamüdigkeit zu profitieren. Die AfD schaffte es zwar nicht auf Anhieb, später aber dann doch: Sie konnte in allen Länderparlamenten Mandate erhaschen und wurde bei der letzten Bundestagswahl 2017 sogar die größte Oppositionspartei.

Ohne jegliche Negativkommentierung in Richtung auf bestimmte Bundesländer muss man dennoch die politischen Karten deutlich auf den Berichterstatter-Tisch legen: Dies geschieht nicht, um Bürger in Schubladen zu stecken, sondern um zu verstehen, warum sie wählen wie sie wählen; Bürger, die die AfD wählen, muss man ernst nehmen, nicht ausgrenzen, zuhören, aber nicht unbedingt hofieren.

Die Kellnerin sagt nein

Ulrich Gutmair ist Kulturredakteur bei taz.de, einer Zeitung, die sinnbildlich gesprochen in der Regel kein Blatt vor den Mund nimmt. In seiner Analyse vom 5. Juni dieses Jahres („Wer ist hier giftig?“) blickt er auf das letzte Jahr der ehemaligen DDR zurück. Er beruft sich dabei u. a. auf Martin Gross, der bezüglich eines Vorfalls am 11. Januar 1990 in seinen „Aufzeichnungen aus einem ungültigen Land“ schrieb: „Das Opernrestaurant: Als ich ankam, standen zwei ratlose Afrikaner und eine resolute Kellnerin im Foyer. (…) Die Kellnerin erklärte allerdings, dass für die nächsten Stunden alles besetzt war. Kaum waren die beiden Afrikaner außer Sicht, da kam auch schon die Kellnerin zurück, bat mich, ihr zu folgen. (…) So geht das also.“

Einzelfall? Eher nicht. Denn Gutmair zitiert sodann Marco Wanderwitz (CDU), den Ostbeauftragten der Bundesregierung, der auf die Frage, warum 31 Jahre später so viele Wähler in der ehemaligen DDR mit rechtsextremem Gedankengut spielen: „Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind.“

Wir müssen in diesem Zusammenhang ebenso notieren, dass als Paradebeispiel im Jahre 2016 Rechtsextreme, Populisten, Nazis und sogenannte besorgte Bürger rund 25 Prozent der Landtagswahl-Stimmen im Land Mecklenburg-Vorpommern unter sich vereinen konnten.

Die Wählerschaft sollte auch nein sagen

Wahlrecht.de präsentierte kürzlich eine Zusammenfassung aller bekannten Meinungsforschungsinstitute. Ergebnis: Die AfD würde zwischen 10.5 und 12 Prozent erzielen. Je nach politischer Couleur des Institutes kommt entweder die SPD, oder die CDU/CSU als Gewinner über die Ziellinie. Sechs von acht Unternehmen sehen jedoch die SPD vorn; Grüne, Linke und FDP runden das Bild ab.

Wie man es also dreht und wendet: Die AfD wird wahrscheinlich bestenfalls ihr Ergebnis vom Jahre 2017 halten können (12.6 Prozent).

Können die Wähler sich also beruhigt zurücklehnen, nach dem Motto „Die AfD ist halt da“? Das wäre ein gigantischer Trugschluss, denn die Tatsache, dass genau diese AfD einfach da ist, muss Demokraten mit Sorge erfüllen. Aber warum genau?

Volksparteien auf gefährlichem Rechtsruckkurs

Der eigentliche Grund zur Besorgnis ist nicht die Tatsache, dass es die AfD gibt, diese könnte eines Tages eine Randerscheinung der politischen Geschichte werden, vor allem wenn alle demokratisch orientierten Volksparteien sowie die immer stärker werdenden Grünen sich auf ihre wahren Werte zurückbesinnen.

Doch genau davon sind wir im September 2021 weit entfernt. Nicht, dass die Mainstream-Parteien mit einer AfD-Zusammenarbeit liebäugeln – sie machen etwas möglicherweise noch Gefährlicheres: Sie wechseln ihren eigenen Kurs, um in das Wählerpotenzial der AfD einzutauchen.

Ein Beispiel: Oliver Stock (WirtschaftsKurier in Zusammenarbeit mit focus.de; Söder und Habeck: Dieses Dreamteam hätte Deutschland wirklich aufgemischt) zitierte vor wenigen Tagen, am 27. August, Markus Söder, den Ministerpräsidenten aus Bayern. Söder sagte bereits vor einiger Zeit: „Klar ist auch, dass wir CSU und nicht MSU heißen; das christliche Menschenbild steht im Vordergrund. Die CSU sollte nicht den Eindruck erwecken, als wäre sie die Sammlungsbewegung für Muslime.“

Wenn das keine Form der Ausgrenzung darstellt?! Einen bestimmten Teil der Bevölkerung als „irgendwie anders“ darzustellen? Wo liegt der qualitative Unterschied zwischen AfD und CSU in diesem Kontext? Kommen demnächst separate Tische in Restaurants für Muslime und Christen?

72 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland, 31 Jahre nach dem Ende der DDR müssen die letzten verbleibenden sozialen und ökonomischen Unterschiede zwischen Ost und West endlich der Vergangenheit angehören. Dann wird es die AfD auch bald.

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