Straßen im Iran / Photo: AP (AP)
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2015 war ein wichtiges Jahr für den Iran: Teheran feierte die Unterzeichnung des Atomabkommens mit den USA, die Aufhebung der Sanktionen stand bevor und die Wirtschaft war auf Wachstumskurs. Der „schiitische Halbmond“ – vom Mittelmeer bis zum Persischen Golf – schien Wirklichkeit zu werden. Der Iran sicherte sich die Kontrolle über zentrale Positionen in der Region durch die Unterstützung der Hisbollah im Libanon, von Baschar al-Assad in Syrien, schiitischen Milizen im Irak und Huthis im Jemen. Der Oberste Führer Ali Khamenei sprach davon, dass sich der Iran dem „Zenit“ seiner Macht nähere. Es schien, als erwache das Persische Reich in neuer Gestalt zu neuem Leben.

Die ersten Rückschläge für den Iran gab es unter der US-Präsidentschaft von Donald Trump. Im Jahr 2018 kündigte Trump das Atomabkommen auf und verhängte erneut harte Sanktionen. Der iranische Rial stürzte ab, die Inflation schoss in die Höhe. Der nächste Schock kam 2020: Eine US-amerikanische Rakete traf den Konvoi von General Qassem Soleimani am Flughafen von Bagdad. Damit wurde der Architekt der iranischen Expansion im Nahen Osten getötet. Dieses Attentat zeigte, dass selbst die höchsten Vertreter des Regimes verwundbar waren. Kurz darauf folgten mysteriöse Todesfälle unter iranischen Atomwissenschaftlern – ein weiterer Riss in der einst als unantastbar geltenden Sicherheitsstruktur des Landes.

Doch die eigentliche Katastrophe brach nach dem 7. Oktober 2023 aus. Der Krieg im Nahen Osten zerstörte innerhalb weniger Monate die Strukturen des regionalen Einflusses des Iran. Nach dem Vergeltungsschlag der Hamas geriet auch die Hisbollah in den Konflikt mit Israel und erlitt verheerende Verluste. Im Dezember 2024 geschah das Undenkbare: Das langjährige Assad-Regime, Irans wichtigster Verbündeter in Syrien, wurde gestürzt.

Der Sturz von Assad in Syrien war ein verheerender Schlag für den Iran. Innerhalb einer Woche zog Teheran seine Truppen um 500 Kilometer zurück. 4500 seiner Staatsbürger wurden aus Syrien evakuiert. Der über Jahre aufgebaute Landkorridor zur israelischen Grenze verschwand. Globale und regionale Mächte wie Türkiye, die EU, Großbritannien und die Golfstaaten füllten das entstandene Machtvakuum.

Was jahrzehntelang aufgebaut wurde, brach in weniger als einer Woche zusammen. Verschiedene Generäle der iranischen Revolutionsgarden gaben an, Assad sei längst ein unzuverlässiger Verbündeter geworden. Als Israel iranische Stellungen in Syrien angriff und dabei innerhalb eines Jahres 19 Kommandeure tötete, soll Assad nichts unternommen haben, um sie zu schützen. Einige warfen ihm sogar vor, heimlich mit Israel zusammenzuarbeiten.

Doch außenpolitische Niederlagen sind nur die Spitze des Eisbergs der iranischen Probleme. Das Land befindet sich in einer schweren Energiekrise – trotz riesiger Öl- und Gasreserven. Schulen stellen auf Fernunterricht um und Fabriken werden geschlossen. Der Präsident sieht sich gezwungen, die Bürger aufzufordern, „den Thermostat um zwei Grad herunterzudrehen“.

Noch alarmierender ist die Massenabwanderung der Bevölkerung. Im Jahr 2024 erreichte die Zahl der iranischen Studenten im Ausland einen historischen Höchststand. Sie gehen nach Türkiye, Kanada, Deutschland – und kehren oft nicht zurück. Der sogenannte Braindrain untergräbt die Entwicklungsperspektiven des Landes. Zudem muss der Iran bis März 2025 etwa zwei Millionen afghanische Arbeitskräfte abschieben, was den Arbeitsmarkt weiter destabilisieren könnte.

Khamenei zeigt sich dennoch entschlossen: „Angesichts der Ereignisse in Syrien, der Verbrechen des zionistischen Regimes und der USA sowie der Unterstützung, die andere ihnen geben, dachten sie, der Widerstand sei zu Ende“, sagte Khamenei in einer Fernsehansprache. „Da irren sie sich.“ Zeitgleich wurden iranische Truppen eilig aus Damaskus evakuiert.

Trotz lauter Worte aus der iranischen Führung dürfte die Position des Iran als Führer der sogenannten Achse des Widerstands geschwächt sein. Zugleich dürfte der Anspruch, eine regionale Supermacht zu sein, zurückgeschraubt werden. Reformisten kritisieren seit langem, dass das Militär knappe Ressourcen für teure ausländische Abenteuer verschwendet. Ihrer Ansicht nach sollte sich der Staat auf die Wirtschaftskrise im Land konzentrieren. Nach den gescheiterten Militärkampagnen der iranischen Revolutionsgarden in den Nachbarländern könnten die Reformisten nun mehr an Einfluss gewinnen, wodurch das Land einen neuen Kurs einschlagen könnte.

TRT Deutsch