10.08.2020, Libanon, Beirut: Hassan Diab (r), Ministerpräsident von Libanon, spricht mit Michel Aoun, dem libanesischen Staatschef, im Präsidentenpalast östlich von Beirut. (dpa)
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Nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut und dem Rücktritt der Regierung steht der Libanon vor einer ungewissen politischen Zukunft. Ministerpräsident Hassan Diab erklärte am Montagabend offiziell das Ende seines Kabinetts. Die großen politischen Blöcke müssen sich nun auf einen Nachfolger einigen. Wegen der schweren Wirtschaftskrise, der Corona-Pandemie und den Folgen der Detonation ist der Druck groß, schnell eine Einigung zu finden. Eine zentrale Rolle wird die Iran-treue Hisbollah spielen, gegen die im Libanon nicht regiert werden kann.
Im Zentrum der Hauptstadt kam es am Abend erneut zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten. Diese versuchten, die Absperrung zum Parlament im Zentrum der Stadt zu überwinden, wie auf Bildern des libanesischen Senders LBCI zu sehen war. Dabei warfen sie auch Steine. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Menge zu vertreiben.
Viele Libanesen haben nach der Explosion mit mindestens 160 Toten und mehr als 6000 Verletzten endgültig das Vertrauen in die politische Elite verloren und verlangen tiefgreifende politische Veränderung. Auch aus dem Ausland mehreren sich die Rufe nach Reformen.

UN-Generalsekretär António Guterres mahnte politische Veränderungen an. „In dieser Zeit von Trauer und anhaltendem Frust ist die Wut des libanesischen Volkes greifbar. Ihre Stimmen müssen gehört werden“, sagte Guterres. Reformen seien nötig, um die Bedürfnisse des Volkes zu erfüllen. Er sagte den Menschen im Libanon zugleich langfristige Unterstützung zu. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) will sich am Mittwoch in Beirut ein Bild von der Lage machen.

Diabs Kabinett bleibt zunächst geschäftsführend im Amt. Viele Libanesen machen die Regierung für die verheerenden Explosion am vergangenen Dienstag verantwortlich. Diab führte sie hingegen auf „chronische Korruption“ im Libanon zurück. Die Detonation soll durch große Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat ausgelöst worden sein, die dort über Jahre ohne Sicherheitsvorkehrungen lagerten. Die Ermittlungen laufen noch.
Wegen vieler unterschiedlicher Interessen haben Regierungsbildungen im Libanon in der Vergangenheit häufiger lange gedauert. Die Macht in dem kleinen Land am Mittelmeer ist nach einem Proporzsystem unter den Konfessionen aufgeteilt. Der Premier muss immer ein Sunnit sein, der Staatschef ein Christ und der Parlamentspräsident ein Schiit.

Der Ministerpräsident hatte am Wochenende zunächst angekündigt, dem Kabinett an diesem Montag eine vorgezogene Neuwahl vorzuschlagen. Damit wollte er die Lage beruhigen. Die nächste Abstimmung über das Parlament steht im Libanon eigentlich 2022 an.

dpa