07.09.2023, Bayern, München: Hubert Aiwanger, Bundesvorsitzender der Freien Wähler, verlässt im bayerischen Landtag nach einer Sondersitzung zu den Vorwürfen gegen ihn im Zusammenhang mit einem Flugblatt mit antisemitischem Inhalt den Sitzungssaal. / Photo: DPA (dpa)
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In der Flugblattaffäre des bayerischen Vizeministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler) haben CSU und Freie Wähler eine Befragung Aiwangers in einer Sondersitzung des Landtags verhindert. Einen entsprechenden Antrag auf die Befragung sowohl Aiwangers als auch von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lehnten die Regierungsfraktionen ab. Die Geschäftsordnung des Landtags sehe dies nicht vor.

Aiwanger verzichtete in der Sitzung auf das Recht, selbst das Wort zu ergreifen. Er hatte sich dies im Vorfeld offen gelassen. Auch Söder verfolgte die Debatte lediglich als Zuhörer. Ein Antrag auf Aiwangers Abwahl scheiterte an der Regierungsmehrheit.

Aiwanger hatte als 16 Jahre alter Schüler der Oberstufe ein antisemitisches Flugblatt im Schulranzen und wurde dafür von seiner Schule sanktioniert. Das Flugblatt stammt nach dessen eigener Aussage von Aiwangers Bruder. Söder verzichtete trotz bundesweiter Kritik auf eine Entlassung seines Stellvertreters und Wirtschaftsministers.

Opposition sieht noch viele offene Fragen in der Causa Aiwanger

Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann stellte nach dem gescheiterten Antrag auf eine Befragung Aiwangers zahlreiche Fragen offen an diesen. „Was verstehen Sie unter Reue und Demut?“ oder „Wie wollen Sie das Vertrauen der jüdischen Gemeinden wieder zurückgewinnen?“, fragte Hartmann. Söder fragte er, ob er sich mit dem Festhalten an Aiwanger wohlfühle. Es seien in der Sache viele Fragen offen, dies sei einer bayerischen Regierung „unwürdig“, kritisierte der Vorsitzende der stärksten Oppositionsfraktion.

SPD-Fraktionschef Florian von Brunn nannte Aiwangers Verhalten in der Affäre ebenfalls unwürdig. Von Brunn verwies dabei auch auf einen umstrittenen Auftritt Aiwangers bei einer Demonstration gegen das Heizungsgesetz der Bundesregierung in Erding. Aiwanger habe dort klare Kennzeichen für Rechtspopulismus gezeigt. „Damit bereiten Sie den Gefährdern der Demokratie den Boden.“

FDP-Fraktionschef Martin Hagen sagte, er halte Aiwanger nicht für einen Antisemiten. Hagen kritisierte aber, dass der Freie-Wähler-Chef sich als Opfer einer Medienkampagne inszeniert habe. Vertreter der AfD kritisierten, dass wegen der Flugblattaffäre im bayerischen Landtagswahlkampf nicht über politische Versäumnisse der Landesregierung gesprochen werde. Bayern wählt am 8. Oktober einen neuen Landtag.

„Offen, mutig und direkt heraus sein muss man nicht nur im Bierzelt“

Auch der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landtagsfraktion, Tobias Reiß, kritisierte das Flugblatt und Aiwangers Umgang damit. „Offen, mutig und direkt heraus sein muss man nicht nur im Bierzelt“, sagte Reiß. Die CSU und insbesondere auch Söder seien aber „die Brandmauer gegen Antisemitismus und gegen rechts“. „Diese Brandmauer hat auch keinen Riss.“

Florian Streibl, Fraktionschef der Freien Wähler, sagte, seine Fraktion distanziere sich „maximalst“ vom Inhalt des Flugblatts. In der Diskussion müsse es aber allein um die Frage gehen, ob Aiwanger ein Antisemit sei. „Die Antwort auf diese Frage lautet eindeutig: Nein, das ist er nicht.“

Der Landtag in Bayern hatte eigentlich bereits seine Arbeit beendet, die nächste Sitzung sollte die konstituierende Sitzung nach der Landtagswahl sein. Ein Viertel der Abgeordneten kam auf Antrag der Opposition in einem sogenannten Zwischenausschuss zusammen. Es war erst das sechste Mal seit Bestehen der Bundesrepublik, dass solch ein Zwischenausschuss tagte.

AFP