Istanbul, Türkiye - 19. Oktober 2024: Bundeskanzler Scholz und der türkische Präsident Erdoğan bei einer gemeinsamen Pressekonferenz / Photo: DPA / Photo: AA (AA)
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Bundeskanzler Olaf Scholz ist zu einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Istanbul eingetroffen. Migration, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Türkiye - diese Themen standen im Mittelpunkt der Gespräche.

Kurswechsel bei den Rüstungsexporten

Bei der Pressekonferenz am Nachmittag hob Scholz die Eurofighter-Verhandlungen hervor. Es gebe positive Signale für den Abschluss eines Deals, der die türkische Luftwaffe stärken könnte, sagte er.

Derzeit verhandeln Türkiye und Großbritannien über die Lieferung von Eurofighter-Kampfjets. Die Eurofighter Typhoon-Jets werden gemeinsam von Großbritannien, Deutschland, Italien und Spanien produziert. Deutschland ist an der Produktion beteiligt und müsste seine Zustimmung erteilen. Beim EU-Gipfel in Brüssel hatte sich Scholz bereits damit einverstanden gezeigt, dass verhandelt wird.

Beim Thema Rüstungsexporte zeichnet sich ein Kurswechsel Deutschlands ab. 2016 verhängte die Bundesregierung unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen teilweisen Rüstungsexportstopp. Seitdem wurden nur noch sehr sporadisch Genehmigungen erteilt. Ende September wurde aber bekannt, dass der Bundessicherheitsrat drei deutschen Rüstungsunternehmen die Lieferung von mehr als hundert Lenkflugkörpern, 28 Torpedos und weiteren Rüstungsgütern für die türkische Marine genehmigt hat.

Wie hilfreich sind Erdoğans Kontakte zu Putin?

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz betonten Scholz und Erdoğan die Notwendigkeit eines Friedens in der Ukraine. Scholz lobte Türkiye als wichtigen Partner in der Ukraine-Frage und unterstrich die Notwendigkeit eines baldigen Waffenstillstands. Insbesondere die Rolle von Türkiye als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine wurde gewürdigt.

Scholz wirbt seit einigen Wochen verstärkt für eine weitere Ukraine-Friedenskonferenz, an der dann auch Russland teilnehmen soll. Erdoğan könnte da hilfreich sein. Er führt regelmäßig Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und war auch in der Vergangenheit Ausrichter indirekter Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland. So hatte Türkiye auch beim nun aufgegebenen Korridor zur Ausfuhr ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer vermittelt.

Konfliktthema Nahost: Türkiye wirft Deutschland Doppelmoral vor

Erdoğan übte bei der Pressekonferenz auch scharfe Kritik an Israels Eskalationspolitik im Nahen Osten. Er warf Regierungschef Netanjahu erneut vor, den Konflikt gezielt auszuweiten, und sprach von einem „Völkermord“ in Gaza. Der türkische Präsident rief zu einer sofortigen Waffenruhe auf und betonte, dass Türkiye sich weiter für den Frieden in der Region einsetzen werde.

Israels anhaltender Vernichtungskrieg gegen Gaza belastet die Beziehungen zwischen Türkiye und Deutschland schwer. Erdoğan gilt als scharfer Kritiker des brutalen Krieges Israels gegen die Palästinenser und der jüngsten Invasion Israels im Libanon. Er verglich den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu mit Adolf Hitler und warf Deutschland zuletzt Doppelmoral vor. Die Forderung nach einer Feuerpause und die gleichzeitige Lieferung von deutschen Waffen an Israel seien nicht miteinander vereinbar, prangerte der türkische Staatschef an. Deutschland gehört trotz internationaler Kritik zu den größten Waffenlieferanten Tel Avivs. Scholz hatte zuletzt angekündigt, Israel weiter Waffen bereitstellen zu wollen.

Das heikle Thema Migration

Kanzler Scholz und Präsident Erdoğan einigten sich zudem darauf, die Migrationspolitik zu verbessern, insbesondere im Hinblick auf die Rückführung von Migranten ohne Bleiberecht aus Deutschland​.

Scholz hatte zuvor schon gesagt, sein Besuch in Istanbul werde Gelegenheit bieten, bilaterale Fragen und die Zusammenarbeit zwischen der EU und Türkiye zu erörtern, insbesondere beim heiklen Thema Migration.

„Ich habe dies immer unterstützt und die Europäische Union wiederholt gebeten, die entsprechenden Abkommen zu verlängern“, sagte er und bezog sich dabei auf das Migrationsabkommen zwischen der EU und Türkiye aus dem Jahr 2016, mit dem die irregulären Flüchtlingsströme nach Europa über die Ägäis effektiv gestoppt wurden.

Ankara kritisierte seine europäischen Partner jedoch immer wieder für die Nichteinhaltung ihrer Verpflichtungen. Als Teil des Abkommens hatte die EU versprochen, den EU-Beitrittsprozess von Türkiye zu beschleunigen, Verhandlungen über die Modernisierung des Handelsabkommens der Zollunion aufzunehmen und türkischen Staatsangehörigen visafreies Reisen innerhalb des Schengen-Raums zu ermöglichen.

TRT Deutsch und Agenturen