Im Streit um Äußerungen eines polnischen Staatssekretärs über angeblich mangelnde ukrainische Dankbarkeit haben beide Länder gegenseitig ihre Botschafter einbestellt. Am Abend schlug der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj jedoch wieder versöhnlichere Töne gegenüber dem wichtigen Nachbarland an. Warschau gilt seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vor mehr als 17 Monaten als einer der wichtigsten Unterstützer und engsten Partner Kiews.
Ukraine und Polen bestellen gegenseitig Botschafter ein
Der außenpolitische Berater von Polens Präsidenten Andrzej Duda, Marcin Przydacz, hatte am Montag im Fernsehen Importbeschränkungen für ukrainische Agrarprodukte verteidigt - und in diesem Zusammenhang mehr Dankbarkeit von Kiew gefordert. „Die Ukraine sollte damit beginnen, das zu schätzen, was Polen für sie getan hat“, sagte er. Daraufhin wurde am Dienstag in Kiew der polnische Botschafter einbestellt. Ihm wurde übermittelt, die Äußerungen von Przydacz seien „inakzeptabel“.
Warschau reagierte daraufhin verärgert: „In der internationalen Politik darf es unter Kriegsbedingungen und unter Berücksichtigung der riesigen Unterstützung Polens für die Ukraine nicht zu solchen Fehlern kommen“, schrieb der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki beim Kurznachrichtendienst Twitter am Dienstag. Polen bestellte seinerseits den ukrainischen Botschafter in Warschau ein.
Selenskyj schlägt in Videoansprache wieder versöhnlichere Töne
Später am Dienstagabend schlug dann der ukrainische Präsident Selenskyj wieder versöhnlichere Töne an: „Wir werden nicht zulassen, dass irgendwelche politischen Momentaufnahmen die Beziehungen zwischen dem ukrainischen und dem polnischen Volk zerstören“, schrieb er auf Twitter. Und: „Die Emotionen sollten auf jeden Fall abkühlen.“ Freiheit und Wohlergehen beider Länder sowie das Zusammenhalten gegen Russlands Krieg stünden an erster Stelle.
In seiner abendlichen Videoansprache dankte Selenskyj zudem den ukrainischen Soldaten, die derzeit im Osten und Süden des Landes für die Befreiung besetzter Gebiete kämpfen. „Das sind Kämpfer, deren Mut und Tapferkeit besonders sind“, sagte er.
Warschau gehört zu Kiews engsten Verbündeten
Warschau gehört zu Kiews engsten Verbündeten im Kampf gegen die russische Invasion. Doch seit Polen sich gegen die Einfuhr ukrainischen Getreides auflehnt, wachsen die Spannungen zwischen den beiden Nachbarländern.
Die EU hatte nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Zölle auf ukrainische Exporte gestrichen. Landwirte in den Nachbarländern protestierten jedoch gegen den durch das ukrainische Getreide verursachten Preisverfall und einige Länder verhängten daraufhin Importstopps.
Im Juni erlaubte Brüssel Polen, Bulgarien, Ungarn, der Slowakei und Rumänien Einfuhrbeschränkungen für ukrainisches Getreide einzuführen. Diese laufen im September aus. Vergangenen Monat drängte Polen die EU, die Vereinbarung zu verlängern, andernfalls werde Warschau dies eigenständig tun.
Brüssel will Lösung im Getreidestreit finden
Die EU-Kommission hat sich besorgt über den diplomatischen Streit zwischen Polen und der Ukraine geäußert. Ein Sprecher sagte am Mittwoch, die Kommission stehe mit beiden Seiten in Kontakt, um eine Lösung zu finden. Er betonte zudem, dass die EU weiterhin solidarisch mit der Ukraine sei und deren territoriale Integrität unterstütze.
Auch die EU ist einer der wichtigsten Unterstützer und Handelspartner der Ukraine und hat mit dem Land ein Assoziierungsabkommen geschlossen. Dieses sieht eine engere politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Brüssel und Kiew vor.