23.03.2022 - Deutschland, Berlin: Der stellvertretende türkische Außenminister und Direktor für EU-Angelegenheiten, Faruk Kaymakcı, beantwortet die Fragen von Journalisten in der türkischen Botschaft in Berlin. (AA)
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Der stellvertretende türkische Außenminister und Direktor für EU-Angelegenheiten, Faruk Kaymakcı, hat sich im Rahmen seiner mehrtägigen Europa-Reise in der türkischen Botschaft in Berlin über die bilateralen Beziehungen mit der Europäischen Union geäußert. Kaymakcı erklärte am Montag gegenüber Journalisten, dass Russlands „ungerechtfertigter“ Krieg gegen die Ukraine auch zu einer „gewissen Dynamik“ in den Beziehungen zwischen der Türkei und der EU geführt habe.

Die Türkei setzte ihre Bemühungen fort, das Blutvergießen und die Gewalt in der Ukraine zu stoppen, unterstrich Kaymakcı und fügte hinzu, dass Anstrengungen unternommen werden, um einen Waffenstillstand und humanitäre Korridore zu eröffnen. Der Krieg und die diplomatischen Bemühungen hätten dabei einmal mehr verdeutlicht, dass die Bedeutung der Türkei für die Sicherheit und Verteidigung Europas unverzichtbar sei.

Kaymakcı stellte außerdem fest, dass das aktuelle europäische Sicherheits- und Verteidigungssystem sowie die Unfähigkeit der NATO, einen solchen Angriff abzuschrecken, viele Fragen aufwerfe. Diese Probleme seien nur durch Kooperation und durch die Partnerschaft mit Ländern wie der Türkei zu bewältigen: „Eine stärkere NATO und der Europäische Sicherheits- und Verteidigungsmechanismus können insbesondere durch die Anwesenheit von Ländern wie der Türkei, einer der größten Wirtschaftsmächte Europas und der zweitgrößten Militärmacht der NATO, ermöglicht werden.“

Ankara will Teil der PESCO sein

Im Rahmen seines Besuch habe sich Kaymakcı auch mit dem stellvertretenden Generalsekretär für Sicherheits- und Verteidigungsfragen beim Auswärtigen Dienst der EU in Brüssel über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) ausgetauscht. Dabei habe er eine positive Autmosphäre in den Gesprächen festgestellt. „Ich habe gesehen, dass die Teilnahme der Türkei an PESCO willkommener ist. Wir hoffen, dass die Türkei keine Kriege braucht, um die Beziehungen zwischen der EU zu verbessern und die Zusammenarbeit zu verstärken“, so der türkische Direktor für EU-Angelegenheiten.

Der Besuch in Deutschland und in der EU habe bei Kaymakcı den Eindruck erweckt, dass sich das Potenzial der Türkei für eine schnellere Einbindung in Sicherheits- und Verteidigungsfragen nach den aktuellen Ereignissen weiterentwickelt habe. „Das Sicherheitsabkommen zwischen der NATO und der EU ist von großer Bedeutung. Die NATO aktualisiert ihr Strategisches Konzept und ein strategischer Kompass mit der EU wurde gebilligt. Daher sollte die Türkei ihren Platz als NATO-Land sowohl innerhalb der NATO als auch innerhalb des europäischen Systems schützen und in der Lage sein, zu diesem System beizutragen.“ Daher hoffe Ankara auf eine schnelle Aufnahme in das PESCO-Projekt.

„Scholz' Türkei-Besuch hat zu mehr Vertrauen und Dialog geführt“

Kaymakcı äußerte sich auch zum Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in der Türkei. Diese Reise sei äußerst wichtig gewesen für die bilateralen Beziehungen. Der Besuch habe zu mehr Vertrauen und Dialog zwischen den beiden Ländern beigetragen. Berlin sei ein wichtiger Partner und die Türkei wolle die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen weiter ausbauen.

Kaymakcı verwies darauf, dass die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag auch auf die EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei Bezug genommen habe. Zudem sei ihm während seiner Gespräche in Berlin von deutschen Politikern und Bürokraten mitgeteilt worden, dass EU-Beitrittsverhandlungen fortgeführt werden können, wenn Ankara weitere Schritte zur Erfüllung der Kopenhagener Kriterien unternehme.

Russische Energieimporte Herausforderung - Zypern-Konflikt Chance

In Bezug auf die europäischen Sanktionen gegen Russland erklärte Kaymakcı, dass Europa eine große Abhängigkeit von Russlands Erdgas- und Energie-Exporten aufweise und dementsprechend ein sensibles Thema sei. Die EU wolle bis Ende 2050 einen klimaneutralen europäischen Kontinent schaffen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine habe zusätzlich eine Besorgnis über die Energiesicherheit der EU ausgelöst. Auch hier sei die Türkei eines der Schlüsselpartner zur Lösung dieser Problematik.

Durch die Türkei verlaufe eine der vier Hauptsäulen zur Energieversorgung des europäischen Kontinents. Durch die türkischen Pipelines könnten Gas aus Zentralasien, aus dem Irak und sogar aus dem östlichen Mittelmeerraum in die EU transportiert werden. Das würde erheblich zur Energieversorgungssicherheit Europas beitragen. Auch in dieser Hinsicht zeige sich die Bedeutung der Türkei für den europäischen Kontinent, so Kaymakcı.

Kaymakcı erklärte zudem, dass eine Einigung zwischen den Griechen in Südzypern und den Türken in Nordzypern ebenfalls eine neue Relevanz aufweise. Wenn beide Gemeinschaften auf der Insel Schritte in Bezug auf die Erdgasressourcen im östlichen Mittelmeerraum unternähmen, könne dies nicht nur das Erdgasproblem Europas lindern, sondern auch zu bedeutenden Entwicklungen in den Beziehungen zwischen der Türkei und Griechenland sowie der Türkei und der EU führen.

TRT Deutsch