Staatsanwälte des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) haben Insidern zufolge Mitarbeiter der beiden größten Krankenhäuser im Gazastreifen befragt. Dies könnte der erste Beleg für eine Aufnahme von Zeugenaussagen zu mutmaßliche israelische Kriegsverbrechen sein. Wie die Nachrichtenagentur Reuters von zwei Personen erfuhr, nahmen die Staatsanwälte Aussagen von Personal von Al-Schifa in der Stadt Gaza auf sowie des Hospitals in Chan Junis auf. Einer der Insider sagte, auch Ereignisse im Umfeld der Krankenhäuser könnten in die Ermittlungen einbezogen werden. Die beiden Personen wollten namentlich nicht genannt werden. Das IStGH lehnte eine Stellungnahme ab.
Die beiden Krankenhäuser waren im Gaza-Krieg wiederholt Ziel israelischer Angriffe. Israel behauptete die Palästinenserorganisation Hamas nutze sie für militärische Zwecke. Die Klinikmitarbeiter sowie die Hamas weisen dies zurück. Israel verneint seinerseits Vorwürfe, Kriegsverbrechen begangen zu haben, insbesondere nicht in oder um die Krankenhäuser. Palästinensische Behörden fordern zudem nach der Exhumierung von Hunderten Leichen in Massengräbern am Nasser-Krankenhaus Ermittlungen. Den Insidern zufolge war unklar, ob diese Teil der Befragungen waren.
Krankenhäuser sind im Krieg durch internationale Verträge geschützt. Demnach können Angriffe auf sie als Kriegsverbrechen gewertet werden. Allerdings kann dieser Schutz erlöschen, wenn sie für militärische Zwecke genutzt werden. Israel ist zwar kein IStGH-Mitglied, jedoch wurden die Palästinenser-Gebiete 2015 aufgenommen. Das Gericht sieht sich daher für Handlungen aller Beteiligten dort zuständig - auch für die israelischer Soldaten - sowie für die Belange der Palästinenser. Israel erkennt die IStGH-Gerichtsbarkeit über seine Bürger nicht an.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte dazu am Freitag, etwaige Schritte des Gerichts würden einen „gefährlichen Präzedenzfall schaffen“. Unter seiner Führung werde Israel niemals Versuche des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag akzeptieren, sein „grundlegendes Recht auf Selbstverteidigung“ zu untergraben, schrieb er auf Telegram. Das IStGH ermittelt nach früheren Angaben gegen beide Seiten in dem seit dem 7. Oktober anhaltenden Konflikt. Damals hatte die Hamas einen Angriff auf Israel gestartet. Inzwischen sind bei Israels Angriffen im Gazastreifen mindestens 35.000 Menschen ums Leben gekommen, die meisten davon Frauen und Kinder.