Türkische Bulgaren hatten vor allem in der Endphase der kommunistischen Diktatur jahrelang unter einer drakonischen Assimilationskampagne durch das Regime unter Staats- und Parteichef Todor Schiwkow zu leiden. Vor allem die sogenannte Politik des Wiederbelebungsprozesses (Vǎzroditelen protses) zwischen 1984 und 1989 gipfelte in einer der größten ethnischen Säuberungen im Nachkriegseuropa. Viele Angehörige der verfolgten türkischen Minderheit können das Leid, das sie ertragen mussten, bis heute nicht vergessen.
Cemil Birtane und Kıymet Birtane flohen Ende 1989 aus Bulgarien in die Türkei. Zuvor hatte Cemil vier Jahre und sechs Monate im Gefängnis und im Exil verbracht, weil er sich der extremen Assimilationskampagne des Landes widersetzt hatte.
„Wir wurden ein Jahr und vier Monate lang im Belene-Gefängnis gefoltert und geschlagen. Später wurde ich mit 80 anderen Menschen in ein anderes Gefängnis geschickt. Nach einem Jahr dort wurden wir in verschiedene Dörfer in Bulgarien verbannt.“ Nach vier Jahren und sechs Monaten sei er schließlich entlassen worden, erinnert sich Cemil an diese Jahre.
„Sie schickten meine Kleidung nach Hause und sagten meiner Frau, ich sei tot. Ihr wurde gesagt, sie solle nicht mehr nach mir suchen.“ Er sei nach diesen vier Jahren und sechs Monaten jedoch freigelassen worden. Danach habe man ihn aus Bulgarien deportiert.
Türken behielten ihre „verbotenen“ Namen
Cemil erzählt stolz, dass sich die Türken im Lager trotz des Drucks der Behörden weiterhin gemeinsam gegen die Assimilierung gewehrt haben und zusammen mit ihren Mitgefangenen in den Hungerstreik getreten sind. Er fügte hinzu, dass sie auch die bulgarischen Namen, die ihnen zwangsweise gegeben wurden, von ihren Betten entfernten und ihre türkischen Namen behielten. Das Verwenden von türkischen bzw. muslimischen Namen war den türkischen Bulgaren zu dieser Zeit untersagt.
Die bulgarischen Behörden hätten Cemil und seine Familie nach Österreich oder Schweden schicken wollen, er habe sich jedoch geweigert, zu gehen. Stattdessen habe er Zuflucht in der türkischen Botschaft in Belgrad im damaligen Jugoslawien gesucht.
Die Familie habe anschließend eine Woche in einem Flüchtlingslager verbracht, von dort habe die türkische Botschaft ihre Reise in die Türkei organisiert. „Ich bin sehr froh, dass wir in die Türkei gekommen sind. Wir sind sehr glücklich, dass wir von Verfolgung und Unterdrückung befreit sind.“
„Wir haben nicht aufgegeben, Türken zu sein, egal, was sie sagten“
Ein anderer vertriebene Türke, Şükrü Korkmaz, war ebenfalls Opfer der Pogrome und Gewalt gegen die türkische Minderheit. Der vor 32 Jahren in der Türkei angekommene Şükrü lebt heute in der nordwestlichen Provinz Edirne, direkt an der Grenze zu Bulgarien. Şükrü kann seine Tränen nicht zurückhalten, während er seine Geschichte der Vertreibung erzählt.
Jeder Türke in Bulgarien, der sich weigerte, seine türkische Identität aufzugeben, sei gezwungen worden, seine Heimat zu verlassen. Zudem seien sie physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen, erzählt Şükrü.
Das sei die schwierigste Zeit in seinem und dem Leben seiner Familie in Bulgarien gewesen. Insbesondere das Belene-Lager und was er dort durchgemacht habe, könne er nicht vergessen.
„Wir haben nicht aufgegeben, Türken zu sein, egal, was sie sagten“, erzählt auch Şükrü von seinem Widerstand. „Sie sagten mir: ‚Du bist blond. Du sprichst sehr gut Bulgarisch. Du bist Bulgare. Die Osmanen haben dich gezwungen, ein Türke zu sein.‘“ Er und hunderte andere Türken hätten die Propaganda jedoch zurückgewiesen, sagt Şükrü.
Isolation und Misshandlung an der Tagesordnung
„Sie schickten uns in das Lager Belene. Dort blieb ich eineinhalb Jahre.“ Sie seien monatelang eingesperrt gewesen, ohne zu wissen, wo. Während dieser Zeit seien sie nicht einmal unter freien Himmel gekommen.
Die Lagerzustände seien grausam gewesen. „Wir konnten monatelang unsere Kleidung nicht wechseln. Irgendwann bekamen wir Läuse, wir stanken. Wir wurden monatelang psychisch und verbal misshandelt.“ Erst nach einem halben Jahr habe er seine Familie sehen können. „Wir konnten uns nur durch das Glas sehen. Gott sei Dank haben wir das alles hinter uns gelassen“, erinnert sich Şükrü schmerzlich.