Archivbild. 15.01.2020, Hamburg: Ein Container-Stapler ist auf dem Container Terminal Tollerort (CTT) der Hamburg Hafen und Logistik AG (HHLA) unterwegs. (dpa)
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Seit dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts hat Peking zahlreiche Wirtschaftsreformen umgesetzt. Während es seinen Außenhandel für die Welt öffnete, zog es aufgrund des lokalen Kostenvorteils und der großen Zahl von qualifizierten Arbeitskräften auch bedeutende Investitionen aus westlichen Ländern an. Heute hat sich diese Situation jedoch ins Gegenteil verkehrt. China hat sein Investitionsvolumen auf 2,13 Billionen Dollar weltweit ausgebaut und davon fast 450 Milliarden Dollar in Europa investiert. Investitionen, die sich auf Wirtschaftsbereiche wie Produktion, Technologie und Finanzen konzentrieren, werden dabei auch von Unternehmenskäufen flankiert. Peking, das zwischen 2008 und 2018 Unternehmen im Wert von insgesamt 250 Milliarden Dollar in der EU, Großbritannien und der Schweiz erwarb, weitet so seinen Außenhandel über den gesamten Kontinent aus. Dabei erleichtert es das mit der Region bestehende Handelsvolumen über 800 Milliarden US-Dollar China, die Beziehungen zum Kontinent zu festigen und seinen Einflussbereich auszuweiten. Peking, das auch in den Anrainerstaaten Deutschlands, dem größten Exporteur des Kontinents, aktiv ist, stärkt trotz wachsender Hindernisse seine lokalen Handelsbeziehungen durch Zukäufe unterschiedlichster Unternehmen. Vor allem die Niederlande, Belgien, die Schweiz und Polen sind Akteure, auf die Peking Wert legt und zu denen es seine Beziehungen stärkt. Durch den Ausbau der Handelsbeziehungen mit den Ländern im deutschen Einflussbereich sorgt China ebenso für einen Technologietransfer und erhöht somit seine Wettbewerbsfähigkeit. Damit wird Peking zu einem entscheidenden Faktor für die nationale Sicherheit des Kontinents und erweitert trotzdem stetig seinen Einflussbereich.

Außenhandel, Investitionen und innovative Technologieunternehmen

Der Gesamtwert der von Peking aufgekauften Unternehmen in den Niederlanden beträgt 11,43 Milliarden US-Dollar, während er in Belgien 3,36 Milliarden US-Dollar beträgt. Die größten Akquisitionen fanden in Großbritannien (70 Milliarden US-Dollar) und der Schweiz (65 Milliarden US-Dollar) statt. Diese Akquisitionen mit Fokus auf Häfen, Hightech-Unternehmen und Finanzinstitutionen verunsichern globale Akteure wie Deutschland und Frankreich. Staaten, die in der Region eine eher protektionistische Politik verfolgen, erschweren Aufkaufversuche chinesischer Unternehmen und machen diese von der Zustimmung der Regierungen abhängig. Andere Länder, die eher bereit sind, mit Peking zusammenzuarbeiten, etwa Italien, Griechenland oder Polen, erfahren von den Institutionen der Europäischen Union hinsichtlich ihrer Beziehungen nach Ostasien keine Unterstützung. China, das zwischen 2008 und 2018 mehr als 400 mittelständische und große europäische Unternehmen aufkaufte, macht sich im Einflussbereich von Ländern wie Deutschland und Frankreich breit und stärkt bilaterale Beziehungen auf der Grundlage des Handels. So stärkt Peking, inzwischen größter Akteur im Welthandel, dank seines Kosten- und Technologievorteils den Außenhandel mit Europa zu seinen Gunsten. Das 45 Milliarden Dollar Außenhandelsdefizit der Niederlande und Belgiens mit China ist ein wichtiger Indikator dafür.

Chinas Investitionen in den Niederlanden haben 20,4 Milliarden Dollar erreicht. Investitionen, die sich auf die Bereiche Technologie (6,69 Milliarden Dollar), Landwirtschaft (4,02 Milliarden Dollar) und Finanzen (1,77 Milliarden Dollar) konzentrieren, werden von großen Unternehmenskäufen flankiert. Dabei erscheinen Pekings Investitionen in Belgien im Vergleich zu anderen Ländern der Region begrenzter, wobei eine Investitionsstrategie mit Bezug zu den Niederlanden verfolgt wird. Die in das Land zwischen 2005 und 2021 investierten 4,64 Milliarden Dollar konzentrierten sich auf die Bereiche Finanzen (3,48 Milliarden Dollar), Immobilien (460 Millionen Dollar) und Technologie (220 Millionen Dollar). Zu den chinesischen Unternehmen, die in Europa am meisten investieren, gehören China National Chemical, China Investment Corp, Tencent, Silk Road Fund und Avic Capital Corp.

Warum Peking im Hinterland Berlins aktiv ist

Neben dem Kauf globaler Finanzunternehmen in der Hauptstadt der EU investiert China in Sektoren, die mit dem Rotterdamer Hafen in den Niederlanden zusammenhängen. Peking, das auch über Häfen in England, Griechenland und Italien verfügt, versucht dadurch, den bilateralen Handel zu sichern. Damit gefährdet es aber auch die Fähigkeit der Region, unabhängig zu handeln. Im Vergleich zu China, das mit dem Projekt Neue Seidenstraße, der Shanghai Cooperation Organization, BRICS und der Asian Infrastructure Investment Bank eine globale Vision entwickelt hat, agiert die EU eher als betroffener Kontinent denn als globales Gegengewicht. Diese Konstellation mindert Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit und erhöht die wirtschaftliche Abhängigkeit von Asien. Während sich die Wirtschaftsmacht China, das zum Land mit dem größten Außenhandel in der Welt aufgestiegen ist, globalisiert, werden immer mehr Unternehmen in der EU mit ihrer technologischen Kapazität und ihrem Know-how von Peking kontrolliert. Dabei schwächt der Ausbau der bilateralen Beziehungen zu diesen Ländern in der Region die Reaktionsfähigkeit der EU. Deutlich wurde dies beispielsweise an den unterschiedlichen Standpunkten, die bei der Uiguren-Frage hervorgetreten sind.

Während die Abhängigkeit der EU von den Produktionsstandorten in Asien eine angemessene Reaktion auf die globale Epidemie insgesamt erschwerte, konnte sich auch Deutschland als Global Player nicht in den Vordergrund spielen. Die Notwendigkeit, die dringend benötigten Produkte aus China beziehen zu müssen, offenbarte die gesamte Abhängigkeit und eingeschränkte Wettbewerbskraft der EU. Peking unterstützte Länder auf der ganzen Welt mit Spenden und Förderungen. Als viele andere Länder ihre Investitionen reduzierten, weitete China seine finanziellen Mittel hinsichtlich des Projektes Neue Seidenstraße während der Epidemie sogar aus.

Die Niederlande und Belgien sind Länder mit sehr starken politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu Deutschland. Brüssel und Amsterdam, die auch für die Zukunft der EU wichtig sind, rückten nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU dabei noch stärker in den Vordergrund. Dass Europas politische Hauptstadt so unter chinesischem Einfluss steht, sollte Deutschland zu denken geben. Angesichts der Rivalität zwischen den USA und China muss die EU als Global Player die Abhängigkeit von anderen Akteuren verringern und ihre Handlungsfähigkeit ausbauen. Dass der Kontinent, der seine Hochtechnologie mit handelsprotektionistischen Maßnahmen zu schützen versucht, unter der Führung Deutschlands im internationalen Handel und bei Investitionen wieder eine führende Rolle einnimmt, könnte ein Gegengewicht zu China schaffen. Pekings Politik macht die EU eher zu einem Beeinflussten denn zu einer Region, die ihrerseits beeinflussen möchte. Die neue China-Strategie, die kürzlich vom EU-Parlament angekündigt wurde, ist in dieser Hinsicht wichtig und wird zur künftigen Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents beitragen bzw. seine Abhängigkeit verringern. Der Start einer eigenen EU-basierten Initiative für ein Projekt Neue Seidenstraße ist dabei die wichtigste Säule der Strategie.

Letztlich können Chinas Investitionen, Akquisitionen und Kooperationen auf dem gesamten Kontinent die Sicherheit der EU gefährden, wie der von den europäischen Geheimdiensten für eine bessere Zusammenarbeit gebildete „Bern Club“ unterstreicht. Deutschland sticht diesbezüglich als Akteur hervor, da es mit seiner Handelskapazität, Wirtschaftskraft und internationalen Kooperationsmöglichkeiten auf dem Kontinent China die Stirn bieten kann.

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