05.09.2024, Jordanien, Amman: Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) und Aiman al-Safadi, Außenminister von Jordanien, geben nach ihrem Gespräch eine gemeinsame Pressekonferenz. / Foto: DPA (dpa)
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Vor Kurzem bot die Pressekonferenz der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock und ihres jordanischen Amtskollegen Ayman Safadi einen bemerkenswerten Wendepunkt in der internationalen Diplomatie und im Kontext der Soft Power. Besonders im Mittelpunkt stand der Krieg im Gazastreifen. Safadi übte scharfe Kritik an der Unterstützung Deutschlands für die israelische Regierung und präsentierte eine bedeutende Perspektive zur internationalen Wahrnehmung Deutschlands. Sein Kommentar, „Das Ansehen von Ländern wie Deutschland in der Region ist ebenfalls ein Opfer“, deutet darauf hin, dass Deutschlands Soft-Power-Strategie erheblich beschädigt wurde.

Soft Power und Deutschlands internationale Wahrnehmung

Soft Power, ein Begriff, der von Joseph Nye entwickelt wurde, beschreibt die Fähigkeit eines Landes, durch Attraktivität, kulturellen Einfluss und Werte die Denk- und Verhaltensweisen anderer Länder zu beeinflussen. Die Beliebtheit eines Landes bei anderen Nationen wird als Spiegel seiner Soft Power angesehen. Länder entwickeln verschiedene Strategien, um ein positives nationales Image zu schaffen und dieses global zu festigen. Beliebtheit und Anerkennung tragen zur Stärkung dieses Images bei und können ihnen helfen, eine effektivere Position in den internationalen Beziehungen einzunehmen. Deutschland verfolgt in diesem Zusammenhang eine Soft-Power-Strategie durch zahlreiche kulturelle, sportliche und akademische Austauschprogramme.

Stiftungen wie Konrad-Adenauer-Stiftung, Friedrich-Ebert-Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stiftung und das Goethe-Institut führen in den muslimischen Ländern des Nahen Ostens verschiedene Aktivitäten durch. Auch der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) bietet über ein weitreichendes internationales Netzwerk Bildungs- und Kulturaustauschprogramme an. Diese Initiativen zielen darauf ab, Deutschlands internationales Ansehen zu fördern und ein positives Bild zu vermitteln.

Internationale Reaktionen und Reputationsverlust

Deutschlands Unterstützung für die israelische Regierung hat insbesondere in der arabischen Welt erhebliche Kritik hervorgerufen. Safadis Äußerungen verdeutlichen, dass Deutschland in den arabischen Ländern an Ansehen verliert und wie dies die Soft-Power-Strategie negativ beeinflusst. Laut einem Artikel im IPG-Journal der Friedrich-Ebert-Stiftung ist das Vertrauen in Deutschland in arabischen Ländern stark gesunken: „Nur noch neun Prozent der Menschen haben ein positives Bild von Deutschland, der schlechteste Wert seit Jahrzehnten.“ Ähnlich äußerte sich Richard Probst von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, zuständig für den Nahen und Mittleren Osten sowie Nordafrika, in einem Interview mit dem Handelsblatt: „Es gibt einen großen Ansehensverlust Deutschlands in der arabischen Welt.“ Dies zeigt, dass die außenpolitische Strategie Deutschlands, die früher positiv bewertet wurde, nun ernsthaft in Frage gestellt wird.

Deutschlands Image als Menschenrechtsverteidiger scheint durch die Unterstützung Israels einen erheblichen Rückschlag erlitten zu haben. Berichte in der Tagesschau heben hervor, dass der ägyptische Aktivist Hossam Bahgat Deutschland der Doppelmoral bezichtigt und seinen Schock über diese Haltung zum Ausdruck gebracht hat. Bahgat stellt die Erwartungen an Deutschlands internationale Standards in Frage und verdeutlicht, wie sich diese Haltung auf Deutschland auswirkt.

Darüber hinaus wird auch kritisiert, dass Deutschland die zivilen Todesfälle in Gaza ignoriert, während es die Toten in Syrien und der Ukraine lautstark verurteilt. Diese widersprüchliche Haltung hat zu einem Vertrauensverlust Deutschlands in der arabischen Welt geführt.

Deutschlands Menschenrechtspolitik in den internationalen Beziehungen

Historisch gesehen ist Deutschland für seine Sensibilität in Fragen der Menschenrechte bekannt und strebt eine führende Rolle in diesem Bereich auf internationaler Ebene an. Das Land hat verschiedene Politiken zum Schutz der Menschenrechte und zur Beendigung von Konflikten entwickelt, die eine wichtige Rolle bei Deutschlands internationalem Image spielen. Doch der Krieg in Gaza und die Unterstützung für Israel werfen Fragen zur Konsistenz dieser Politiken auf.

Deutschlands Ansatz in Bezug auf Menschenrechte wird nicht nur von der internationalen Gemeinschaft, sondern auch innerhalb des Landes kritisch betrachtet. Die Kritik, dass Deutschland die Todesfälle in Gaza ignoriert, deutet darauf hin, dass seine Sensibilität für Menschenrechte beeinträchtigt worden sein könnte. Dies zeigt, dass eine Neubewertung der außenpolitischen Strategien Deutschlands erforderlich ist.

Andererseits verschärft der Anstieg der Waffenexporte an Israel die Situation weiter. Seit dem 7. Oktober ist der Waffenexport etwa auf das Zehnfache gestiegen, von 32 Millionen Euro auf 303 Millionen Euro. Dies wirft Fragen darüber auf, ob Deutschland indirekt zum Krieg beiträgt, und untergräbt weiter das Image des Landes in Bezug auf humanitäre Werte.

Der Anstieg der Waffenexporte stützt die Behauptungen, dass Deutschland am Krieg beteiligt ist, und führt zu umfassenden Diskussionen über die Rolle Deutschlands in der internationalen Diplomatie und Menschenrechtspolitik. Die Haltung Deutschlands zu Gaza führt sowohl international als auch im Inland zu Kontroversen.

Zukunft der Soft-Power-Politik Deutschlands

Der Krieg in Gaza markiert einen wichtigen Wendepunkt im internationalen Ansehen Deutschlands. Die Unterstützung Deutschlands für Israel wirkt sich direkt auf die Soft-Power-Strategie und die internationalen Beziehungen des Landes aus. Es wird betont, dass Deutschland, sich der langfristigen Auswirkungen auf die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen in der Region bewusst, einen sorgfältigeren und ausgewogeneren Ansatz verfolgen muss. Der Wiederaufbau des internationalen Images Deutschlands könnte durch eine Neubewertung der Soft-Power-Strategie erreicht werden.

Die Überprüfung der Haltung Deutschlands zu Menschenrechten und internationalen Normen ist entscheidend für die Wiederherstellung seines Vertrauens in der internationalen Arena. Dieser Prozess könnte tiefgreifende Veränderungen in der globalen Diplomatiestrategie Deutschlands erforderlich machen und eine neue Richtung in den internationalen Beziehungen des Landes vorgeben. Zukünftige Politiken Deutschlands in Bezug auf Menschenrechte, Frieden und Gerechtigkeit werden die internationale Rolle des Landes neu gestalten und die Effektivität der Soft-Power-Strategie bestimmen.

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