In Österreich finden derzeit Koalitionsgespräche zwischen der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) statt. Diese Situation ist für Österreich nicht neu, da die rechtsextreme Partei FPÖ bereits in der Vergangenheit Teil der Regierung war. Die FPÖ war Partner in den Regierungen von Wolfgang Schüssel (Regierung Schüssel I und Schüssel II) sowie in der ersten Regierung von Sebastian Kurz (Regierung Kurz I). Nun steht erneut eine Regierung mit der FPÖ bevor, und es ist wahrscheinlich, dass Herbert Kickl von der FPÖ das Amt des Bundeskanzlers übernehmen wird. Diese Entwicklung wird, wie schon zuvor, nicht nur in Europa, sondern weltweit aufmerksam verfolgt, da Österreich eines der ersten Länder war, in denen eine rechtsextreme Partei Teil der Regierung wurde.
Die Beteiligung der FPÖ an der Regierung ist in dieser Periode jedoch anders und von weit größerer Bedeutung als in früheren Zeiten. Einerseits dauert der Krieg zwischen Russland und der Ukraine an, und Österreich steht als EU-Mitglied gemeinsam mit der Ukraine gegen Russland. Die FPÖ hingegen ist bekannt für ihre russlandfreundliche Politik. Andererseits wird Donald Trump in USA sein Amt übernehmen, und seine Politik steht oft im Gegensatz zur Europäischen Union.
Einfluss einer rechtsextremen Regierung auf Europa
Die EU-skeptische Politik der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) bedroht nicht nur die politische Stabilität Österreichs, sondern ganz Europas. Die migrationsfeindliche Haltung der Partei, ihre Ablehnung der Unterstützung für die Ukraine und ihre russlandfreundliche Ausrichtung bergen das Risiko, das Solidaritätsprinzip der EU zu schwächen. Besonders eine mögliche Führungsrolle der FPÖ in einer Koalition könnte anderen rechtsextremen Parteien und Wählern in der EU als Inspiration dienen. Dies könnte den Aufstieg der extremen Rechten in ganz Europa beschleunigen und die Zusammenarbeit innerhalb der EU weiter beeinträchtigen.
Der Aufstieg der extremen Rechten wirft ein Dilemma auf. Einerseits könnte eine von der FPÖ geführte Regierung der Demokratie schaden und das Vertrauen der Bevölkerung in demokratische Werte weiter schwächen. Andererseits widerspricht es den Prinzipien der Demokratie, einer Partei, die als Wahlsieger hervorgeht, das Recht zur Regierungsbildung zu verwehren oder sie zu ignorieren. Das grundlegende Problem liegt jedoch darin, dass die etablierten Mitte-Parteien nicht ausreichend Lösungen für die Sorgen der Bevölkerung bieten. Dies erleichtert es der extremen Rechten, durch populistische Rhetorik die Unterstützung der Bürger zu gewinnen.
Insbesondere Politiker mit einer rechtsextremen Ideologie könnten durch die von der Demokratie gebotenen Möglichkeiten an die Macht gelangen. Einmal in der Regierung, könnten sie jedoch die Unabhängigkeit demokratischer Institutionen gefährden. Die europäischen Länder müssen politische Strategien entwickeln, die darauf abzielen, demokratische Werte zu stärken, um diesem Trend entgegenzuwirken.
Wirtschaft und Außenpolitik der FPÖ
Die von der FPÖ vorgeschlagenen Politiken, wie „Festung Österreich“ und „Öxit“, könnten der exportorientierten Wirtschaft Österreichs erheblichen Schaden zufügen. Die wirtschaftlichen Vorteile des Binnenmarktes der EU stehen durch die FPÖ-Politiken auf dem Spiel. In der Außenpolitik könnte die russlandfreundliche Haltung der FPÖ das europäische Sicherheits- und geopolitische Gleichgewicht stören. Dies würde nicht nur den internationalen Ruf Österreichs, sondern auch die strategischen Interessen Europas gefährden.
Es ist offensichtlich, dass eine von der FPÖ geführte Regierung die europäische Politik in den Bereichen Verteidigung, Unterstützung für die Ukraine und EU-Integration negativ beeinflussen könnte. Insbesondere die Ablehnung von Sanktionen gegen Russland und die Zurückweisung wirtschaftlicher Unterstützung könnten ernsthafte Risse innerhalb Europas verursachen. Dies würde die Fähigkeit der EU, in der Außenpolitik geschlossen zu handeln, erheblich schwächen.
Die Herausforderung der extremen Rechten: Isolation ist keine Antwort – was dann?
Die aktuelle Situation in Österreich zeigt einmal mehr, dass rechtspopulistische Parteien nicht allein durch Isolationsstrategien neutralisiert werden können. Tatsächlich gehen rechtsextreme Parteien, die von Regierungsbildungsprozessen ausgeschlossen werden, in späteren Wahlen meist gestärkt hervor, unabhängig davon, in welchem Land dies geschieht.
In Österreich hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach den letzten Wahlen, in denen die FPÖ als stärkste Kraft hervorging, die Regierungsbildung nicht der FPÖ, sondern ÖVP-Chef Karl Nehammer übertragen. Laut einer Umfrage nach dieser Entscheidung hielten 59 % der Bevölkerung diese Entscheidung für falsch, während nur 31 % sie unterstützten. Die FPÖ nutzte diese Situation, um sich als „ausgegrenzte“ Partei des Systems und „wahre Stimme des Volkes“ zu positionieren. Diese Rhetorik bot der FPÖ eine Grundlage, auf der sie sich durch ein Gefühl der Opferrolle weiter stärken konnte. Wäre der FPÖ nicht das Mandat zur Regierungsbildung übertragen worden, hätte sie bei einer möglichen Neuwahl wohl deutlich an Stärke gewonnen.
Wie kann also eine Situation geschaffen werden, in der die extreme Rechte weder isoliert noch an die Regierung gebracht wird? Dafür müssen Lösungen für die politischen Themen angeboten werden, von denen die FPÖ profitiert, jedoch ohne die FPÖ-Politiken zu kopieren.
Die FPÖ sammelt vor allem Unterstützung, indem sie die Sorgen der Bevölkerung zu Themen wie Migration und europäischer Integration anspricht. Die migrationskritische Politik der FPÖ birgt zudem das Risiko, gesellschaftliche Spaltungen zu vertiefen. Ein solcher Ansatz könnte nicht nur unter Migrantengemeinschaften, sondern auch in der gesamten österreichischen Gesellschaft zu einer weiteren Polarisierung führen. Darüber hinaus gibt es Bedenken, dass diese Politiken, wie in der Vergangenheit, darauf abzielen könnten, Muslime zu Sündenböcken zu machen. Um den Aufstieg solcher Parteien zu stoppen, braucht es statt klassischer Ausgrenzungsmethoden umfassendere und wirksamere politische Strategien.
Eine der größten Herausforderungen für die österreichische Politik in diesem Zusammenhang sind die zögerlichen Ansätze der Mitte-Parteien, angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Sorgen der Bevölkerung konkrete Lösungen anzubieten. Besonders in ländlichen Regionen und wirtschaftlich benachteiligten Gebieten fühlen sich viele Menschen von der Politik nicht gehört und sind daher empfänglich für die populistischen Botschaften der FPÖ. Parteien wie ÖVP, SPÖ und die Grünen sollten daher gezielte Maßnahmen entwickeln, die die echten Ängste und Bedürfnisse der Wähler direkt ansprechen.
Zudem stärkt es die extreme Rechte, wenn die etablierten Parteien die Argumente der extremen Rechten übernehmen, anstatt echte Lösungen anzubieten. Ein Beispiel hierfür ist das Kopftuchverbot für minderjährige Mädchen, das laut Moderator Martin Thür bei den Koalitionsgesprächen zwischen ÖVP, FPÖ und NEOS auf der Tagesordnung stand. Besteht dieses Problem in Österreich tatsächlich? Wie viele minderjährige Mädchen tragen überhaupt Kopftuch? Anstatt solche realitätsfernen Debatten zu führen, die nur der extremen Rechten nutzen, sollte sich Österreich auf weitaus dringendere innen- und außenpolitische Probleme konzentrieren. Statt symbolischer Diskussionen müssen Themen wie Migration, soziale Ungleichheit und wirtschaftliche Disparitäten in den Vordergrund rücken.