Türkiye – die einzige Lösung Europas gegen die russische Bedrohung / Photo: AA (AA)
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Wenn man die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Türkiye untersucht, wird deutlich, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit trotz aller Krisen seit vielen Jahren von beiden Ländern erfolgreich und stabil fortgeführt werden konnte. Deutschland zählt seit langem zu den größten Handelspartnern von Türkiye. Allerdings lässt sich nicht behaupten, dass die guten Beziehungen im wirtschaftlichen Bereich auch in der politischen Arena bestehen. Obwohl es trotz aller politischen Krisen zwischen den beiden Ländern keinen großen Bruch gab, kann man sagen, dass das gegenseitige Misstrauen in den letzten Jahren, insbesondere seit den Gezi-Protesten 2013, seinen Höhepunkt erreicht hat.

Deutschlands mangelnde Übereinstimmung mit Türkiye in den Krisen, die das Land nach den Gezi-Protesten durchlebte – etwa der Putschversuch am 15. Juli und die Operationen gegen die PKK/YPG-Terrororganisation im Norden Syriens –, sowie die ständige Positionierung auf der Gegenseite führten zu einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen.

Mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 und dem aktuellen Stand des Konflikts scheinen die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Türkiye jedoch auch im politischen Bereich eine Phase der Verbesserung einzuleiten. Während sich der Krieg seinem dritten Jahr nähert, sieht sich Deutschland angesichts der kalten Realität von Trumps Wahl und dessen drohender isolationistischer Politik, die Europa allein lassen könnte, gezwungen, neue regionale Kooperationen zu suchen.

Wie zuletzt im Falle des Sturzes des Baath-Regimes in Syrien erneut bewiesen wurde, erhöht Türkiye mit seiner Armee und sowie geschickter Diplomatie zunehmend seinen Einfluss in der Region. Für Deutschland und andere europäische Länder, die vor der Gefahr stehen, aus dem Sicherheitsschirm der USA herauszufallen, wird es nahezu unausweichlich, mit Türkiye eine neue Allianz einzugehen.

Neue Ära in den Beziehungen zwischen Türkiye und Deutschland?

Das stärkste Zeichen dafür, dass die bilateralen Beziehungen zwischen Türkiye und Deutschland einen positiven Wendepunkt erleben, ist zweifellos der Besuch von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Türkiye am 22. Dezember 2024. Doch bevor auf diesen Besuch eingegangen wird, müssen zwei weitere wichtige Besuche erwähnt werden. Unmittelbar nach der Wahl von Trump besuchte NATO-Generalsekretär Mark Rutte Ende November Türkiye. Kurz nach der Befreiung von Damaskus reiste Mitte Dezember EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Türkiye und traf sich mit Präsident Erdoğan. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Besuch von Baerbock Teil einer Reihe von hochrangigen Besuchen in Türkiye war, die auf eine Reihe internationaler und regionaler Entwicklungen folgten.

Es ist wichtig, die obengenannten Besuche innerhalb eines Monats im Zusammenhang zu betrachten und zu erkennen, dass es sich hierbei nicht um gewöhnliche Besuche handelte. Doch was hat westliche Führer dazu bewogen, mit Türkiye Gespräche zu führen und – entgegen ihrer jahrelang verfolgten Türkiye-kritischen Politik – Erklärungen abzugeben, die mit den türkischen Positionen im Einklang stehen?

Wenn wir diese Frage zu beantworten versuchen, müssen wir zwei große Krisen untersuchen, in deren Mittelpunkt Türkiye steht. Diese Krisen und ihre derzeitigen Komplikationen könnten kurz-, mittel- und langfristig weitere Erschütterungen und Konflikte auslösen. Dabei handelt es sich um den fast drei Jahre andauernden Ukraine-Krieg sowie die regionalen Expansionsbestrebungen Israels, die sich in Angriffen auf Gaza äußern – Angriffe, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen beinhalten und derzeit sowohl vom Internationalen Gerichtshof als auch vom Internationalen Strafgerichtshof untersucht werden. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der Ukraine-Krieg eine zentrale Rolle bei der Transformation der bilateralen Beziehungen zwischen Türkiye und Deutschland spielt.

Die große Krise Europas: der Ukraine-Krieg

Länder wie Deutschland sahen sich unter dem Druck der USA und Großbritanniens gezwungen, sich zugunsten der Ukraine in den Krieg einzumischen, die Ukraine sowohl militärisch als auch wirtschaftlich zu unterstützen und Hunderttausende ukrainischer Flüchtlinge aufzunehmen. Deutschland, das insbesondere seit der Amtszeit von Angela Merkel mehr als die Hälfte seines Energiebedarfs aus Russland deckte, geriet aufgrund der Unterbrechung der Energieimporte aus Russland in eine Energiekrise. Die hohen Energiepreise wirkten sich nicht nur auf die privaten Haushalte aus, sondern beeinträchtigten auch die Produktion großer Unternehmen. Deutsche Großkonzerne, die mit den Energiepreisen nicht mehr Schritt halten konnten und zunehmend Schwierigkeiten hatten, wettbewerbsfähig zu bleiben, begannen zu schrumpfen, Arbeitskräfte abzubauen und sogar ihre Produktionsstätten ins Ausland zu verlagern. Deutschland fand sich inmitten einer Rezession wieder, die zwei Jahre in Folge anhielt.

Aus einer neorealistischen Perspektive betrachtet, stehen Deutschland und das europäische Festland nicht nur vor den wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Ukraine-Krieges, sondern auch vor einer viel gravierenderen Sicherheitskrise, die von Russland ausgelöst wurde. In der politischen Atmosphäre des Kalten Krieges, als die Weltpolitik von einer bipolaren Ordnung dominiert wurde, konnte Europa einen direkten militärischen Konflikt mit der Sowjetunion vermeiden und das gestörte Machtgleichgewicht (Balance of Power) durch die Allianz mit den USA, verkörpert in der NATO, ausgleichen. Dieses Machtgleichgewicht schützte Europa bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion vor der russischen Bedrohung und verhinderte das Entstehen eines neuen Krieges.

Macht(un)gleichgewicht durch Ukraine-Krieg

Dieses Machtgleichgewicht erlitt mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 den ersten Schlag. Der zweite, möglicherweise noch bedeutendere Schlag, folgte im November 2024 mit der Wiederwahl von Trump als US-Präsident. Trump brachte die Gefahr mit sich, die seit dem Zweiten Weltkrieg bestehende Machtbalance grundlegend zu verändern und den Sicherheitsschirm, den die USA über Europa gespannt hatten, abzubauen. Deutschland und andere europäische Länder sahen sich nach Jahrzehnten erneut einer russischen Bedrohung ausgesetzt.

Eine weitere Verschärfung der Krise war zweifellos die mangelnde Vorbereitung der europäischen Staaten auf die russische Herausforderung und Bedrohung. Weder Deutschland noch andere führende europäische Staaten sind in Bezug auf ihre Armeen und Waffenproduktionskapazitäten für einen konventionellen Krieg gegen Russland gerüstet.

Im konventionellen Sinne betrachtet, ist die einzige Macht unter den europäischen Staaten, die in der Lage wäre, Russland militärisch entgegenzutreten oder bei einem Beitritt zum europäischen Block ein neues Machtgleichgewicht herzustellen, Türkiye. Türkiye hat während seiner militärischen Auseinandersetzungen mit Russland, sowohl indirekt als auch direkt, in Libyen und Syrien seine Fähigkeit bewiesen, über eine kompetente und schlagkräftige Armee zu verfügen, die mit Russland konkurrieren kann.

Durch die am 27. November begonnenen Operationen konnte Türkiye seine unterstützten und koordinierten Kräfte in Syrien erfolgreich gegen das von Russland angeführte Lager durchsetzen. Damit hat Türkiye eine seiner größten Herausforderungen, die Syrien-Krise, durch den Erfolg seiner militärischen Operationen weitgehend zu seinen Gunsten gelöst und seinen Einfluss in der Region erheblich ausgebaut.

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