Neuauflage der Rechts-Rechts-Regierung mit „Volkskanzler” Kickl / Photo: DPA (dpa)
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Wir hatten eine solche Situation schon einmal. Von Dezember 2017 bis Mai 2019 regierten die christdemokratische Österreichische Volkspartei (ÖVP) und die rechtsextreme Freiheitliche Partei (FPÖ) die Bundesrepublik Österreich. Erstere nahm später die Ibiza-Affäre zum Anlass, sich von den Freiheitlichen zu entledigen. Nur war es damals die ÖVP unter der Führung von Sebastian Kurz, die sich die Freiheitlichen ins Boot geholt hatte.

Dieses Mal erscheint die Möglichkeit einer Rechtsaußen-Koalition unter umgekehrten Vorzeichen. Die FPÖ hat im September 2024 die Nationalratswahl gewonnen – erstmals in ihrer Geschichte. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat jedoch entgegen dem Usus der Gewinnerpartei keinen Auftrag zu Regierungsverhandlungen erteilt. Nachdem die Verhandlungen zwischen der konservativen ÖVP mit der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) und den liberalen NEOS gescheitert sind, scheint aber genau dies nun am Montagvormittag zu geschehen.

Ideale Ausgangslage für FPÖ

Eine zweite Option wären Neuwahlen. Das scheint aber in zweifacher Hinsicht unwahrscheinlich. Erstens könnte die FPÖ weiterhin die Erzählung zementieren, wonach sie als Außenseiterin marginalisiert wird. Dies würde die Partei nur weiter stärken. Und zweitens scheint die FPÖ mit einem derzeitigen Umfragewert von 34.7 Prozent einen Höhenflug zu erleben, der eher zu einer Stärkung als zu einer Schwächung führen würde. Somit heißt der Gewinner Herbert Kickl, Parteiobmann der FPÖ.

Der neue Spin der ÖVP

Während des Wahlkampfes hatten sich nicht nur wie üblich die Sozialdemokraten klar gegen eine Koalition mit der FPÖ ausgesprochen. Recht ungewöhnlich waren auch die rauen Töne aus der ÖVP. Von der Spitze weg mit dem Bundeskanzler und Parteichef Karl Nehmammer bis hin zu zahlreichen weiteren ÖVP-Politikern sprachen diese sich gegen eine Koalition mit der Kickl-FPÖ aus. Die FPÖ hielt aber daran fest, nur mit einem Kickl an der Spitze in die Regierung zu gehen.

Selbst Generalsekretär Christian Stocker, der nun Nehammer als geschäftsführenden ÖVP-Chef abgelöst hat, nannte die Kickl-FPÖ „eine Gefahr für die Demokratie“ sowie „für die Sicherheit Österreichs.“ Nachdem öffentlich wurde, dass Bundespräsident Van der Bellen tatsächlich Kickl in den Ballhausplatz einladen würde, erklärte der ewig elastische Stocker die Bereitschaft seiner Partei, in eine Koalition mit der Kickl-FPÖ einzutreten: aus angeblicher Verantwortung gegenüber Österreich – was sich aber in einen Willen zum Machterhalt um jeden Preis übersetzen lässt. Die ÖVP ist schließlich seit 1987 durchgehend im Amt.

Wirtschaftsprogramm und Illiberalität

Neben einigen Schnittmengen in der neoliberalen Ausrichtung des Wirtschaftsprogramms ist es vor allem der illiberale Charakter, den sich FPÖ und ÖVP teilen. Da sind fundamentalistische Katholiken auf der einen Seite und Weiße Suprematisten auf der anderen Seite, die gemeinsam gegen den „politischen Islam“ vorgehen wollen. Eine härtere Vorgehensweise gegen Einwanderung wird ebenso geteilt. Die Freiheitlichen gehen sogar so weit, Zugewanderten die österreichische Staatsbürgerschaft wieder entziehen zu können, sollten diese die „Integration verweigern“.

In der außenpolitischen Ausrichtung gilt die FPÖ wie viele andere Rechtsparteien in Europa als pro-russisch, was zu Reibungsflächen führen kann. Sollten sich die internationalen Konstellationen mit einer Führung in Washington jedoch ändern, könnte die primär auf Wirtschaftsinteressen ausgerichtete ÖVP auch hier leichter einen Schwenk vollziehen.

Es dürften ohnehin vor allem die wirtschaftsliberalen Kräfte innerhalb der ÖVP gewesen sein, die sich eine Koalition mit der FPÖ wünschen. Denn es war von Anfang an klar, dass die größte Schnittmenge an Politikvorstellungen zwischen der konservativen ÖVP und der rechten FPÖ besteht. Mit den Grünen, mit denen von 2020 bis 2024 eine Koalition mit den Konservativen existierte, schloss die ÖVP von Anbeginn eine Koalitionsbildung aus. Nichts veranschaulicht die autoritäre Ausrichtung der ÖVP mehr als der Vorzug für die FPÖ gegenüber den Grünen, mit denen sie bereits vier Jahre Regierungsverantwortung bewies.

Ideal wäre für diese neue Ära Kurz gewesen. Der im Februar 2024 wegen Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss verurteilte Kurz, der sich nach Medienberichten mit Kickl ausgesöhnt hatte, ging letztendlich keinen Deal für eine erneute Koalition unter seiner Führung mit der FPÖ ein. Zu schlecht stehen die Umfragewerte, selbst in der eigenen Gefolgschaft im Hinblick auf eine Regierungsvereinbarung mit der FPÖ.

Quo vadis Österreich?

Österreich befindet sich derzeit in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Ein riesiges Budgetdefizit muss gestopft werden, das unter der Führung von Kurz dem Motto „Koste es, was es wolle“ folgend erzeugt wurde. Für beide Parteien, die der Industrie mehr als den Menschen zugeneigt sind, wird Verteilungsgerechtigkeit hier kaum eine Rolle spielen.

Anstatt dessen ist zu befürchten, dass mit Ablenkungsmanövern eine Sündenbockstrategie verfolgt wird. Unter der ÖVP-FPÖ-Koalition waren das vor allem Muslime. Die Stärkung des illiberalen Charakters, wie der Griff nach Machtausbau der ÖVP am Beispiel der Medienpolitik gezeigt hat, ist zu befürchten.

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