von Ibrahim Altiparmak / Berlin, Ramazan Aktaş / Lefkoşa
Jüngste Erklärungen aus Ankara und Lefkoşa lassen keinen Zweifel mehr an einem neuen Kurs der türkischen Seite im Zypernkonflikt. Der Präsident der Türkischen Republik Nordzypern (TRNZ), Ersin Tatar, und der Staatschef der Republik Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, sind sich einig, dass nur noch eine Zwei-Staaten-Lösung den Konflikt auf der Insel beenden wird können.
Die aktuelle Positionierung und bereits die Wahl von Tatar zum Präsidenten sind dabei ein Ausdruck der türkischen Enttäuschung gegenüber der EU und der UN. Die meisten Türken auf der Insel glauben nicht mehr an eine Konföderation mit den Griechen in Zypern.
„Zyperngriechen wollen nicht gleichberechtigt mit Zyperntürken leben“
„In den Gesprächen, die seit 50 Jahren geführt werden - dazu gehören auch der umfassende Annan-Plan und die Gespräche in Crans-Montana -, bei all diesen Prozessen hat die ganze Welt klar und deutlich gesehen, dass die griechisch-zyprische Seite nicht gleichberechtigt mit türkischen Zyprern zusammenarbeiten kann und will“, erklärte Tatar am Freitag gegenüber TRT Deutsch.
Vor der Teilung hatte das noch anders ausgesehen. Auf Grundlage der Abkommen von London und Zürich wurde 1960 auf Zypern eine Föderation zwischen den türkischen und griechischen Bewohnern der Insel gegründet. Die Probleme der Insel schienen damit gelöst. Die Verfassung des neuen Staates hatte die Rechte und Befugnisse relativ ausgewogen zwischen den beiden Völkern auf der Mittelmeerinsel verteilt. Beide Mutterländer, die Türkei und Griechenland, sowie die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien wurden zu Garantiemächten des neuen Staates.
Einige Griechen aus Zypern und Griechenland waren jedoch mit diesem Kompromiss unzufrieden. Bereits kurz nach der Gründung des Staates Zypern überzogen griechische Extremisten die Insel mit Gewalt. Ziel war die sogenannte „Enosis“, also der Anschluss an Griechenland - und das am besten ohne die türkischen Mitbürger.
„Blutige Weihnachten“ als Ausgangspunkt für wiederholte Massaker
Insbesondere die als „Blutige Weihnachten“ bekannten Angriffe griechischer Extremisten auf die türkischen Mitbürger im Jahr 1963 wurden zum Symbol der Gewalt gegenüber der Minderheit und des Unwillens, mit den Türken gemeinsam zu leben. „Es war ein Plan. Nach diesem Plan sollten die türkischen Zyprer innerhalb der Insel ausgelöscht werden und dieser Ort vollständig mit Griechenland verbunden“, betont Tatar. Die „Washington Post“ kommentierte damals die Angriffe auf die Zyperntürken mit den Worten, dass „griechisch-zypriotische Fanatiker zu einer Politik des Völkermords entschlossen“ zu sein scheinen.
Die „Blutigen Weihnachten“ seien das Startdatum für das Leid der Zyperntürken, erklärt Tatar. „Unschuldige und zivile Menschen in verschiedenen Regionen auf Zypern wurden durch bewaffnete Angriffe getötet, aus ihren Häusern geholt und an einem bestimmten Ort abgeschlachtet“, fasst der TRNZ-Präsident die Massaker an den türkischen Bürgern zusammen.
Die Übergriffe, Massaker und Terroranschläge auf die Zyperntürken endeten 1974 mit einer Intervention der Türkei als Garantiemacht und mit der Teilung der Insel, die nun schon seit 47 Jahren andauert.
Die EU unterstützt Nikosia trotz seines Unwillens zum Kompromiss
In all den Jahren wurden mehrere Anstrengungen unternommen, um die Insel wieder zu vereinen, die jedoch alle ergebnislos verliefen und mit einer Enttäuschung aufseiten der Zyperntürken endeten. Der jüngste der konkreten Versuche war der Annan-Plan, der 2004 nach zwei getrennten Volksabstimmungen aufgrund der Ablehnung durch die Griechen im Süden der Insel scheiterte.
Allerdings hatte die wiederholte Ablehnung einer Wiedervereinigung vonseiten der Zyperngriechen für diese keine politischen Folgen. Obwohl die Griechen aus Südzypern und Griechenland mit ihrem Vorgehen die internationalen Abkommen verletzten und trotz ihres Beharrens auf maximalistischen Forderungen, das während der Verhandlungen zur Wiedervereinigung zeigten, stellten sich die europäischen Länder stets auf die griechische Seite und sorgten für Missmut unter den Türken der Insel.
Die Konföderationslösung, welche die Türken in der Vergangenheit angestrebt hatten und welche Gleichberechtigung mit den Griechen auf der Insel bedeuten würde, wird zudem immer noch weder von den Griechen in Griechenland und Zypern noch von den EU-Staaten akzeptiert. Anfang des Monats betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach einem Treffen mit dem zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiades, dass die EU nie einer Zwei-Staaten-Lösung für die Mittelmeerinsel zustimmen werde.
Damit sei die einzige übrig gebliebene Lösung die Koexistenz von zwei getrennten Staaten auf der Mittelmeerinsel, meint Tatar. Die Zyperntürken hätten keine weiteren 50 Jahre zu verschwenden: „Wie der Herr UN-Generalsekretär (António Guterres) sagte: ‚Kommen Sie mit neuen Ideen‘. Also gingen wir mit einer neuen Idee. Es ist eine andere Haltung: eine Einigung auf der Grundlage zweier Staaten.“
„Die EU hat eine Lösung unmöglich gemacht“
Die EU betrachtet Südzypern als alleinigen Vertreter der Insel. 2004 ist die Republik in Südzypern ein Vollmitglied der EU geworden, obgleich das Kabinett in Nikosia immer noch Partei in einem internationalen Konflikt ist und keine volle Souveränität über sein Territorium hatte. Eigentlich hätte das Land damit nach den eigenen Regeln der EU nicht Vollmitglied werden dürfen. Die TRNZ wurde erneut außen vor gelassen und die Griechen als Konfliktverursacher aus türkischer Sicht belohnt.
„Die Anerkennung der griechischen Seite als einzige Republik der Insel und deren Aufnahme in die Europäische Union hat die Zypernfrage weiter erschwert. Es wurde alles viel schwieriger zu lösen“, beklagt der TRNZ-Präsident diesen Umstand. Laut Tatar ist eine Lösung nun sogar unmöglich geworden, auch, weil alle denkbaren Optionen aus Sicht der EU mit einem Verlust des Schutzmachtstatus der Türkei enden würden: „Deshalb sagen wir: Eine neue Politik, eine neue Vision, ein neues Verständnis und zwei getrennte souveräne, unabhängige Staaten, die nebeneinander leben. Es gibt keinen anderen Ausweg. Nur so kann es gelöst werden.“