Bayernpartei-Vorsitzender Florian Weber im TRT-Deutsch-Interview. (Bayernpartei)
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In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland war die Bayernpartei sowohl im Bundestag als auch in der bayerischen Staatsregierung vertreten. Bis 1954 konnte sie in Bayern zweistellige Ergebnisse erzielen. Ein Prozess gegen hohe Parteifunktionäre um eidliche Falschaussagen zu Randthemen im Untersuchungsausschuss zur sogenannten Spielbankenaffäre bewirkte eine öffentliche Diskreditierung der Bayernpartei. Politiker der in den Jahren 1954 bis 1957 oppositionellen CSU spielten in dem Prozess eine kontrovers diskutierte Rolle. Mittlerweile ist die Bayernpartei als Kleinpartei nur noch in Kommunalparlamenten vertreten. Das Ziel eines eigenständigen Bayerns hat die Partei jedoch nie aufgegeben. Im Interview mit TRT Deutsch bricht Parteichef Florian Weber eine Lanze für ein stark föderalistisches Europa, in dem Entscheidungen näher am Bürger getroffen werden. Die Bayernpartei strebt ein unabhängiges Bayern als Mitglied der EU an. Ist das unter preußischer Hegemonie vereinte Deutschland aus Ihrer Sicht ein gescheitertes Projekt? Also, wenn Sie sich die historische Bilanz ansehen seit 1871, seit dieses Deutschland in der jetzigen Form in Anführungszeichen existiert, dann haben wir die Situation: Ein Kaiserreich, das endete in einem entsetzlichen Ersten Weltkrieg. Wir hatten die Weimarer Republik, eine schwierige Zeit, die Jahre des noch fürchterlicheren nationalsozialistischen Regimes, einen Zweiten Weltkrieg, Millionen und Abermillionen Tote, Vertreibung, Mord, was Sie sich alles nur Schlimmes vorstellen können. Danach, nach dem Niedergang dieses sogenannten Dritten Reiches, hatten wir ein Deutschland, das geteilt war und im Osten auch noch eine Diktatur. Wenn Sie sich diese historische Bilanz anschauen, dann würde ich sagen, ist das kein Erfolgsmodell, sondern wenn man sich allein überlegt, wie viele Menschen da gestorben sind in ganz Deutschland, aber auch in Bayern, dann glauben wir, da hätte es bessere Möglichkeiten gegeben und für die Zukunft gäbe es auch bessere Möglichkeiten. Rechnen Sie damit, dass noch andere Bundesländer Ambitionen dieser Art hegen könnten? Da muss man gleich zwei Dinge darauf erwidern: Zum einen, ob natürlich andere Bundesländer diesen Weg gehen, das liegt nicht in meiner Kompetenz oder in meiner Entscheidung. Momentan glaube ich es eher nicht, muss ich ganz ehrlich sagen. Ich denke, die Situation, wie wir sie in Bayern haben, ist ein bisschen anders als in anderen Bundesländern. Und wir wollen auch den Bestand der Bundesrepublik in keiner Weise gefährden. Also die Bundesrepublik Deutschland soll weiter existieren. Uns geht es darum, für die Bürger in Bayern, für die Menschen in Bayern eine bessere Situation zu erreichen. Und wir glauben, dass ein eigenständiger bayerischer Staat das besser könnte.

Wäre ein Flickenteppich an Klein- und Kleinstaaten wie vor dem Aufstieg Preußens ein Zukunftsmodell für Europa? Wenn Sie so argumentieren, dann sind 19 EU-Staaten, die weniger Einwohner haben als Bayern oder kleiner sind, lebensberechtigt. Bayern aber nicht. Das lässt sich demokratisch in keinster Weise erklären. Wie gesagt: 19 EU-Staaten haben weniger Einwohner als Bayern, wenn man es am Bruttoinlandsprodukt misst, sogar noch mehr. Wenn Sie die Fläche betrachten, ein bisschen weniger, aber immer noch eine ganz, ganz erkleckliche Zahl. Und ich muss Ihnen ehrlich sagen: So gesehen ist diese Frage glaube ich nicht durchdacht, weil die Situation würde ja bedeuten, Sie müssten einen gigantischen Zentralstaat entwickeln, und das will glaube ich niemand.

Wie würde ein kleinteiliges Europa in Fällen wie Flüchtlingskrisen oder in Fragen wie der Gesundheit handlungsfähig bleiben, also beispielsweise, wenn es darum geht, beispielsweise flächendeckend gefährliche Produkte aus dem Verkehr zu ziehen, wie Cadmium zuletzt jetzt bei der Europäischen Union?

Also wir sind ja der Meinung, dass wir gerade im Zuge der Globalisierung eine europäische Ebene brauchen. Deswegen streben wir auch ein freies Bayern innerhalb eines europäischen Staatenbundes an. Das ist unsere Zielvorstellung, weil wir natürlich genau erkennen, dass es in einer globalisierten Welt bestimmte Themen gibt, die wir alleine kaum realisieren oder lösen können. Kleines Beispiel: Denken Sie an die Außen-, Sicherheits- oder Verteidigungspolitik. Es ist nicht zu erwarten, dass eine bayerische Armee uns verteidigen könnte, wenn man ganz ehrlich ist, auch nicht über die Bundeswehr alleine könnte man Deutschland verteidigen. Gerade bei dem Zustand der Bundeswehr heute ist es wohl eher höchst unwahrscheinlich.

Und noch einmal: Sie müssen aber ganz klar definiert sein, die Kompetenzen. Das heißt, es darf nicht so sein, dass wir einen Zentralstaat aus Berlin durch eine Zentralstaat aus Brüssel ersetzen.

Wäre ein unabhängiges Bayern, wie Sie es sich vorstellen, eine Republik? Oder soll der König wieder inthronisiert werden?

Natürlich wollen wir eine Republik Bayern. Wir sind demokratisch verfasst und das wollen wir auch bleiben. Wir wollen ganz klar eine Republik.

Florian Weber bei einem Vortrag. (Bayernpartei)

Wie würden Sie es bewerten, wenn Franken und Schwaben dann ebenfalls eigene Wege gehen sollten? Wir stellen uns ein Bayern vor, das eben nicht zentralistisch organisiert ist. Wir möchten die bayerischen Bezirke auch stärken, auch historisch stärken, weil sie natürlich eine eigene, tatsächlich historische Entwicklung haben und zum Teil auch kulturelle Identität. Denken Sie an die Vielfalt der bayerischen Sprachen. Das sind ja viele. Das Schwäbische, das Fränkische, das Alt-Bayerische. Und die sind ja unter sich schon wieder unterschiedlich. Da ist natürlich tatsächlich eine Vielfalt und das ist aber auch, glaube ich, ein großer Vorteil. Wir möchten Vielfalt statt Einfalt und das ist für uns eine ganz zentrale Geschichte. Lasst uns doch in dieser Vielfältigkeit positiv leben und das als Gewinn sehen. In der Vergangenheit war die Bayernpartei sehr beliebt. Warum hat sie es eigentlich nicht mehr geschafft, nach der Spielbankenaffäre wieder auf die Beine zu kommen? Nun, dass das eine politische Maßnahme war, ist glaube ich heute ja allen bekannt. Die Spielbankenaffäre selbst ist den wenigsten noch bekannt, aber das war natürlich eine Intrige der CSU, um die Bayernpartei kleinzukriegen. Man hat es auch geschafft, die Bayernpartei bei der Gelegenheit durch einen Meineid des damaligen Generalsekretärs der CSU, Friedrich Zimmermann, kaputtzumachen. Da sieht man, was man machen muss, um dann später Bundesinnenminister zu werden. Dass dieser Meineid der Partei enorm geschadet hat, ist ja hinterher gerichtlich festgestellt worden. Das ist jetzt aber alles Geschichte, das spielt heute keine Rolle mehr. Was ist das Thema ist heute? Die CSU hat, muss man sagen, natürlich politisch sehr geschickt alles versucht, um uns nach wie vor klein zu halten, indem sie jedes Mal vor einer Wahl die bayerischen Fähnchen schwenkt und sehr auf Bayerisch tut. Aber am Wahlabend um 18 Uhr wird die bayrische Fahne wieder eingerollt. Dann spielt alles keine Rolle mehr, dann geht es um Macht. Und das ist natürlich eine sehr spannende Angelegenheit. Nichtsdestotrotz erleben wir, dass der Zuspruch größer wird. Natürlich wünschen wir uns immer mehr und natürlich ist es auch eine Situation, mit der wir noch nicht zufrieden sind. Aber wir merken, dass der Zuspruch, die Mitgliederzahl und vor allem auch das Alter der Interessenten und Mitglieder deutlich jünger wird. Was früher nicht der Fall war, muss man ganz ehrlich sagen. Was uns sehr freut, ist, dass gerade unter jungen Menschen diese Idee immer mehr wieder an Sympathie gewinnt. Und deswegen sind wir auch sehr zuversichtlich. Würde es nicht zur Gefahr bewaffneter Konflikte führen, wenn Separatismus in Europa eine Normalisierung erfahren würde? Der Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens war ja jetzt nicht unbedingt nur ein Erfolgsmodell. Ja, aber Sie müssen wissen, was da entstanden ist. Die Sowjetunion ist ein schönes Beispiel. Das war eine kommunistische Diktatur. Ähnliches sehen Sie gerade in China. Da werden mit Gewalt Volksgruppen kleingehalten. Und wenn Sie anschauen, was auch in der Sowjetunion passiert ist: Das sind ja ganze Volksgruppen nahezu ausgerottet worden. Das ist ein unsäglicher Zustand. Und es sollte doch in einem demokratischen Rechtsstaat jeder das Interesse daran haben, dass man sich miteinander auseinandersetzt. Und da geht es nicht um bewaffnete oder kriegerische Konflikte, sondern es geht um argumentative Konflikte. Und wenn Sie sich anschauen, um jetzt zum Beispiel ein europäisches Beispiel zu nennen in einem demokratischen Staat wie Katalonien: In Spanien man hat frei gewählte und nicht einer Gewalttat oder sonstiger Vergehen schuldiger Politiker verurteilt auf Jahre hinweg. Warum? Weil sie ein demokratisches Grundrecht, das ihnen gemäß der Schlussakte von Helsinki sogar zusteht, eingefordert haben. Das ist eine unglaubliche Situation. So ein Gebaren ist eines Rechtsstaats, überhaupt einer Demokratie nicht würdig. Nichtsdestotrotz ist in Katalonien eine Mehrheit für die Abspaltung. Sie sehen es auch in Schottland. Da ist die Situation natürlich etwas anders, aber auch da. Und es ist ja nicht so, dass die Schotten und übrigens auch die Katalanen da irgendwie gewalttätig geworden wären. Ganz im Gegenteil, sie hätten ja sogar Grund gehabt. Da war ein bisschen Unruhe bei bestimmten Demonstrationen. Aber wenn man weiß, was davor passiert ist, muss man tatsächlich sagen, dass das eine harmlose Angelegenheit war. Und wenn Sie sich überlegen, was da passiert, dann ist es doch gerade im Sinne eines demokratischen Staates wirklich zielführend, wenn man der Bevölkerung ihre angestammten Rechte gibt, anstatt sie ihnen zu entziehen aus reinem Machtinteresse heraus. Wenn man selber mehr Macht ausüben möchte, weil man andere Menschen fremdbestimmen möchte, das darf es doch nicht sein. Vielen Dank für das Gespräch!

TRT Deutsch