27. Juni 2022: Scholz beim G7-Gipfel (dpa)
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Aufnahmen vom verheerenden Einschlag einer Rakete in einem Einkaufszentrum in der Ukraine sind beim G7-Gipfel im bayerischen Elmau mit Bestürzung aufgenommen worden. Das Gebäude in der zentralukrainischen Stadt Krementschuk, in dem sich laut Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr als tausend Zivilisten aufgehalten haben sollen, brannte nach dem Raketentreffer am Montagnachmittag aus. Nach Behördenangaben gab es mindestens elf Tote und Dutzende Schwerverletzte.

Während die Opferzahlen im Ukraine-Krieg weiter steigen, erhöhen die G7-Staaten den Druck auf Russland und sagen der Ukraine weitere finanzielle, militärische, humanitäre und diplomatische Unterstützung zu. Die NATO kündigte zudem an, die Zahl ihrer schnellen Einsatzkräfte um ein Vielfaches zu erhöhen.
Bestürzung nach Angriff auf Einkaufszentrum
Aus Moskau gab es zunächst keine Reaktion auf den Vorwurf, russische Truppen seien verantwortlich für den Raketeneinschlag in Krementschuk. Nach Angaben der ukrainischen Luftstreitkräfte handelte es sich um Luft-Boden-Raketen des Typs X-22, die von Tu-22-Langstreckenbombern aus dem russischen Gebiet Kursk abgefeuert worden seien. In unmittelbarer Nähe des Einkaufszentrums befinden sich mehrere Industrieanlagen, darunter eine Fabrik für Straßenbaumaschinen. Dem ukrainischen Sicherheitsrat zufolge schlug eine zweite Rakete in ein örtliches Sportstadion ein.
„Die Besatzer haben mit Raketen auf ein Einkaufszentrum geschossen, in dem mehr als tausend Zivilisten waren“, schrieb Selenskyj im Nachrichtendienst Telegram. Er verbreitete ein Video, das die brennende Ruine und dicke dunkle Rauchwolken zeigt. Nach Angaben des Zivilschutzes waren 115 Feuerwehrleute mit 20 Löschwagen im Einsatz. Zum Abend konnte der Brand örtlichen Behörden zufolge gelöscht werden.
G7 und NATO erhöhen Druck auf Moskau
Beim Gipfel der führenden westlichen Wirtschaftsmächte in Elmau machten die Bilder von der harten Kriegsrealität schnell die Runde. „Dieser entsetzliche Angriff zeigt erneut, zu welchem Ausmaß an Grausamkeit und Barbarei der russische Staatschef (Wladimir Putin) fähig ist“, sagte der britische Premierminister Boris Johnson am Rande des Treffens, zu dem Bundeskanzler Olaf Scholz eingeladen hatte. Die US-Regierung versprach, Russland dafür „zur Rechenschaft zu ziehen“.
Zugleich sagten die G7-Staaten weitere Unterstützung für die Ukraine zu. Deren per Video zugeschalteter Präsident Selenskyj begrüßte den geplanten Erlass weiterer Sanktionen gegen Moskau, wobei Kiew besonders auf eine Preisdeckelung für russische Erdölexporte setzt.
Im Mittelpunkt der neuen Sanktionen sollen laut Erklärung der G7 - zu denen neben Deutschland die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan gehören - die Rüstungsindustrie und der Technologiesektor stehen. Auch Russlands Goldexporten als Einnahmequelle für die Kriegsmaschinerie wollen die Staats- und Regierungschefs einen Riegel vorschieben. Der Kreml kündigte an, in diesem Fall neue Absatzmärkte zu erschließen.
Flankiert wurde die Stellungnahme der G7 von einem deutlichen Signal der NATO an Russland. Einen Tag vor dem Beginn des NATO-Gipfels am Dienstag in Madrid kündigte Generalsekretär Jens Stoltenberg an, die Allianz werde die Zahl ihrer schnellen Eingreifkräfte um ein Vielfaches erhöhen - von rund 40.000 auf mehr als 300.000. Dazu solle die NATO-Eingreiftruppe NRF umgebaut werden, die wegen der Spannungen mit Russland seit Monaten in Alarmbereitschaft ist.
Kämpfe in Ukraine gehen unvermindert weiter
Unterdessen gingen die Gefechte in der Ukraine weiter. So schlug das ukrainische Militär westlich von Lyssytschansk nach eigenen Angaben russische Angriffe zurück und verhinderte damit eine Einkesselung der strategisch wichtigen Großstadt im Osten des Landes. Die feindlichen Truppen hätten „erhebliche Verluste“ erlitten, teilte der ukrainische Generalstab mit. Das russische Militär wiederum teilte mit, bei Angriffen auf die Region Mykolajiw im Südosten der Ukraine seien mehr als 40 ukrainische Soldaten getötet worden. Wie so viele Angaben zum Kriegsgeschehen waren auch diese nicht zu überprüfen.
Anders als seitens der G7 droht Russlands Präsident Putin bei seiner ersten Auslandsreise seit Kriegsbeginn kein Ungemach. Am Dienstag wird er laut Kreml die zentralasiatische Ex-Sowjetrepublik Tadschikistan besuchen und dort Staatschef Emomali Rachmon treffen. Tags darauf nimmt er an einem Gipfel der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres in Turkmenistan teil. Außerdem kündigte der Kreml Putins Teilnahme am G20-Gipfel im Herbst an - zu dem das Gastgeberland Indonesien auch Selenskyj eingeladen hat.

dpa