Deutschland und die Türkei sind durch eine „einzigartige Beziehung“ miteinander verbunden. Das betonte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor dem Hintergrund des 60-jährigen Bestehens des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens im Interview mit der Tageszeitung „Hürriyet“ am Dienstag. Die Türkei sei aufgrund ihrer Größe, geographischen Lage und ihres politischen Gewichts „ein Partner von strategischer Bedeutung für Deutschland“.
Das Jubiläum sei Anlass, um die erste Generation türkischer Migranten zu würdigen. Diese habe „großen Anteil am Aufbau unseres Landes“. Deutschland sei mit ihrer Hilfe wirtschaftlich stärker und wohlhabender und die Gesellschaft offener und vielfältiger geworden.
„Deutschland ist ein Einwanderungsland“, unterstrich Präsident Steinmeier im Gespräch mit dem „Hürriyet“-Journalisten Ahmet Külahçı. Und weil Deutschland auch weiterhin ein starkes und wohlhabendes Land bleiben solle, sei „Einwanderung auch weiterhin notwendig“.
Wandel der Bedeutung des Begriffs „deutsch“
Durch die Einwanderung habe sich die Bundesrepublik verändert. „Damit verändert sich auch die Bedeutung des Begriffes ‚deutsch‘“, sagte Steinmeier. „Deutsch zu sein, das kann heute genauso bedeuten, dass die Großeltern aus Köln oder Königsberg stammen wie aus Istanbul oder Diyarbakır.“
Das deutsche Staatsoberhaupt warnte angesichts aktueller Entwicklungen vor rassistischen Tendenzen, die das gesellschaftliche Miteinander gefährdeten. „Die Opfer der niederträchtigen Morde des NSU, die Toten in Mölln, Solingen und Hanau sind Opfer eines Hasses, der mitten in Deutschland, mitten in unserer Gesellschaft seine Wurzeln hat“, erinnerte der Präsident. Die Gewalt dürfe das Land nicht vergiften.
Kooperation bei Flüchtlingsfrage
In vielen Bereichen sei die konkrete Zusammenarbeit zwischen Berlin und Ankara im gemeinsamen Interesse. Steinmeier zählt dazu den Umgang mit Flüchtlingen und Migranten sowie die Auseinandersetzung mit der Lage in Afghanistan.
Am 30. Oktober 1961 hat Deutschland mit der Türkei ein Abkommen zur Anwerbung von Arbeitern abgeschlossen, so wie zuvor bereits mit Italien, Griechenland und Spanien. Ursprünglich sollte keiner der aus der Türkei angeworbenen Arbeiter länger als zwei Jahre bleiben. Deshalb gab es anfangs auch keine Möglichkeit, die Familie mitzubringen. Die Arbeitsmigranten, die man damals „Gastarbeiter“ nannte, schliefen oft in engen Mehrbettzimmern in Heimen und anderen sporadischen Unterkünften. Viele schickten einen Großteil ihres Lohns zu ihren Familien in die Türkei.
Auf Druck der Wirtschaft, die ihre bereits angelernten Kräfte nicht alle zwei Jahre durch Neuankömmlinge ersetzen wollten, wurde das Rotationsprinzip später aufgegeben. Zugleich wurde der Familiennachzug gestattet.