01.04.2022, Niedersachsen, Ehra-Lessien: Hubertus Heil (M, SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, spricht bei seinem Besuch einer Flüchtlingsunterkunft im Landkreis Gifhorn mit zwei geflüchteten Kindern, die auf einer Wiese Fußball spielen. (dpa)
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Deutschland muss sich nach Einschätzung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf eine längerfristige Aufnahme vieler ukrainischer Kriegsflüchtlinge einstellen. „Die Brutalität dieses Krieges, die Zerstörungen und die unabsehbare Dauer legen nahe, dass wahrscheinlich viele Menschen länger bei uns bleiben werden“, sagte Heil der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Darauf müssen wir uns einrichten.“ Rund 340.000 ukrainische Kriegsflüchtlinge sind bisher offiziell in Deutschland festgestellt.
Heil sagte: „Die Hilfsbereitschaft und Großherzigkeit, die es derzeit bei vielen von uns in Deutschland gibt, müssen wir als Staat und Gesellschaft durchhalten - wahrscheinlich für eine längere Zeit.“ „Putins schrecklicher Krieg“ habe zur größten Fluchtwelle seit dem Zweiten Weltkrieg geführt.
„Die Brutalität dieses Kriegs und das unendliche Leid der Menschen in der Ukraine und der Geflüchteten lassen niemanden kalt“, sagte Heil, der davon berichtete, wie er mit Flüchtlingen in Unterkünften in seinem Wahlkreis in Niedersachsen gesprochen hatte. „Ein Mann etwa in meinem Alter erzählte, dass zwei Tage zuvor sein achtzehnjähriger Sohn gefallen sei.“ Jeder müsse von solch tragischen Schicksalen berührt sein.
Heil fordert Hilfsbereitschaft
„Ich sage das auch sehr persönlich, weil meine Mutter, Jahrgang '37, noch im April 1945 ihren 16-jährigen Bruder im Krieg verlor. Die brutalen Nachrichten zu sehen, hält man kaum aus. Eine Antwort auf den schrecklichen Krieg muss sein, dass unser Land alles an Hilfsbereitschaft organisieren muss, was jetzt notwendig ist“, sagte Heil.
Viele der Menschen wollten eigentlich so schnell wie möglich in ihre Heimat zurück. Zum Beispiel würden viele ukrainische Kinder, die jetzt in Deutschland seien, immer noch per Homeschooling aus ihrer Heimat unterrichtet. „Das alleine schon zeigt den Willen zur Rückkehr“, so Heil. Doch vielfach sei dies vorerst nicht möglich.
Deutschland kann nach Einschätzung des Ministers Lehren aus seinen Erfahrungen mit bisherigen Fluchtwellen ziehen. Auf die erste Phase des Krisenmanagement, der der akuten Versorgung gelte, folge die zweite der Integration. „Dabei können wir von unseren Erfahrungen lernen. Vor 30 Jahren gab es schon einmal einen Krieg in Europa. Nämlich in Bosnien“, sagte Heil.
Deutscher Arbeitsmarkt ist aufnahmefähig
Viele Bürgerkriegsflüchtlinge hätten damals gehofft, schnell nach Hause zu kommen. „Sie haben dann erlebt, dass es länger gedauert hat.“ Die Kinder seien ins deutsche Schulsystem bekommen, hätten die deutsche Sprache gelernt, einen Schulabschluss gemacht und dann auch eine Perspektive in Deutschland gesucht.
„In vielen Bereichen ist der deutsche Arbeitsmarkt aufnahmefähig“, stellte Heil fest. „Die Menschen, die zu uns kommen, sind nicht in erster Linie Fach- und Arbeitskräfte, sondern Menschen, die wir jetzt schützen müssen“, so der Minister. „Aber gleichzeitig wissen wir auch, dass wir in vielen Bereichen Leute gebrauchen können und auch viele Menschen mit einer ordentlichen Qualifikation zu uns kommen.“
Heil bekräftigte, dass nun konkret weitere Sprachkurse breit ausgerollt würden und die Qualifikationen der Betroffenen besser anerkannt werden sollten. In der vergangenen Woche hatten Bund und Länder beschlossen, dass ukrainische Flüchtlinge Grundsicherung bekommen können und von den Jobcentern betreut werden sollen. Dort soll auch Vermittlung zu Arbeitsstellen leichter möglich sein.

dpa