Archivbild: Bundestag (dpa)
Folgen

Die von der Ampel-Koalition vorgeschlagene Wahlrechtsreform stößt auf harsche Kritik der Opposition. Das Konzept sei „mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“, sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) am Dienstag in Berlin. Auch Linksfraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali meldete verfassungsrechtliche Zweifel an. Die Ampel-Fraktionen wollen die Reform bis Jahresende unter Dach und Fach bringen.

Von den Fraktionen von SPD und Grünen wurden die Eckpunkte der Wahlrechtsnovelle am Dienstagnachmittag beschlossen. Auch die FDP-Fraktion befasste sich mit dem Thema.

Merz für Grabenwahlrecht

Die Ampel-Koalition will den Bundestag auf die Regelgröße von 598 Abgeordneten schrumpfen. Dafür sollen Überhangmandate und Ausgleichsmandate wegfallen. Da jede Partei dann in einem Bundesland nur noch so viele Direktmandate bekommt, wie ihr gemäß Zweitstimmenergebnis zustehen, kann es passieren, dass ein Wahlkreisgewinner nicht ins Parlament kommt.

Diese Regelung sei „mit unserer Auffassung von der Legitimation von Wahlkreismandaten nicht vereinbar“, sagte Merz. Er kritisierte zudem, dass die Ampel-Fraktionen nicht zunächst versucht hätten, einen gemeinsamen Vorschlag mit der Opposition auszuarbeiten. „Wir bedauern, dass dieser Konsens nicht gesucht wird.“ Gleichwohl sei seine Fraktion weiter „offen für Kompromisse“.

Merz sprach sich allerdings als Alternative für das sogenannte Grabenwahlrecht aus. Dabei würden ohne jegliche Verrechnung 299 Mandate in den Wahlkreisen direkt vergeben und die übrigen 299 gemäß dem Zweitstimmenanteil. Die Stärke der Parteien im Bundestag könnte dann allerdings stark von deren Zweitstimmenanteil abweichen.

Dobrindt: „Wahlbetrug mit Ansage“

Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zeigte sich „schwer verwundert“ über das Vorgehen der Ampel-Fraktionen. Inhaltlich grenze deren Vorschlag „an Wahlbetrug mit Ansage“, weil er dazu führe, dass direkt gewählten Abgeordneten der Einzug in den Bundestag verwehrt bleibe, sagte er. Sollte der Ampel-Vorschlag Gesetz werden, „werden wir umgehend dagegen auch Verfassungsklage einreichen“, kündigte Dobrindt an.

Auch Linksfraktionschefin Amira Mohamed Ali hat „verfassungsrechtliche Bedenken“, wie sie in Berlin sagte. Der Vorschlag der Koalition führe zu einer „faktischen Entwertung von Stimmen“. Mohamed Ali kritisierte ebenfalls, dass die Oppositionsfraktionen bei den Reformplänen nicht eingebunden worden seien.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch betonte, der Ampel-Vorschlag sei „eine offene Einladung“. Es sei nicht ausgeschlossen, „dass wir am Ende bei einem Modell landen, wo dann doch mehrere noch sagen, da machen wir mit“. Allerdings verwies Miersch auch auf Blockaden der vergangenen Jahre: „Wir müssen jetzt auch mal Schritte nach vorne tun.“

Ampel will Vorhaben bis Ende des Jahres durchziehen

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Hartmann, sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland, Ziel sei es, „das Gesetzgebungsverfahren im September zu beginnen und bis zum Jahresende zum Abschluss zu bringen“. Es gehe um eine „lange überfällige Reform“. Verfassungsrechtliche Bedenken teile er nicht.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte den Zeitungen, es handele sich um eine „faire, verfassungsgemäße und ausgeglichene Reform des Wahlrechts“, die den Bundestag wirksam verkleinern werde.

Auch der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, widersprach rechtlichen Einwänden. „Es dürfte sehr wohl dem Geist des Grundgesetzes entsprechen, dass eine Partei genau so viele Sitze erhält, wie es dem Wahlergebnis entspricht“, sagte er den Zeitungen.

AFP