Nach der Entscheidung von CDU und SPD in Berlin für Koalitionsverhandlungen strebt CDU-Landeschef Kai Wegner eine zügige Einigung an. „Wir haben uns einen sehr straffen Zeitrahmen gesetzt. Wir haben gesagt, wir wollen in vier Wochen fertig sein“, sagte Wegner am Donnerstagabend im Fernsehsender „Welt“. „Also Ende März soll der Koalitionsvertrag stehen.“ Dann folge die Mitgliederbefragung der SPD. Aus Wegners Sicht ist es realistisch, dass der Senat Ende April oder Anfang Mai starten könne.
Im Zuge der Koalitionsverhandlungen sollen Wegner zufolge am Montag die Arbeitsgruppen eingesetzt werden. In den Tagen darauf werde die Dachgruppe mit dem Spitzenvertretern der Parteien zum ersten Mal zusammenkommen und das weitere Prozedere beraten.
Sollten die Koalitionsgespräche erfolgreich abgeschlossen werden, dürfte der 50-jährige Wegner neuer Regierender Bürgermeister werden und die erst seit Dezember 2021 amtierende Franziska Giffey ablösen. Die SPD-Landesvorsitzende hat ihre Bereitschaft erklärt, Senatorin in der neuen Landesregierung zu werden. Einen Regierungschef in Berlin hatte die CDU zuletzt mit Eberhard Diepgen gestellt, der von 1984 bis 1989 und von 1991 bis 2001 amtierte.
Die CDU hatte die Abstimmung Mitte Februar mit 28,2 Prozent gewonnen. SPD und Grüne bekamen beide 18,4 Prozent. Die Sozialdemokraten haben mit 53 Stimmen nur einen hauchdünnen Vorsprung vor den Grünen. Die Linke kam auf 12,2 Prozent, die AfD auf 9,1.
Giffey plädiert für Landesregierung „auf Augenhöhe“ Giffey strebt trotz der deutlichen Niederlage der SPD eine gleichberechtigte Partnerschaft mit der CDU an. „Wenn man eine Landesregierung mit zwei Partnern führt, ist es wichtig, dass man es schafft, auf Augenhöhe miteinander zu arbeiten“, sagte Giffey dem „Tagesspiegel“ (Donnerstag). Von einem schwarz-roten Bündnis verspricht sie sich Fortschritte in den Bereichen Wohnungsbau, funktionierende Stadt, Verkehrspolitik und innere Sicherheit. Wahlsieger Wegner sieht viele Übereinstimmungen mit der SPD.
Der CDU-Landesvorstand hatte am Donnerstag einstimmig für Koalitionsgespräche mit der SPD gestimmt. Die Spitze der Sozialdemokraten hatte sich am Mittwoch für Verhandlungen entschieden - obwohl auch das bisherige Dreierbündnis von SPD, Grünen und Linken im neuen Parlament eine Mehrheit gehabt hätte. SPD-Landeschefin Giffey hatte den Schwenk ihrer Partei von Rot-Grün-Rot zur CDU mit „Respekt vor dem Wahlergebnis“ begründet. Mit den bisherigen Partnern Grüne und Linke habe es keinen Neubeginn geben können.
Sorge, dass ein schwarz-rotes an der SPD-Mitgliederbefragung scheitern könnte, hat Wegner nach eigenen Angaben nicht. Da man eine „gemeinsame Verantwortung“ für die Stadt habe, rechne er mit einer Zustimmung. Giffey zeigte im „Tagesspiegel“-Interview Verständnis für Widerstände in ihrer Partei gegen ein schwarz-rotes Bündnis. Sie sei aber überzeugt, dass man mit der CDU mehr umsetzen könne als mit Grünen und Linken.
Enttäuschung unter bisherigen Koalitionspartnern
Die bisherigen Koalitionäre zeigten sich enttäuscht vom Vorgehen der SPD. „Es hatte sich für uns nicht angedeutet“, sagte die Linken-Landesvorsitzende Katina Schubert der Tageszeitung „taz“ (Online). „Sowohl der Stil, wie es bekannt wurde, als auch die Begründung, mit der das erfolgt, ist mir in keinster Weise nachvollziehbar.“ Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Silke Gebel, sagte dem Fernsehsender Phoenix: „Wenn man sechs Jahre gut zusammenarbeitet, ist es doch sehr seltsam, überraschend und ein ganz klarer Vertrauensbruch, wenn man dann von einem Koalitionspartner aus der Zeitung erfährt, dass er sich für jemand anderen entschieden hat.“
Kritik gibt es aber auch aus den Reihen der CDU. „Ich werbe ausdrücklich für eine progressive Koalition zwischen CDU und Grünen“, sagte Christian Gräff dem „Tagesspiegel“ (Donnerstag). Der Wirtschaftsexperte der CDU-Fraktion wies darauf hin, dass in vielen Ämtern und Verwaltungen seit Jahren sozialdemokratische Funktionäre das Sagen hätten. „Die Stadt braucht neue Ideen, frischen Wind“, sagte Gräff. „Die Berliner SPD muss sich in der Opposition erneuern. Sie ist in Berlin vorerst nicht regierungsfähig.“