Zum 60. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mehr Anerkennung für die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter gefordert. Sie verdienten „einen angemessen Raum in unseren Schulbüchern und in unserer Erinnerungskultur“, sagte Steinmeier laut Redemanuskript am Dienstagabend bei einem Festakt der Türkischen Gemeinde in Berlin. Eine Randnotiz werde ihrem Beitrag für das Land nicht gerecht, ergänzte das Staatsoberhaupt.
Am 30. Oktober 1961 vereinbarten Deutschland und die Türkei die Entsendung von Arbeitskräften aus der Türkei, die in der Bundesrepublik benötigt wurden. Das Anwerbeabkommen „war kein Akt der Nächstenliebe oder Zeichen fortschrittlicher Zuwanderungspolitik“, sagte Steinmeier in seiner Rede. Die Realität, in der die Menschen angekommen seien, „folgte eher einer Logik des messbaren Nutzwerts als der großer Visionen“, sagte er.
Der Bundespräsident erinnerte an den Irrtum auf beiden Seiten, dass der Aufenthalt für jeden und jede nur von kurzer Dauer sein sollte. Es habe Menschen gegeben, die für zwei bis drei Jahre bleiben und Geld sparen wollten und dann doch länger geblieben seien. „Immer kam das Leben dazwischen. Schließlich sind die ganz in Deutschland geblieben“, sagte das Staatsoberhaupt.
Viel zu spät sei die deutsche Gesellschaft bereit gewesen, die Perspektive auf die Gastarbeiter zu verändern, sagte Steinmeier und kritisierte die Benachteiligung von Menschen mit türkischer Zuwanderungsgeschichte in der Arbeitswelt oder bei der Wohnungssuche. Die Kinder und Enkel der Gastarbeiter seien Künstlerinnen,
Unternehmer, Impfstoffentwickler, Staatssekretärinnen oder Minister geworden. Sie seien häufig deutsche Staatsbürger. „Sie sind eben nicht ,Menschen mit Migrationshintergrund'“, sagte Steinmeier. Vielmehr sei Deutschland „ein Land mit Migrationshintergrund“ geworden.
5 Okt. 2021
epd
Ähnliche Nachrichten
Linken-Vize reagiert kühl auf Wagenknechts Ankündigung
Wagenknecht war mal das Aushängeschild der Linken. Doch sie will nicht mehr kandidieren. Für ihre lautstarke Forderung nach Frieden in der Ukraine erntet sie viel Beifall aus der Bevölkerung. Die Parteispitze hingegen zeigt ihr die kalte Schulter.
Selbe Kategorie
CSU-Chef Söder: Zeit von Bundeskanzler Scholz „ist vorbei“
CSU-Chef Markus Söder zeigt sich zuversichtlich, dass die Union die vorgezogene Bundestagswahl gewinnen wird. „Unser Ziel ist es, Deutschland wieder in Ordnung zu bringen“, erklärte er und sprach sich für Friedrich Merz als Spitzenkandidaten aus.
Worüber möchten Sie mehr erfahren?
Beliebt
Iran: Rätselhafte Vergiftungswelle beunruhigt die Bevölkerung
Bei einer landesweiten Anschlagswelle im Iran wurden Hunderte Schulmädchen vergiftet. In Regierungskreisen werden Extremisten dahinter vermutet. Eine offizielle Stellungnahme aus Teheran steht aber noch aus. Die Wut und Sorge der Eltern wächst.