Der Staatschef Alexander Lukaschenko nimmt trotz Proteste mit zahlreichen Festnahmen einen Sieg bei der Präsidentenwahl in Belarus (Weißrussland) für sich in Anspruch. Laut Wahlkommission kommt der 65 Jahre alte Präsident auf 80,23 Prozent der Stimmen. Das teilte Wahlleiterin Lidija Jermoschina am Montag in Minsk als vorläufiges Ergebnis mit. Die Opposition erkannte das Ergebnis nicht an und bereitete sich auf eine neue Protestwelle vor.
Lukaschenkos Gegenkandidatin, Swetlana Tichanowskaja, soll laut Wahlkommission weit abgeschlagen mit nicht einmal zehn Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz liegen. Das widerspricht jedoch den Angaben der Opposition. Sie geht von einem Rekordergebnis für Tichanowskaja aus.
Die Wahlbeteiligung in der zwischen dem EU-Mitglied Polen und Russland gelegenen Ex-Sowjetrepublik lag nach Angaben der Behörden bei 84 Prozent der rund 6,8 Millionen Stimmberechtigten. Insgesamt traten fünf Kandidaten an.
Lukaschenko will nach mehr als einem Vierteljahrhundert an der Macht in eine sechste Amtszeit gehen. Bereits in den vergangenen Wochen kündigte sich jedoch eine Protestwelle angeführt von Tichanowskaja an. Die Opposition ging schon im Vorfeld von Manipulationen aus. Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa waren bei der Abstimmung diesmal nicht dabei.
Die Proteste begannen landesweit kurz nach Schließung der Wahllokale am Sonntagabend. Sie waren die schwersten, die die frühere Sowjetrepublik je gesehen hat. Sicherheitskräfte setzten Wasserwerfer, Tränengas und Blendgranaten gegen die Demonstranten ein. Maskierte Sicherheitskräfte schleppten Menschen in Busse und schlugen auf die Demonstranten ein. Bis zum Morgen beruhigte sich die Lage zunächst wieder.
Rund 100 Verletzte und 3000 Festnahmen
Insgesamt gibt es nach Angaben des Innenministeriums in Minsk mehr als 3000 Festnahmen und fast 100 Verletzte auf beiden Seiten - bei den Sicherheitsorganen und bei den Bürgern. Es soll auch einen Toten unter den Demonstranten geben. Die Behörden weisen dies jedoch zurück.
Unterdessen kündigte das staatliche Ermittlungskomitee an, hart gegen die Teilnehmer und Organisatoren vorgehen zu wollen. Ihnen drohen demnach wegen Anstiftung zu Massenunruhen bis zu 15 Jahre Haft.
Kremlchef Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping waren die ersten, die Lukaschenko gratulierten. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden benachbarten „Brüdervölkern“ solle gestärkt werden, schrieb Putin nach Kreml-Angaben in einem Glückwunschtelegramm. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern waren zuletzt angespannt, weil Lukaschenko mehrere Russen wegen eines angeblichen Umsturzversuches festnehmen ließ.
Auswärtiges Amt spricht von „Einschüchterungspolitik“
Kritik kam von der Europäischen Union. Ratspräsident Charles Michel verurteilte das aggressive Einschreiten von Sicherheitskräften scharf. „Die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und die grundlegenden Menschenrechte müssen gewahrt werden“, forderte er. „Gewalt gegen Demonstranten ist nicht die Antwort.“ Die beiden Nachbarländer von Belarus, Polen und Litauen, forderten Minsk zum Gewaltverzicht auf. Nach Einschätzung der Bundesregierung wurden die Mindeststandards für demokratische Wahlen nicht eingehalten. Verurteilt werde auch Gewalt gegen friedlich demonstrierende Bürger und die Festnahme von Journalisten, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Es liefen Bemühungen für eine gemeinsame Reaktion der EU.
Ein Sprecher dere Auswärtigen Amtes sagte, im Vorfeld der Wahl seien massive Repression und willkürliche Verhaftungen von Kritikern beobachtet und benannt worden. Er sprach von einer „Einschüchterungspolitik“, die auf Journalisten und Blogger und auch Bürger ziele, die ihre Rechte nutzen wollten.
SPD-Außenexperte Nils Schmid betonte, dass die Regierung in Minsk nun auf die Bevölkerung zugehen müsse und freie und demokratische Wahlen vorbereiten solle. Lukaschenko sei „jetzt in der Pflicht, Gewaltfreiheit, Deeskalation und Dialogbereitschaft zu gewährleisten“. Die Grünen betonten in einer Mitteilung von Manuel Sarrazin, Sprecher für Osteuropapolitik, und Margarete Bause, Sprecherin für Menschenrechtspolitik: „Berlin und die EU müssen jetzt klarmachen, dass ihr Partner in Belarus die Demokratiebewegung ist.“
Aus Sicht des außenpolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Bijan Djir-Sarai, muss auch die internationale Gemeinschaft ein Zeichen setzen. „Die offenkundige Wahlfälschung durch Lukaschenko und sein Regime muss international verurteilt werden.“