Marine Le Pen / Photo: DPA (dpa)
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Von Ulrike Koltermann (AFP)

„Es waren auch viele Kevins und Matteos dabei“, so erklärte der französische Innenminister Gérald Darmanin kürzlich das Profil der jungen Randalierer, die in Frankreich eine Woche lang Chaos angerichtet haben. Während die Regierung es vermeidet, einen Zusammenhang zwischen den Unruhen und der Einwanderung herzustellen, übertreffen sich die Rechtskonservativen mit fremdenfeindlicher Rhetorik und immer neuen Law-and-Order-Vorschlägen. Die Rechtspopulisten hingegen sind auffallend diskret: Sie sehen sich längst als ideologische Sieger.

„Man kann schon jetzt davon ausgehen, das die Partei Rassemblement National (RN) bei der nächsten Wahl davon profitieren wird“, sagt der Soziologe Sylvain Crépon. Die Partei von Marine Le Pen verfolge die Strategie: „Am Ende entscheiden sich die Wähler für das Original und nicht für die Kopie.“ Wann immer die Rechtskonservativen sich auf das Gelände der Rechtspopulisten begäben, profitierten letztere davon.

Eine aktuelle Umfrage belegt diese Einschätzung: Knapp ein Drittel der Franzosen zeigte sich darin überzeugt, dass Le Pen die Krise nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf den 17-jährigen Nahel besser in den Griff bekommen hätte als die aktuelle Regierung. Auf die Frage, welche Partei aus der Krise gestärkt hervorgehe, nannte jeder Zweite die RN. Le Pen habe sich mittlerweile in der öffentlichen Meinung als Garantin für Ordnung und Sicherheit etabliert, beobachtet der Politologe Bernard Sananès, Chef des Meinungsforschungsinstitut elabe.

„Wir sind die Einzigen, die sich nicht diskreditiert haben, da wir bislang nicht an der Regierung waren. Und wir sind die Einzigen, die bei dem Thema immer schon recht hatten“, behauptet ein führendes Parteimitglied, das nicht namentlich zitiert werden will.

Tatsächlich kamen die schärfsten Reaktionen zum Thema Unruhen und Einwanderung in den vergangenen Tagen vor allem von Republikanern. „Natürlich waren es größtenteils Franzosen, aber Franzosen auf dem Papier. In der zweiten und dritten Generation ist oft ein Rückfall zu den ethnischen Wurzeln zu beobachten“, behauptete der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im Senat, Bruno Retailleau - und löste damit heftige Kritik aus.

Der Parteichef der Sozialisten, Olivier Faure, beschrieb dies als ein „Populismus-Festival der schlimmsten Art“. Die RN schien sich eher zu ergötzen. „Sie verfallen in Extreme, um auf sich aufmerksam zu machen“, spottete der RN-Abgeordnete Alexandre Loubet.

Die nächste Wahl, die in Frankreich ansteht, ist die Europawahl im Juni 2024. Dann wird es bereits zehn Jahre her sein, dass die RN, die damals noch Front National hieß, mit knapp 25 Prozent erstmals zu Frankreichs stärkster Partei wurde. Seitdem hat die Partei sich bemüht, sich ein weniger radikales Image zu geben.

Le Pens Ergebnisse bei Präsidentschaftswahlen haben sich dabei stetig verbessert: 2012 lag sie bei knapp 18 Prozent, 2017 in der Stichwahl bei 34 Prozent und 2022 bei 41 Prozent. „Le Pen wird sicher wieder antreten“, sagt der Soziologe Crépon. Bis zum Wahlsieg fehlen ihr im Vergleich zum letzten Mal gerade Mal neun Prozentpunkte.

AFP