Georges Tron, seit 1995 Bürgermeister der französischen Gemeinde Draveil und ehemaliger Staatssekretär, sitzt seit Februar eine dreijährige Haftstrafe wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs ab. Dennoch führt er von seiner Zelle aus die administrativen Tätigkeiten seines Amtes ungehindert fort und sorgt damit für Empörung, wie „The Guardian“ am Freitag berichtete.
2011 hatten zwei Mitarbeiterrinnen dem Bürgermeister vorgeworfen, sie zusammen mit einer weiteren Angestellten zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben. Nach Bekanntwerden der Anschuldigungen musste Tron von seinem Amt als Staatssekretär für den öffentlichen Dienst unter dem damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy zurücktreten. Die Entscheidung eines Gerichts im Jahr 2018, dass entsprechende Beweise fehlten, wurde am 17. Februar dieses Jahres gekippt. Der Bürgermeister wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt, davon zwei Jahre auf Bewährung. Tron selbst lehnte die Vorwürfe ab und leitete einen Berufungsprozess ein.
Dass er trotz der Verurteilung wegen Sexualdelikten weiterhin von der Gefängniszelle aus seine Aufgaben wahrnehmen kann, sorgt für starke Kritik aus den Reihen der Opposition und von Frauenverbänden. So wurde noch am vergangenen Mittwoch ein Brief des inhaftierten Bürgermeisters zum Budget der Gemeinde im Gemeinderat verlesen. Auf offiziellen Dokumenten bezeichne er sich als „verhinderter Bürgermeister“.
Keine „moralische Autorität“ mehr
Laut Gabrielle Boeri-Charles, Mitglied der oppositionellen Gruppe „Demokratische, Ökologische und Soziale Transition“ in Draveil, hat Tron nicht mehr die „moralische Autorität“, die Gemeinde zu verwalten. Während der Gemeinderatssitzung sollen zudem laut „The Guardian“ mehrere Frauen auf der Straße gegen Tron protestiert und seinen Verzicht auf einen Rücktritt als einen „Skandal“ bezeichnet haben.
Die Weigerung der französischen Regierung, in die aktuelle Situation einzugreifen, hatte bereits vergangenen Monat für einen heftigen Schlagabtausch im Senat gesorgt. Auf die Forderung der sozialistischen Senatorin Laurence Rossignol nach einem Eingriff der Regierung antwortete der französische Justizminister Éric Dupond-Moretti, dass dies aufgrund des Berufungsverfahrens nicht möglich sei. Doch die Senatorin zeigte sich mit der Antwort nicht zufrieden und wies auf die Nähe zwischen dem inhaftierten Bürgermeister und Dupond-Moretti hin: Der Justizminister hatte Tron als dessen Anwalt im Vergewaltigungsfall verteidigt, als dieser 2018 zum ersten Mal vor Gericht gegangen war.