Mit weitreichenden Wirtschaftssanktionen erhöht die EU den Druck auf den Apparat des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko. Bei einem Treffen der Außenminister verständigten sich die 27 Mitgliedstaaten am Montag in Luxemburg darauf, die Kali- und Düngemittelindustrie der ehemaligen Sowjetrepublik sowie Mineralölunternehmen und den Finanzdienstleistungssektor des Landes ins Visier zu nehmen. Der Beschluss soll schon in den nächsten Tagen umgesetzt werden.
Maas will Nebenwirkungen für deutsche Energiewirtschaft in Kauf nehmen
„Wir wollen auf die Art und Weise einen Teil dazu beitragen, dass dieses Regime finanziell ausgetrocknet wird“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD). Er räumte ein, dass die Sanktionen unerwünschte Nebenwirkungen für die deutsche Wirtschaft mit sich brächten. „Wir werden auch im Energiebereich, wo es Verbindungen gibt, sicherlich betroffen sein.“ Dass viele Länder bereit seien, eigene Einbußen in Kauf zu nehmen, sei jedoch ein Zeichen dafür, dass man „sehr entschlossen“ sei.
Mit den Sanktionen reagiert die EU auf die anhaltenden Repressionen gegen die sogenannte Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition in Belarus (früher: Weißrussland) - wie die jüngste Festnahme des regierungskritischen nationalistischen Bloggers Roman Protassewitsch. Belarussische Behörden hatten dafür eine Passagiermaschine auf dem Weg zwischen den EU-Staaten Griechenland und Litauen zu einer Zwischenlandung in Minsk gezwungen.
Bereits am Montag in Kraft gesetzt werden sollte ein neues Sanktionspaket gegen direkte Unterstützer Lukaschenkos. Es sieht vor, gegen 78 Personen EU-Einreiseverbote zu verhängen und deren Vermögenswerte einzufrieren. Betroffen sollen zudem acht Entitäten sein, also zum Beispiel staatliche Stellen oder Unternehmen.
Weitreichende Sanktionen vom Finanzsektor bis zum Erdölexport
Von den geplanten Sanktionen gegen den belarussischen Finanzdienstleistungssektor werden nach Angaben aus EU-Kreisen unter anderem österreichische Banken betroffen sein. Die Auswirkungen auf den Energiebereich in Deutschland ergeben sich demnach daraus, dass Belarus viele Erdölprodukte nach Deutschland exportiert. Diese machten 2020 nach Angaben der belarussischen Botschaft in Berlin rund 37 Prozent der Ausfuhren des Landes in die Bundesrepublik aus. Zudem werden nach Angaben von Diplomaten die Tabakindustrie sowie Unternehmen, die zum Beispiel Waffen oder Überwachungstechnik anbieten, betroffen sein.
Befürchtungen, dass die Strafmaßnahmen Lukaschenko noch stärker in die Arme des russischen Präsidenten Wladimir Putin treiben könnten, wurden in Luxemburg zurückgewiesen. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis verwies darauf, dass Lukaschenko schon jetzt mit Putin so eng verbunden sei, dass man ihn gar nicht enger drängen könne. Ähnlich äußerte sich Landsbergis zufolge auch die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die zu einem Frühstück mit den EU-Ministern eingeladen war. Tichanowskaja hatte die EU zuvor schon immer wieder zu schärferen Strafmaßnahmen aufgefordert.
In Belarus gibt es seit der Präsidentenwahl am 9. August vergangenen Jahres Proteste gegen Lukaschenko, der sich nach der umstrittenen Abstimmung zum Wahlsieger erklären ließ. Im Umfeld der Proteste gab es bereits mehrere Tote, hunderte Verletzte und tausende Festnahmen. Menschenrechtler sprechen von Folter in den belarussischen Gefängnissen. Gegen Lukaschenko selbst und Dutzende seiner Unterstützer gibt es schon seit längerem Strafmaßnahmen.