Bundespräsident Steinmeier in Vietnam / Photo: DPA (dpa)
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Selbst für einen viel in der Welt herumkommenden Bundespräsidenten hat der Besuch in einem kommunistischen Land Seltenheitswert. Schließlich gibt es nur noch eine Handvoll davon. Eines dieser Länder besucht Frank-Walter Steinmeier an diesem Dienstag und Mittwoch: Vietnam. Es ist bereits die fünfte Reise nach Asien, die der Bundespräsident seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine vor fast genau zwei Jahren unternimmt.

Die verstärkte Hinwendung gen Asien und das Geschehen in der Ukraine haben viel miteinander zu tun. Denn nach der kriegsbedingten Abkehr von Russland positioniert sich Deutschland politisch und wirtschaftlich neu. Dazu kommt, dass auch die Beziehungen zu China mitsamt ihren wirtschaftlichen Abhängigkeiten heute viel kritischer als noch vor wenigen Jahren bewertet werden. Mehr Distanz zu China und mehr Kooperation mit dessen Nachbarn - also etwa Vietnam - könnte die Kurzformel lauten.

„Der Bundespräsident ist der Überzeugung, Deutschland ist ein vernetztes Land und muss es auch bleiben. Denn die Vernetzung ist die Grundlage unseres Erfolges, wirtschaftlich wie politisch“, heißt es dazu aus dem Bundespräsidialamt. Deshalb gehe es nun darum, alte Partnerschaften wiederzubeleben und neue aufzubauen. Im Fall Vietnam ist Ersteres der Fall. Beide Staaten sind bereits seit 2011 in einer „strategischen Partnerschaft“ miteinander verbunden.

Über die Jahre ist diese Partnerschaft allerdings etwas eingeschlafen. Als letztes deutsches Staatsoberhaupt war zum Beispiel Horst Köhler in Vietnam. Das war 2007 und der erste Staatsbesuch eines Bundespräsidenten in dem südostasiatischen Land überhaupt.

Bundespräsident Steinmeier in Vietnam (DPA)

Steinmeier setzt auf Wachstum im bilateralen Handel

Für Vietnam ist Deutschland heute der wichtigste Handelspartner in der EU. Umgekehrt ist Vietnam für Deutschland einer der wichtigsten Partner in der Gruppe der Asean-Staaten, der südostasiatischen Staatengemeinschaft. Das bilaterale Handelsvolumen von 18 Milliarden Euro (2022) ist allerdings relativ klein. Um dieses möglichst zu erhöhen, ist eine Wirtschaftsdelegation mit Steinmeier in die Hauptstadt Hanoi geflogen.

Und noch jemand begleitet ihn: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Denn die unter Fachkräftemangel leidende deutsche Wirtschaft hat ein Interesse daran, ausländische Arbeitskräfte zu gewinnen - was in einem Land mit einer so jungen Bevölkerung wie der Vietnams möglich scheint. Zumal das in diesem Fall auch nichts Neues wäre.

Vietnamesische Migranten in Deutschland

Seit 1980 kamen Vietnamesinnen und Vietnamesen als sogenannte Vertragsarbeiter in die DDR - das Gegenstück zu den Gastarbeitern in Westdeutschland. Als 1989 die Mauer fiel, lebten rund 60.000 von ihnen dort. In der Bundesrepublik fanden etwa 40.000 „Boat People“ Zuflucht. Diese Menschen waren nach dem Ende des Vietnam-Kriegs 1975 vor der Unterdrückung und Gewalt durch die neuen kommunistischen Herrscher in Booten über das Südchinesische Meer geflohen.

Laut Statistischem Bundesamt lebten 2022 rund 207.000 Menschen mit einem vietnamesischen Migrationshintergrund in Deutschland. Diese könnten eine Art Brückenkopf für weitere Landsleute sein, die nach Deutschland kommen wollen.

Bundespräsident Steinmeier in Vietnam (DPA)

Vietnam ist flächenmäßig fast so groß wie Deutschland, zählt mit gut 98 Millionen Einwohnern aber 15 Millionen mehr Menschen. Die Kommunistische Partei beansprucht die Führung von Staat und Gesellschaft für sich. Andere Parteien sind nicht zugelassen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass die Meinungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkt sei, das Recht auf Vereinigungsfreiheit untergraben werde und dass es zu willkürlichen Verhaftungen sowie zu Folter und Misshandlung von Inhaftierten komme. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ ist Vietnam auf Platz 178 von 180 gelistet.

Im Grunde kann Steinmeier bei diesen Fragen direkt an Köhler anknüpfen. Dieser hatte sich bei seinem Besuch 2007 kritisch zur Verurteilung von Oppositionellen geäußert und Vietnams Führung aufgerufen, mehr gesellschaftliche Vielfalt zuzulassen. Von Vietnam reist Steinmeier am Mittwochabend nach Thailand weiter.

TRT Deutsch und Agenturen