Coronavirus in China.  (dpa)
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In der Nacht von Montag auf Dienstag ist die Zahl der bestätigten Infektionen und Todesfälle durch das Coronavirus erneut sprunghaft gestiegen. Wie die chinesische Gesundheitsbehörde mitteilte, gab es bis Dienstag 20 438 bestätigte Erkrankungen - 3225 neue Fälle im Vergleich zum Vortrag. Die Zahl der Todesopfer stieg demnach um 64 auf 425. Es war erneut der bisher stärkste Anstieg der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus und der Todesfälle innerhalb eines Tages.

200 Infektionen in rund zwei Dutzend Ländern

In Hongkong gab es den zweiten Toten außerhalb Chinas Festland. Die Krankenhausbehörde der chinesischen Sonderverwaltungsregionen bestätigte den Tod eines 39-Jährigen. Wie die „South China Morning Post“ berichtete, hatte der Mann die schwer vom Virus betroffene Stadt Wuhan besucht. Zuvor war auch ein Patient auf den Philippinen gestorben. Weltweit sind rund 200 Infektionen in rund zwei Dutzend Ländern bestätigt.

In Deutschland sind bislang zwölf Fälle von Infizierten bekannt. Zehn stehen in Zusammenhang mit dem bayerischen Autozulieferer Webasto - darunter sind zwei Kinder eines Mitarbeiters. Bei Webasto war eine infizierte Kollegin aus China zu Gast gewesen, die ihre Erkrankung erst auf dem Rückflug bemerkt hatte. Außerdem war das Virus bei zwei Passagieren festgestellt worden, die am Wochenende mit einem Bundeswehrflugzeug aus Wuhan zurückgeholt wurden.

Länder wie die USA, Australien, Neuseeland oder Israel haben Einreisebeschränkungen für Chinesen oder Ausländer erlassen, die aus China kommen. Auch Taiwan will künftig keine Chinesen und Ausländer mehr ohne besondere Erlaubnis ins Land lassen, wenn sie in den 14 Tagen zuvor in der Volksrepublik waren. Reisende könnten aber Visa beantragen, solange sie nicht in der schwer betroffenen Provinz Hubei sowie in den Provinzen Guangdong und Zhejiang waren, die ebenfalls hohe Zahlen mit Infektionen haben.

Peking möchte Handelsverbot von Wildtieren durchsetzen

Auf dem Treffen des Politbüros in Peking forderte Chinas Präsident Xi Jinping „rasche und entschlossene“ Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Er rief zu einer „strikten Durchsetzung“ von Anordnungen und Verboten auf. Im Kampf gegen die Epidemie gehe es nicht nur um das Leben und die Gesundheit der Menschen, sondern auch um die wirtschaftliche und soziale Stabilität. Die Versorgung mit medizinischem Schutzmaterial müsse gesichert und die Infektions- und Sterblichkeitsrate gesenkt werden, wurde auf dem Parteitreffen weiter betont. Parteikomitees und Regierungen auf allen Ebenen wurden aufgerufen, die Epidemie unter Kontrolle zu bringen, aber auch „die Ziele der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung“ in diesem Jahr zu erreichen. Der Ausbruch sei ein „wichtiger Test für Chinas System und die Fähigkeit zur Regierungsführung“.

Bei dem Treffen wurde auch eine entschlossene Umsetzung des gerade erlassenen Verbots für den Handel mit wilden Tieren gefordert. Es müsse entschieden gegen illegale Märkte mit Wildtieren vorgegangen werden, so das Politbüro. Die Behörden vermuten, dass das neuartige Coronavirus von Wildtieren aus einem Markt in Wuhan ausgegangen war. Die ersten Infektionen traten bei Besuchern des Marktes auf.

Ein Ende der Epidemie ist noch nicht in Sicht. Chinesische Experten schätzen, dass der Ausbruch ihren Höhepunkt in 10 bis 14 Tagen erreichen könnte. Dafür müssten aber vorbeugende Maßnahmen verstärkt werden. An der neuen Lungenkrankheit sind in China mittlerweile mehr Menschen gestorben als an der Sars-Pandemie vor 17 Jahren. Bei der Sars-Pandemie (Schweres Akutes Atemwegssyndrom) 2002/2003 hatte es 349 Todesfälle in China gegeben. Hinzu kamen 299 Tote in Hongkong. Weltweit waren es 774 Tote.

Ausbreitung von Virus treibt wirtschaftliche Kosten in Höhe

Airlines fliegen nicht mehr nach China, die Bänder von VW und BMW in China stehen derzeit still, Apple schließt vorübergehend seine Geschäfte: Die Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen der neuartigen Lungenkrankheit wächst. „Mit der weiteren Ausbreitung des Coronavirus innerhalb Chinas und darüber hinaus in Asien werden auch die wirtschaftlichen Kosten zunehmen“, kommentierte DIW-Präsident Marcel Fratzscher laut der Nachrichtenagentur dpa am Dienstag. Zwar lassen sich die konjunkturellen Folgen nach Ansicht von Ökonomen derzeit nicht beziffern.

Nach Einschätzung des Ifo-Konjunkturexperten Timo Wollmershäuser dürften „die wirtschaftlichen Folgen stärker ausfallen als bei der Sars-Epedemie“. Sars habe China damals etwa ein Prozent Wachstum des Bruttoinlandsprodukts gekostet. In den deutschen Zahlen habe sich das praktisch nicht niedergeschlagen. „Seitdem ist die wirtschaftliche Bedeutung des Landes gewachsen, die Infektionszahlen sind höher und die chinesische Regierung reagiert härter.“

Das Virus trifft die chinesische Wirtschaft – wie auch die Weltwirtschaft insgesamt – ausgerechnet in einer Schwächephase. „Je länger der Ausnahmezustand – sprich: das Reiseverbot in China – anhält und je weiter sich das Virus ausbreitet, desto gravierender werden die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft sein“, analysieren Volkswirte der Commerzbank. Keine guten Perspektiven also für die exportorientierte deutsche Wirtschaft.

Produktionsstopps bedrohen internationale Lieferketten

„Sollten die Produktionsstopps in der chinesischen Industrie länger anhalten, wären auch die internationalen Lieferketten bedroht“, erläutert Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. „Die Bedeutung Chinas als Lieferant für die übrige Welt ist erheblich.“

Ein längerer Stillstand könnte vor allem Lieferketten in der Chemie, im Fahrzeugbau, in der Textilbranche und der Elektronik unterbrechen, warnen Ökonomen der Allianz. Hersteller auch in Deutschland bekämen benötigte Teile nicht mehr, sie müssten andere Lieferanten finden oder ihre Produktion herunterfahren.

Zugleich ist China ein wichtiger Exportmarkt für deutsche Produkte. Mittlerweile gehen der Commerzbank zufolge gut 7 Prozent der deutschen Ausfuhren in das Land - hauptsächlich Autos und Autoteile sowie Maschinen. Allein die deutschen Autobauer machen Fratzscher zufolge ein Drittel ihrer Gewinne in China. Umgekehrt importiert Deutschland insbesondere Datenverarbeitungsgeräte sowie elektrische Ausrüstungen.

TRT Deutsch und Agenturen