Zwei Tage nach der Katastrophe von Beirut sind 16 Hafenmitarbeiter der libanesischen Küstenstadt festgenommen worden. Das teilte der amtierende Militärrichter Fadi Akiki nach einem Bericht der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur NNA am Donnerstagabend mit. Mehr als 18 Menschen seien befragt worden, darunter Mitglieder des Hafenvorstands und der Zollverwaltung. Die Zahl der Toten stieg derweil laut Gesundheitsministerium auf 149. Regierungskritische Demonstranten stießen in der Nacht zum Freitag mit der Polizei zusammen.
Die Ermittlungen gingen weiter, hieß es. Ziel sei, „alle Fakten im Zusammenhang mit der Katastrophe zu klären“, teilte Akiki mit. Der Ort der Explosion - ein Industriegebiet am Hafen im Norden der libanesischen Hauptstadt - werde bis zum Abschluss der Ermittlungen geschlossen bleiben. Die Aufsicht hätten hier die libanesische Armee sowie die Informationsabteilung der Kräfte für innere Sicherheit.
Zuvor waren bereits mehrere Verantwortliche des Hafens unter Hausarrest gestellt worden. Sie sollen in den vergangenen Jahren für die Lagerung und Bewachung der großen Mengen Ammoniumnitrat zuständig gewesen seien, die bei dem Vorfall möglicherweise explodierten. Unklar blieb dabei, welche Vorwürfe ihnen gemacht werden oder ob ihnen ein ordentliches Gerichtsverfahren droht.
In Beirut hatte eine heftige Detonation große Teile des Hafens zerstört und ganze Straßen im Zentrum in Scherben und Trümmer gelegt. Bei der Spekulation um das Ammoniumnitrat richtet sich der Verdacht auf das unter moldauischer Flagge fahrende Frachtschiff „Rhosus“, das 2013 große Mengen der gefährlichen Substanz in den Hafen gebracht haben soll. Auch eine deutsche Diplomatin wurde getötet. Rund 300.000 Menschen haben durch die Explosion ihr Zuhause verloren. Davon sind dem UN-Kinderhilfswerk Unicef zufolge schätzungsweise 80.000 Kinder.
Bald nach der schweren Detonation am Dienstag hatte es Rufe nach einer umfassenden Untersuchung und Aufarbeitung des Vorfalls gegeben. Zugleich wurden Forderungen nach einer unabhängigen, internationalen Ermittlung lauter. Diesen schlossen sich vier frühere libanesische Ministerpräsidenten und der führende drusische Politiker Walid Dschumblatt an. Viele Libanesen haben das Vertrauen in die herrschende politische Klasse verloren.
Regierungskritische Demonstranten machten ihrem Unmut in der Nacht zum Freitag Luft. Mehrere Menschen wurden bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften verletzt, wie die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtete. Dutzende hätten versucht, die Absperrung zum Parlamentsgebäude in der libanesischen Hauptstadt zu durchbrechen. Die Demonstranten setzten dort Werbetafeln, Bretter und Müllhaufen in Brand und warfen mit Steinen auf Sicherheitskräfte. Diese setzten teilweise Tränengas ein.
Schwere Wirtschaftskrise
Im Libanon war es bereits seit Oktober zu Massenprotesten gekommen, die auch zum Rücktritt von Ministerpräsident Saad Hariri führten. Sie richteten sich gegen die Führung des Landes, der die Demonstranten Korruption und Verschwendung von Staatsgeld vorwerfen. Das kleine Mittelmeerland ist hoch verschuldet und steckt in seiner schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Die Proteste hatten das öffentliche Leben in der Hauptstadt teilweise lahmgelegt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte bei einem Besuch in Beirut eine baldige internationale Hilfskonferenz an. Dabei solle es um eine internationale Finanzierung für Medikamente, medizinische Behandlung oder Nahrungsmittel unter Verteilung durch UN und Weltbank gehen, sagte Macron. Europäer, Amerikaner und Länder der Region seien gefordert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel riefen zu einer verstärkten Unterstützung auf.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) will dem Libanon helfen, besteht im Gegenzug aber auf nötigen Wirtschaftsreformen. Alle Möglichkeiten der Hilfe würden geprüft, erklärte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa. Wegen einer Wirtschaftskrise war der Libanon schon vor der Explosion im Gespräch mit dem IWF für ein Rettungspaket, das vermutlich mehrere Milliarden Dollar umfassen würde. Die Verhandlungen dazu kamen bisher nur schleppend voran.
7 Aug. 2020
dpa
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