Die Bundesregierung darf einen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes weiter vor dem Amri-Untersuchungsausschuss des Bundestags geheimhalten. Grüne, Linke und FDP würden den Mann gern befragen und hatten deshalb in Karlsruhe geklagt – ohne Erfolg, wie das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch mitteilte. (Az. 2 BvE 4/18)
Die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats kamen mehrheitlich zu der Auffassung, dass in diesem besonderen Fall das parlamentarische Aufklärungsinteresse hinter dem Staatswohl zurücktreten müsse. Der Bruch der Vertraulichkeit könne der Arbeit der Nachrichtendienste im religiös-motivierten Extremisten-Milieu insgesamt schaden. Einzig der Richter Peter Müller, der eine abweichende Meinung verfasste, hätte die Vernehmung des Geheimdienstmitarbeiters im Ausschuss befürwortet.
Der unbekannte V-Mann-Führer hatte den Kontakt zu einer Quelle in der Berliner Fussilet-Moschee gehalten, wo auch Anis Amri verkehrte. Der Extremist hatte am 19. Dezember 2016 in Berlin einen Lastwagen in seine Gewalt gebracht und war damit auf einen Weihnachtsmarkt gerast. Dabei wurden elf Menschen getötet und viele verletzt, außerdem hatte Amri den Lastwagenfahrer erschossen. Er selbst wurde wenige Tage später auf seiner Flucht in Italien von der Polizei erschossen.
Der abgelehnte Asylbewerber aus Tunesien war den Behörden schon vorher als extremistischer Gefährder aufgefallen. Der Ausschuss soll aufklären, wie es trotzdem zu dem Anschlag kommen konnte. Dabei geht es auch um die Frage, welche Bedeutung Amri und dessen Bekannte als Informationsquellen für die Sicherheitsbehörden hatten.
Innenministerium verweigerte Nennung des V-Mann-Führers
Das Innenministerium hatte die Nennung des V-Mann-Führers verweigert, weil dieser in eine laufende Operation eingebunden sei. Das Risiko einer Enttarnung sei zu groß, für Mitarbeiter und Quelle. Außerdem bestehe die Gefahr, dass die Quelle die Zusammenarbeit abbreche.
Das überzeugte die anderen Verfassungsrichter. Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste sei zwar von hervorragender Bedeutung. Und eine Vertraulichkeitszusage allein stehe einer Vernehmung in einem Untersuchungsausschuss auch nicht entgegen.
„Gründe des Staatswohls“ könnten eine Verweigerung aber „im Einzelfall zwingend erfordern“, heißt es in dem Beschluss. Das religiös-motivierte Terror-Milieu sei stark abgeschottet und gewaltbereit. „Der Verräter wird zum Ungläubigen, zum Feind, der mit allen Mitteln zu bekämpfen ist.“ Die Bundesregierung habe nachvollziehbar dargelegt, dass auch andere Quellen ihre Zusammenarbeit beenden könnten. Gleichzeitig seien neue Quellen in diesem extremistischen Milieu nur schwer zu gewinnen. Bei der Entscheidung spielte auch eine Rolle, dass das Ministerium dem Ausschuss ersatzweise zwei Vorgesetzte des V-Mann-Führers genannt hatte.
Oppositions-Obleute bedauerten Entscheidung
Die Oppositions-Obleute im Ausschuss bedauerten die Entscheidung. Die Bundesregierung wäre „dem Parlament und der Öffentlichkeit und vor allem den Opfern Antworten schuldig gewesen“, sagte Martina Renner (Linke). Irene Mihalic von den Grünen bedauerte, dass „möglicherweise valide Aussagen zum Umfeld (...) nun in der Gesamtbetrachtung fehlen“. Benjamin Strasser (FDP) forderte: „Wir müssen als Bundestag die Möglichkeit erhalten, dem Verfassungsschutz bei der Führung von Vertrauenspersonen besser auf die Finger schauen zu können.“
Der Ausschuss, der 2018 seine Arbeit aufgenommen hatte, befindet sich inzwischen auf der Zielgeraden. Die öffentliche Beweisaufnahme ist beendet. Nun soll der Abschlussbericht entstehen.