„Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Weimar stellen sich der historischen Verantwortung und betrachten menschenfeindliche Entwicklungen der Gegenwart mit großer Sorge.“ Sehr fein, würde man sagen, und natürlich eine fantastische Idee und so zitiert aus der Präambel der Satzung zur Vergabe des Menschenrechtspreises der Stadt Weimar in der gültigen Fassung vom 1. September 2015.
Und es kommt noch besser: „Die Stadt Weimar beehrt sich eingedenk ihrer besonderen geschichtlichen Verantwortung und als Zeichen für all die namenlosen Opfer von Diktaturen und anderer Willkürherrschaften in der Welt deshalb einen Menschenrechtspreis zu verleihen.“
Eine noble Geste, könnte man meinen. Wäre da nicht etwas Schockierendes vorgefallen letzten Freitag in dieser schönen, historisch so bedeutsamen Stadt im Osten Deutschlands: Eine Person, die es seit vielen Jahren versäumt, der auch hierzulande verbotenen Terrorclique PKK abzuschwören, wird als Menschenfreund hofiert und auch noch mit einem Preis ausgezeichnet.
An Absurdität nicht mehr zu überbieten, abgesehen von gerade eben vereidigter Kultur-Ministerin Claudia Roth, die eigens angereist war und die Person, um die es geht, den türkischen Politiker Selahattin Demirtaş, als ihren Freund bezeichnete (TRT Deutsch berichtete). Wir erinnern uns nur zu genau an ihre Türkei-beleidigenden Kommentare zum demokratisch etablierten Präsidialsystem in der Türkei, das sie als „Erdoğans Putsch von oben“ titulierte (Die Welt, 17. April 2017). Es war zu erwarten, dass Roth sowie mit Sicherheit in Kürze ein weiterer Ablehner einer modernen, erfolgreichen, demokratischen Türkei – Landwirtschaftsminister Cem Özdemir – ihre verbalen Türkei-feindlichen Entgleisungen fortsetzen, doch kaum jemand nimmt sie in der Türkei noch ernst.
Das Problem liegt auch nicht in der Türkei, sondern genau in Weimar und damit in ganz Deutschland. Wieder einmal wird mittels Unterstützung von Demirtaş durch die Hintertür versucht, die Terrorbande PKK salonfähig zu machen. Und genau dies ist der Kern dieser kurzen Analyse.
Praktikant oder Praktikantin verantwortlich?
Das wäre allzu schön, und man hätte sozusagen eine Verantwortliche/einen Verantwortlichen ohne Verantwortung ausgemacht, Ankara könnte eine Protestnote beim Bürgermeister einreichen und dann doch wieder zur Tagesordnung übergehen. Der Weimarer Menschenrechtspreis ist allerdings Chefsache. Recherche in den Gegebenheiten vor Ort ergab, dass zwar als städtische Organisationseinheit das Büro der Ausländerbeauftragten agiert, der Bürgermeister aber die höhere Zuständigkeit besitzt. Also kein Willkür- oder gar Zufallsakt, sondern minutiös geplant.
Jemand, der Verantwortung für die Verleihung eines so bedeutsamen Preises hat, wird eher Monate denn Wochen mit der akribischen Vorbereitung der Preisverleihungszeremonie betraut sein.
Also wie ist es dann möglich, dass ein Kandidat auserkoren wird, der, wie wir gleich sehen werden, mit der Verteidigung von Menschenrechten nichts, aber auch gar nichts am Hut hat?
Demirtaş – der sprichwörtliche Wolf im politischen Schafspelz?
Bitte verstehen Sie diesen Beitrag nicht falsch – es geht nicht um einseitige Denunzierung eines Politikers oder Menschen. Es geht lediglich um die Fakten und deren Bestätigung, da Originalwortlaut des Betroffenen.
In diesem Zusammenhang kommen einem fast die Tränen, so rührend wird Selahattin Demirtaş in den Medien, die über die Preisverleihung berichteten, beschrieben. Man findet darunter zum Beispiel die eigentlich hoch renommierte Die Zeit oder liest die Pressemitteilungen der Stadtverwaltung. Die Deutsche Presseagentur fasst die Geschehnisse ebenso fehlgeleitet zusammen. Die Leserschaft erfährt und ist hoch erstaunt, dass die Gesellschaft für bedrohte Völker den Preisträger nominierte; sogleich lesen wir, der 48-jährige Familienvater sitze seit 2016 unschuldig in Haft. Familienvater, unschuldig, verhaftet, und natürlich in der Türkei, wo denn sonst? Allerdings wird dezent verschwiegen, warum!
Wohl wie zu erwarten, wird sodann der Anti-Türkei-Boulevard bemüht: „Menschenrechtspreis für Erdoğan-Kritiker Demirtaş“, liest man. Es wird suggeriert, Erdoğan-Gegner zu sein, sei eine gute Sache, man rückt anscheinend näher an den Friedensnobelpreis; ein Weimarer Menschenrechtspreis kann da vielleicht „the missing link“ im Lebenslauf werden … Das ZackZack Nachrichten (oder eher Polemik?) Portal fasst es dann wie folgt zusammen: „Beispielhaft für Verfolgung unter Erdoğan.“
Auf nach Amerika
Originalwortlaut; zuerst schauen wir also über den Nordatlantik, eine Destination, die schon immer von größtem (Geldwäscher-) Interesse für PKK-Sympathisanten war.
Wie der Verfasser dieser Zeilen bereits mehrmals kommentierte – aber es ist einfach unumgänglich, es noch einmal ganz deutlich hervorzuheben –, geht es um einen Besuch von Demirtaş im April 2012. Das weltweit bekannte Brookings Institute lud ein zu „A Conversation with Turkey’s Kurdish Leadership“. Allein der Titel der Veranstaltung hätte genug Grund sein müssen, genauer hinzuschauen oder besser gesagt hinzuhören. Im Demirtaş-Wortlaut (Übersetzung/Originalquelle Daily Sabah Tageszeitung): „Wir sehen die PKK nicht als Terrororganisation, es ist eine bewaffnete Bürgergruppe.“
Und: Wo und an welchem Tag und an welchem Ort wurde „ein kurdisches Führungsteam im Namen der Türkei“ eingerichtet? Oder sprach er indirekt über einen Zukunftswunsch, da bald danach die neue HDP-Partei einen kurdischen Staat auf türkischem Boden erzwingen wollte? Und: Wer entschied über den Titel der Veranstaltung, Gastgeber oder Gastredner?
„Alle von 7 bis 70 auf die Straße“
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in der Türkei und das Ermittlungsverfahren, welche letztendlich zu seiner Verhaftung führten, richteten sich jedoch nicht gegen den Vortrag in Amerika.
Denn es war noch schlimmer gekommen. Demirtaş wurde nun vor allem die Anstachelung zu bewaffneten Proteste vorgeworfen. Tatort? Am 6. Oktober 2014 und in seiner damaligen Rolle als Co-Vorsitzender der Demokratischen Partei der Völker HDP rief Demirtaş alle Menschen im Alter zwischen sieben und siebzig Jahren dazu auf, zu demonstrieren.
Kurz zuvor aus Kobane/Ayn el-Arab zurückgekehrt, wo seine Entourage laut Augenzeugenbericht drei führende Mitglieder der verbotenen Terrorgruppe PKK traf, versuchte Demirtaş, Werbung für den syrischen PKK-Ableger YPG, die selbsternannten Volksschutzeinheiten, zu bewirken.
Doch die PKK hoffte, die Unruhen würden ihrem Ziel eines freien Kurdistans auf türkischem Boden doch noch zum Erfolg verhelfen. Wurde er also nur benutzt? Mit Sicherheit nicht, er wusste ganz genau, was seine Worte bewirken würden, eiskaltes Kalkül; im Nachhinein eiskaltes, von anderen kriminellen Elementen umgesetztes, mörderisches Kalkül. Aber Anstifter zu Gewalt sind genau wie Umsetzer juristisch betrachtet verantwortlich!
Während der Unruhen mussten 39 Menschen ihr Leben lassen; der Sachschaden war immens.
Mütter gegen Demirtaş, HDP
PKK als bewaffnete Bürgergruppe, zu Gewalt und damit indirekt zu Mord aufrufen, die eigene Partei als Menschenhandelsclan zu etablieren … starker Tobak, sagt man im hanseatischen Raum. In welcher Demokratie dieser Welt würden die Justizbehörden nicht einschreiten? Warum sollten die stolzen und freiheitsliebenden türkischen Bürgerinnen und Bürger nicht das Recht haben, ihr Land gegen verbale und direkte Angriffe zu verteidigen?
Und obwohl herzzerreißend, aber wohl menschlich bewertet am schwerwiegendsten sind die bestätigten Anschuldigungen, dass die HDP Kinder und Jugendliche an die PKK vermittelt. Ist das vielleicht eine vorschnelle Behauptung? Wer so etwas sagt, sollte sich auf den Weg in den Südosten der Türkei machen, wo seit langer Zeit Mütter von entführten Jugendlichen Mahnwachen halten.
Kein einziges Wort von Demirtaş dazu, keine Verurteilung seiner sogenannten Parteifreunde … stille Mitwisserschaft oder vormals aktive Mithilfe? Es gibt keine besseren Beweise – diese Formulierung mit aller Hochachtung für die anklagenden Eltern geschrieben – als die Mütter, die ihre Kinder aus den Bergen, wohin sie die PKK gelockt hatte, zurückfordern.
Weimar kann es besser, viel besser
Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Weimar sind nicht verantwortlich, die Behörden und das Vorbereitungskomitee sind verantwortlich. Die Wählerinnen und Wähler sollten aber das Thema politische Qualitätskontrolle in die Praxis umsetzen und eine öffentliche Anfrage an den Bürgermeister stellen, wie so ein sensationeller „Fauxpas“ jemals möglich werden konnte.
Weimar hat einen ebenso geschichtsträchtigen wie in die Zukunft schauenden Ruf. Die türkische Community hier und in ganz Deutschland derart zu behandeln, passt nicht mit dem Bild einer weltoffenen, modernen Stadt Weimar zusammen. Weimar kann es besser, viel besser.