Am 11.-12. Dezember fand in Istanbul der Stratcom Summit ’21 statt. An dem internationalen Gipfeltreffen zur strategischen Kommunikation nahmen u. a. Vertreter der UN und der Nato teil. Rund 3000 Personen aus über 30 Ländern kamen zusammen. (AA)
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Informationen, die fast ausnahmslos in allen Epochen der Geschichte als Interventionsinstrument eingesetzt wurden, haben heutzutage einen noch bedeutenderen Stellenwert erlangt. Innovationen im Bereich der Internet- und Cybertechnologien bringen, wie Andreas Hepp treffend feststellte, einen Lifestyle der „tiefen Mediatisierung“ (deep mediatization) mit sich. Dieser dramatische Wandel, der unsere täglichen Lebensgewohnheiten und politischen Präferenzen prägt, hat den Bedarf nach Informationen erhöht. Zudem haben Smartphones, Smartwatches, Technologien der künstlichen Intelligenz und algorithmische Systeme die Nachfrage nach Informationen gesteigert. Die zunehmende Digitalisierung der Medien und das Aufkommen an riesigen Datenmengen durch softwarebasierte Algorithmen ziehen naturgemäß auch die Aufmerksamkeit von Privatpersonen und insbesondere Staaten auf sich.

Diese aktuell als Informationskriege bezeichnete und als unmittelbare Folge hybrider Kriegskonzepte verursachte Situation stellt für Staaten einen der wichtigsten Risikofaktoren dar. Dieses hybride Kriegsmodell, das die westliche Welt in erster Linie an Russland und China festmacht, aber in Wahrheit die ganze Welt betrifft, eröffnet Diskussionen zu neuen Sicherheitskonzepten, um die Risiken für Staaten in diesem Bereich zu minimieren. Neben sicherheitspolitischen Vorkehrungen legen Staaten besonderen Wert auf die Sensibilisierung ihrer Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich der drohenden Risiken. In der Tat unterstreichen die Erweiterung nationaler Sicherheitskonzepte im Bereich Cybersicherheit und die Intensivierung öffentlicher Aufklärungskampagnen diese Bestrebungen.

Die Türkei – Vorreiter eines neuen Bewusstseins in der Cybersicherheit

Die Republik Türkei hat zur Bekämpfung von Bedrohungen in den Bereichen Cybersicherheit und digitale Medien in den letzten Jahren wichtige Schritte unternommen. Dazu zählen die Integration der Cybersicherheit in die nationale Sicherheitsarchitektur und die Veröffentlichung von Strategiepapieren zur Zukunft dieser Thematik für die breite Öffentlichkeit. Auch die Direktion für Kommunikation, die mit dem neuen Präsidialsystem eingerichtet wurde, verantwortet diesbezüglich wichtige Aktivitäten. Sie ist sich der Risiken, die der Türkei im Bereich Informationen sowohl im Inland als auch innerhalb des internationalen Systems drohen könnten, bewusst und ergreift wichtige Maßnahmen zur Eindämmung von Desinformationen, womit eine wichtige Lücke in diesem Bereich geschlossen wird. Regionale Veranstaltungen wie etwa das Medienforum der türkischen Staatenorganisation oder internationale Formate wie das Strategic Communication Summit/STRATCOM, die von der Direktion organisiert wurden, demonstrieren eindrucksvoll die Kapazität und Möglichkeiten der Türkei in diesem Bereich und ermöglichen darüber hinaus einen internationalen Informations- und Erfahrungsaustausch.

Der STRATCOM-Gipfel

Die Direktion für Kommunikation der Republik Türkei leistete mit dem vom 11.-12. Dezember organisierten Strategic Communication Summit mit einer Reihe von Podiumsdiskussionen, an denen namhafte Wissenschaftler und Branchenexperten teilnahmen, einen wichtigen Beitrag, um die Bedeutung von Informationskriegen und strategischer Kommunikation herauszustellen. Die Teilnehmer präsentierten wichtige Analysen zu den in Medien und hier insbesondere in sozialen Netzwerken tobenden Informationskriegen. Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun stellte in seiner Eröffnungsrede des Gipfels fest, es gebe aufgrund von asymmetrischen Machtverhältnissen ohnehin schon eine weltweite Systemkrise, die erhebliche Probleme verursache, die vom Gebaren der Social-Media-Konzerne noch vertieft worden seien. Die drohende Hegemonie durch Social-Media-Konzerne, die zu einer bedrohlichen Macht ausgewachsen sind, machen es nahezu unmöglich, diese zu kontrollieren, und dies wiederum kommt einer ernsthaften Bedrohung für Demokratien gleich.

Darüber hinaus verschärfen die Bemühungen einiger Staaten, ihre Interessen durch den Einsatz dieser Instrumente als Kontroll- und Überwachungsmechanismus zu wahren, die Krise in diesem Bereich weiter. Die Existenz einer „Cyberanarchie“ im internationalen System und die Informationskriege, die von Staaten und halbstaatlichen Gruppen vom Zaun gebrochen werden, um sich diese Anarchie zunutze zu machen, verschärfen den Ton in der politischen Agenda. Neben Informationskriegen werden in diesem Zusammenhang auch Themen wie Radikalisierung, Terrororganisationen, rechtsextremer und migrationsfeindlicher Populismus diskutiert. Dabei sind Social-Media-Plattformen, die von ihren bescheidenen Anfängen bis heute eine rasante Entwicklung zurückgelegt haben und nun in anderen Dimensionen unterwegs sind, auch unmittelbar für die aktuelle Rezession demokratischer Systeme verantwortlich.

Reform des globalen Systems

Angesichts all dieser Krisen bedarf es einer besser organisierten Kommunikation und eines Aufbaus von Institutionen, die den Informationsfluss auf globaler Ebene regulieren. In dieser Zeit, in der über die Notwendigkeit einer Reform der Vereinten Nationen und der internationalen Institutionen diskutiert wird, wird es von großer Bedeutung sein, diese Debatten auf die Cybersicherheit und die Regulierung der weltweit agierenden Social-Media-Konzerne auszuweiten. Andernfalls wird das bestehende asymmetrische Informationssystem auf der Welt, das die Macht in den Händen weniger Oligopole vereinigt, in naher Zukunft weitere Krisen hervorrufen. In seiner Rede auf der Veranstaltung sagte Alex Stuart Aiken, Direktor des britischen Kommunikationsdepartments, mit Bezug auf die im digitalen Bereich gesammelten großen Datenmengen, der Kampf gegen Desinformation werde in Zukunft einer der größten Risikobereiche sein. Neue Medienplattformen, die meist mit einem negativen Stigma behaftet sind, und die drohenden Risiken, wenn Social-Media-Konzerne keiner Regulierung unterworfen werden, haben das Potenzial, gesellschaftspolitische Krisen auszulösen, deren Folgen über Jahrzehnte hinweg nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

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