28.05.2021, Südafrika, Pretoria: Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, in Südafrika. (dpa)
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Macron und Le Pen konnten bei den Wahlen in Frankreich im ersten Wahlgang am 10. April unter den 12 Kandidaten jeweils die meisten Stimmen auf sich vereinen und standen sich beim zweiten Wahlgang am 24. April nach 2017 erneut gegenüber. Während Emmanuel Macron im ersten Wahlgang nur 27,8 Prozent der Stimmen erhielt, konnte er im zweiten Wahlgang seinen Stimmenanteil auf 58,5 Prozent steigern und wurde damit als französischer Präsident wiedergewählt. Macrons Rivalin Le Pen erhielt im ersten Wahlgang 23 % der Stimmen und steigerte sich im zweiten Wahlgang auf 41,4 %. Vergleicht man diese Ergebnisse mit den Endergebnissen der Präsidentschaftswahlen 2017, zeigt sich, dass die rechtsextreme Kandidatin Le Pen ihren Stimmenanteil von 33,9 Prozent auf 41,4 Prozent steigern konnte, was einem Zuwachs von etwa 8 Prozent entspricht. Dahingegen gingen die Stimmen des wiedergewählten Präsidenten Macron im Vergleich zu den Wahlen 2017 um 8 Prozent zurück. Wie können dieser Zuwachs bei Le Pen bzw. die Stimmenverluste von Macron, der als Befürworter europäischer Werte gilt sowie für eine politische Vertiefung der Europäischen Union und für die Entwicklung einer strategischen Autonomie selbiger eintritt, aus der Perspektive der europäischen Sicherheitsarchitektur interpretiert werden?

Rechtsruck in der europäischen Politik

Es ist seit langem bekannt, dass rechtsextreme Bewegungen in der Gesellschaft sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene in ganz Europa präsent und politische Parteien, die rechtsextreme Diskurse vertreten, auf dem Vormarsch sind. Als Folge ist zu beobachten, dass Fremden- und Migrantenfeindlichkeit sowie islamfeindliche Angriffe bzw. politisch motivierte Verbrechen im täglichen Leben in ganz Europa weiter zunehmen. Obwohl teilweise behauptet wird, der Aufstieg der extremen Rechten in Europa sei im Vergleich zu den Vorjahren ins Stagnieren geraten oder ginge gar wieder zurück, zeigt der Stimmenrückgang von Macron, der bei den französischen Wahlen als Vertreter einer liberaleren Position angetreten war, sowie der gravierende Stimmenzuwachs von Le Pen, dass diese Annahme nicht richtig ist und insbesondere auf nationaler Ebene die Politik von den Diskursen extrem rechter Parteien geprägt wird. Selbst die Akteure der politischen Mitte versuchen potenzielle Wähler rechtsextremer Parteien durch die Adaptation ihrer Diskurse für sich zu gewinnen. Allerdings führt dieser Ansatz dazu, dass sich das gesamte politische System immer weiter nach rechts verschiebt. In diesem Sinne sind die Ergebnisse der französischen Präsidentschaftswahlen von großer Bedeutung, auch um zu zeigen, wie sich eine Politik, die den Nationalstaat in den Vordergrund stellt und Politik gegen Ausländer bzw. Flüchtlinge betreibt, in ganz Europa ausgebreitet hat.

Auswirkungen auf den EU-Vertiefungsprozess

Der Rückgang der Unterstützung für Macron und der deutliche Anstieg der Stimmen der rechtsextremen Kandidatin Le Pen können tatsächlich als Abbild des Rechtsrucks in den Diskursen der Politiker in ganz Europa und der gesellschaftlichen Reaktion auf die betriebene Außenpolitik gesehen werden. Aus diesem Grund galten die Wahlen als Schicksalswahlen für ganz Europa, da sie auch die Richtung der zukünftigen politischen Entscheidungen Frankreichs, einem bedeutenden Land in der europäischen Sicherheitsarchitektur, vorgeben würden. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass Le Pen, die vorschlug, den militärischen Flügel der NATO zu verlassen, sich Russland anzunähern und dabei ernsthafte Kritik an der EU äußerte, insbesondere in Brüssel für ernsthafte Besorgnis sorgte. Obwohl die Wiederwahl von Macron zum Präsidenten Frankreichs diese Bedenken in Brüssel zerstreut hat, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass angesichts der großen Unterstützung für Le Pen in der französischen Gesellschaft ihre politischen Ideen nicht einfach verschwinden werden. Auch unterstreichen die französischen Wahlergebnisse, dass mit dem Aufstieg der extremen Rechten in ganz Europa der europäische Integrationsprozess hin zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ und der Entwicklung einer kollektiven Sicherheitspolitik unter Beteiligung aller EU-Staaten immer fragiler wird. Folgerichtig ist zu konstatieren, dass der politische Vertiefungsprozess in der EU durch die wachsenden Erfolge rechtsextremer Strömungen sogar in einen Desintegrationsprozess umgekehrt werden könnte.

Die deutsch-französische Konkurrenz in der EU

Eine weitere Auswirkung der Wahlergebnisse in Frankreich auf die europäische Sicherheitsarchitektur hängt mit der Position Frankreichs in der EU zusammen. Macron äußerte sich bekanntlich kritisch zur aus seiner Sicht „hirntoten“ NATO und befürwortete eine strategische Autonomie für Europa, die ein von den transatlantischen Beziehungen unabhängiges außenpolitisches Verständnis beinhalten sollte. Als Ausdruck für diese strategische Suche nach Autonomie forderte Macron die Errichtung einer „Europäischen Armee“, aber dieses Projekt wurde von den EU-Staaten noch immer nicht in Angriff genommen.

Hinter Macrons Betonung einer strategischen Autonomie für Europa scheint sein Ziel zu stecken, zur Führungsfigur aufzusteigen, die den jetzt wieder drohenden Zerfallsprozess innerhalb der EU stoppt. Mit dem Abgang der charismatischen Bundeskanzlerin Merkel, mit der sich Macron in Konkurrenz wähnte, und seiner Wiederwahl als Präsident kann er nunmehr konkrete Schritte in Richtung dieses Ziels angehen. Daher ist zu erwarten, dass Macron seine Projekte für die Verwirklichung einer von den USA unabhängigen europäischen Sicherheitsarchitektur wieder auf die Tagesordnung bringen wird. Dabei wird die Herangehensweise des neu gewählten SPD-Bundeskanzlers Olaf Scholz in Bezug auf die Probleme der EU, seine Sicht auf die transatlantischen Beziehungen und sein Verhältnis zu Macron bestimmen, wie die europäische Sicherheitsarchitektur in Zukunft ausgestaltet wird.

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