Wladimir Putin und Emmanuel Macron. (AFP)
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Als Wirtschaftsminister wirkte der Investmentbanker Macron im Kabinett von François Hollande, er war Sozialist und Parteimitglied. Dann gründete er seine eigene Bewegung und veränderte die Machtverhältnisse in Frankreich im Frühjahr 2017 grundlegend. „En Marche“ (auf dem Weg/In Bewegung) nannte sich das neue Sammelbecken einer undefinierbaren liberalen Mitte, die oft politisch Unerfahrene ins Parlament brachte. EM lautete die Abkürzung, zufälligerweise die Initialen des Präsidentschaftskandidaten. Daraus wurde offiziell die „République En Marche“. Mit knapp 39 Jahren wollte Macron frischen Wind in die verkrusteten Strukturen bringen. Die Ära von Sarkozy mit all den Skandalen und die des glücklosen Hollande sollten einer neuen Epoche Macron Platz machen. Seine freien, meist überlangen Reden mit literarischen Referenzen sind legendär, oft voller Wiederholungen, doch es bleibt beim „beau discours“, also der schönen Rede. Seine vielen Ideen für die Weiterentwicklung der EU wurden von keinem EU-Kollegen aufgegriffen.

Alle Macht beim Präsidenten

Verfassungsrechtlich verfügt der französische Staatspräsident über viel weitreichendere Kompetenzen als der US-Präsident, der vor allem außenpolitisch vom Kongress kontrolliert und oft gebremst wird. Die Fünfte Republik, die der Berufsoffizier und Chef des französischen Widerstands im Zweiten Weltkrieg Charles de Gaulle 1958 begründete, schuf gewissermaßen eine „republikanische Monarchie“, denn die Kompetenzen des Präsidenten sind bemerkenswert. Der Premierminister muss den Kopf hinhalten, wenn etwas schiefgeht. Der Élysée-Palast steht über allem. Bis auf gewisse Ausnahmen verstanden auch die meisten Präsidenten seit dem Übervater De Gaulle mit starker Aura das Amt zu erfüllen. War der satirische Beiname von François Mitterrand „Dieu“, also Gott, so wird der Tausendsassa Macron als „Jupiter“ bezeichnet. Das Erbe des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. hat sich allen Revolutionen zum Trotz ins 21. Jahrhundert gerettet.

Als sehr frankophiler Mensch, der in Paris einst auf Einladung der französischen Regierung an der École Nationale d’Administration ENA studieren durfte, habe ich mich oft genug in meinem beruflichen Alltag in Paris über das politische System gewundert. Ich durfte aber das meritokratische, also auf Können, nicht Kennen aufgebaute Auswahlverfahren erleben. In Frankreich zählt das Leistungsprinzip in der Verwaltung, und sie funktioniert um einiges besser als in anderen EU-Staaten. Eben diese ENA löste Macron, selbst Absolvent, vor einigen Tagen aus nicht nachvollziehbaren Gründen auf. Bei diesem Schlag gegen eine vermeintliche Elite handelt es sich um eine seiner wenigen Konzessionen an die „Gelbwesten“, die im Herbst 2018 mit ihren landesweiten Protesten die Präsidentschaft Macrons erschütterten.

Die stille Supermacht Frankreich

Dass Außenpolitik oft attraktiver ist als der schnöde innenpolitische Alltag, der Generalstreiks und nun die Lösung der Pandemie bedeutet, ist nichts Neues. Für einen französischen Staatspräsidenten gilt dies umso mehr, als sich im Namen der Nation wie auch der Frankophonie, die eine große Rolle in der Außenpolitik spielt, allerhand gestalten lässt. Frankreich hat einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der UNO, ist Nuklearmacht und verfügt mit seinen international agierenden Konzernen über so manchen Hebel. Die goldenen Jahre der Technologieführerschaft im Telekombereich und bei Hochgeschwindigkeitszügen musste Paris indes an China abtreten, aber Frankreich tritt militärisch auf dem afrikanischen Kontinent auf, so wie die koloniale Vergangenheit auch in Südasien bedient wird, um eine Sonderrolle zu beanspruchen.

Post-Brexit und geopolitische Umbruchszeit

Dass Frankreich mit dem EU-Austritt der Briten all diese Aspekte für sich als logische Führungsmacht beanspruchen würde, ist bereits lange klar. Außenpolitisch tut sich Deutschland seit jeher schwer, während Paris selbige voller Selbstbewusstsein vorspielt. In all dem schwingt das Vermächtnis von De Gaulle mit, auch wenn es um das Verhältnis zu Moskau geht. Dem General schwebte einst eine eurasische Allianz als Alternative zum transatlantischen Bündnis vor. Demnach sollte eine trilaterale Zusammenarbeit zwischen Frankreich (Technologie), Deutschland (Kapital) und Russland (Rohstoffe) den USA die Stirn bieten. De Gaulle hielt von der NATO wenig. Macron bezeichnete selbige vor zwei Jahren als „hirntot“. Die Idee einer europäischen Armee begeistert wiederum die Deutschen wenig.

Die bilateralen Beziehungen zwischen Paris und Moskau sind ungezwungen. Die Megalomanie eines Napoleons liegt lange zurück. In Lew Tolstois Epos „Krieg und Frieden“ haben französische Kultur und Sprache russische Seelenverwandte. Der Große Vaterländische Krieg, wie in Russland der Zweite Weltkrieg heißt, die Gräuel der Wehrmacht und die Leningrader Blockade wirken ins kollektive russische Gedächtnis nach.

Mit und nicht gegen Moskau

Wie sehr Macron eine Partnerschaft mit Moskau befürwortet, zeigte sich in seiner Rede für das Diplomatische Corps im August 2019. Angesichts des aktuellen Säbelrasselns rund um die Ukraine wirft Kiew wiederum Paris vor, „prorussisch“ zu sein. Dabei führt Macron nur etwas fort, was De Gaulle während des Kalten Krieges schon klar sagte: Europa geht nur mit und nicht gegen Russland. Übrigens verwehrte sich der alte Staatsmann stets gegen den Begriff UdSSR, er sprach stets nur von „La Russie“. Der Gaullismus beherrscht weiterhin das außenpolitische Selbstverständnis Frankreichs. Macron wird ebenso gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine sein, wie Sarkozy dies 2008 war. In Paris denkt man Europa anders als in den USA.

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