von Ali Özkök
Im Jahr 1975 wurde von einer Gruppe türkischer Einwanderer der SV Türk Gücü München gegründet und schaffte mit dem zweimaligen Aufstieg in die Bayernliga in den späten 1980er und den 1990er Jahren erste Achtungserfolge. Widrige Umstände führten 2001 zu einem vorübergehenden Aus für den Klub, allerdings war man entschlossen, schon wenig später einen Neuanfang zu unternehmen.
Der Nachfolgeverein, der zuvor die Namen Türkischer SV München und Türkgücü-Ataspor trug, konnte sich aus der Kreisliga wieder emporarbeiten und mit dem Einstieg des Unternehmers Hasan Kivran war seit 2016 auch ein bedeutender Sponsor vorhanden. Im Jahr 2019 nahm der Verein wieder den alten Namen Türkgücü an, und zur Saison 2020/21 gelang erstmals mit dem Aufstieg in die 3. Liga der Eintritt in den Profifußball.
Seit 2020 ist auch Max Kothny Geschäftsführer von Türkgücü München. Mit TRT Deutsch sprach er über die Bedeutung des Vereins als Identifikationsobjekt für türkische Einwanderer in Deutschland, über rassistische Anfeindungen und über die Gründe, warum Türkgücü als dritter Verein in Deutschland bald auch an der Börse präsent sein wird.
Mit Türkgücü München ist es dem ersten von türkischen Einwanderern gegründeten Team gelungen, sich im deutschen Profifußball zu etablieren. Was hat in München funktioniert, was vielleicht woanders nicht möglich war?
Der Aufstieg von Türkgücü München über die letzten Jahre war in der Tat enorm: von der sechsten Liga, vom Breitensport bis hinein in die in die deutschlandweite Profiliga, die 3. Liga, das ist glaube ich an jedem Standort etwas sehr Herausragendes. Türkgücü ist dabei aber vielleicht ein Klub, den man nicht unbedingt in München erwartet. Denn wenn ich mir die Demografie in Deutschland anschaue, insbesondere von türkischen Migranten, dann ist München nicht unbedingt der Hotspot dafür.
München steht ja immer irgendwo für Schickimicki. Und deswegen finde ich es umso besonderer, dass sich so ein Verein in München angesiedelt hat und sich von München aus in den deutschlandweiten Profifußball reingekämpft hat. Natürlich ist der Standort München nicht so einfach. Wir haben mit dem FC Bayern einen Klub von Weltruhm und mit unserem Rivalen 1860 München einen Klub mit sehr breiter Fanbasis hier in der Stadt. Das bedeutet, man muss sich hier durchkämpfen. Aber ich glaube, Türkgücü München und auch der Weg seiner Gründerväter stehen fürs Durchkämpfen, und dafür, dass das Leben fortbesteht. Wir wollen nun versuchen, aus München heraus ganz Deutschland zu erreichen.
Welche Rolle spielt der Erfolg eines Vereins aus der türkischen Einwanderercommunity für junge Deutschtürken mit Blick auf das Sportliche, aber auch mit Blick auf die Aufstiegsorientierung von Einwandererkindern insgesamt?
Ich habe eben bereits versucht, das zu erklären. Den Weg und den Aufstieg, den wir geschafft haben, soll für eine ganze Migrationscommunity in erster oder auch in fünfter Generation ein Vorbild sein. Wir als Verein wollen sinnbildlich dafür stehen. Wir sind auch, wie von Ihnen angesprochen, Kulturen verbindend. Deswegen haben wir die bayerische Raute bei uns im Logo, weil wir auf gar keinen Fall von zwei separaten Kulturen sprechen wollen, sondern von einem Miteinander. Das soll Vorbild sein für jegliche Migrationskultur in Deutschland.
Betrachtet man den heutigen Kader der Kampfmannschaft, sind türkisch klingende Namen mittlerweile in der Minderheit. Ist Türkgücü mittlerweile ein multikultureller Verein mit türkischer Einwanderungsgeschichte?
Wir sind auf jeden Fall ein Melting Pot, wobei ich glaube, dass es im Profifußball heutzutage um den Sport geht und nicht um Nationen. Natürlich erwartet man von uns mehr türkischstämmige Spieler. Es ist dabei aber auch wichtig zu wissen, dass in der 3. Liga primär das EU-Arbeitsrecht gilt und ein Drittliga-Spieler aus der Türkei ohne zweite Staatsbürgerschaft nicht uneingeschränkt eine Erlaubnis bzw. einen Arbeitstitel erhält. Dementsprechend können und wollen wir auch gar nicht auf Nationen schauen, sondern wir schauen auf Leistung. Wir haben trotzdem Spieler aus elf oder zwölf Nationen bei uns in der Mannschaft, daher sind wir ein Melting Pot. Aber ich empfinde grundsätzlich den Fußball, ob das in Deutschland ist oder im Ausland, schon immer als ein die Kulturen verbindendes Mittel.
Mehrfach berichteten Medien über rassistische Anfeindungen, die sich gegen Türkgücü gerichtet hatten. Wie stark sind Ressentiments dieser Art im deutschen Fußball noch verwurzelt?
Letztes Jahr war für uns alles eine Premiere in der 3. Liga, in dem Jahr, wo keinerlei Fans im Stadion zugelassen waren - zumindest waren nur zu einigen wenigen Spielen ein paar Fans zugelassen. Es haben uns über Kleinstparteien rassistische Anfeindungen erreicht, aber nicht so, dass man meinen könnte, ganz Fußball-Deutschland sei aufgrund unserer Herkunft gegen uns. Vielleicht hinterfragt der ein oder andere Fußballfan den rapiden Aufstieg von uns. Da gibt es ja viele gespaltene Meinungen. Das ist aber auch okay.
Ich glaube, dass Rassismus in der Gesellschaft, aber insbesondere im Sport keinen Platz hat. Wenn es dann noch den einen oder anderen im Stadion gibt, der irgendwelche Affen-Rufe macht oder Ausländer beleidigt, der muss sich selbst hinterfragen. Ich glaube, die Gesellschaft zeigt da klare Kante, aber es ist im Fußball noch in kleinsten Teilen verwurzelt. Es ist auch leider in der Gesellschaft noch in Teilen verwurzelt, aber ich kann das nicht nachvollziehen. Diejenigen, die rassistisch veranlagt sind, die müssen sich hinterfragen und sind auch diejenigen, die aus der Gesellschaft eigentlich ausgegrenzt werden müssten.
Türkgücü München wird als dritter Verein nach Borussia Dortmund und der SpVgg Unterhaching an die Börse gehen. Wie kam es zu diesem Schritt und welche Vorteile bringt das für eine dauerhafte Absicherung des Profibetriebes?
Nach so einem schnellen Aufstieg, wie wir ihn hatten, gilt es jetzt, sich nachhaltig zu entwickeln und langfristig erfolgreich zu sein. Der Erfolg ist nicht in der 3. Liga beendet, sondern es muss das Ziel sein und ist das Ziel des Klubs, sich bis in die 2. Bundesliga hervorzuarbeiten. Jetzt wollen wir in unserer Aktionärsstruktur mit einem Hauptaktionär zusätzliche Aktionäre mit reinbringen. Das heißt, wir wollen Fans die Möglichkeit geben, sich bei uns zu beteiligen - aber auch emotionalen und strategischen Investoren, die eine Vision in Türkgücü München sehen und mit ihrem Investment Türkgücü München darin unterstützen wollen, den Weg in die 2. Bundesliga fortzuführen.
Außerdem wollen wir weiter auf unseren Nachwuchs setzen, wollen dort die Strukturen verbessern, wollen dort Talente ausbilden und möchten so auch unserer Community in ganz Deutschland die Möglichkeit geben, Teil des Klubs zu werden und Anteilsinhaber von Türkgücü München zu werden, um noch eine engere Verbindung zu dem Klub zu schaffen. Die erste Woche lief dabei sehr, sehr gut. Wir befinden uns noch etwas mehr als fünf Wochen in der Zeichnungsphase, in der es möglich ist, Aktien von Türkgücü zu erwerben, anschließend wollen wir für die Zukunft auf breiten Schultern gut gerüstet sein.
Was soll am Ende das große und dauerhafte Ziel von Türkgücü sein?
Ziel von Türkgücü München ist es, sich im deutschen Profifußball zu etablieren - und das bestmöglich in der 2. Bundesliga. Die 2. Bundesliga ist nochmal eine ganz andere Plattform als die 3. Liga und es würde auch für den Weg von Türkgücü München stehen, dass man jetzt nicht in der Mitte stehen bleibt, sondern den nächsten Schritt anpeilt. Ich glaube, ein Klub, wie es Türkgücü München mit seiner Community ist - ein solcher Melting Pot - hat definitiv noch Platz im deutschen Profifußball. Deswegen wollen wir uns in die 2. Bundesliga hochkämpfen und hoffentlich etablieren.
Vielen Dank für das Gespräch!