Von Sena Serim
Die jüngste Absage einer Preisverleihung an die palästinensische Autorin Adania Shibli in Deutschland hat eine breite Debatte über die Voreingenommenheit des Westens gegenüber der Palästina-Frage ausgelöst. Sie hat auch die Frage der Dekolonisierung im weiteren Sinne neu aufgeworfen, die den gegenwärtigen US-geführten Status quo stört.
Die Preisverleihung, die auf der renommierten Frankfurter Buchmesse stattfinden sollte, wurde plötzlich verschoben. Diese Maßnahme erregte die Aufmerksamkeit und Verurteilung der weltweiten Literaturverbände.
Die Organisatoren der Frankfurter Buchmesse rechtfertigten ihre verwirrende Entscheidung damit, dass „der von der Hamas begonnene Krieg“ der Hauptgrund für die Absage der Preisverleihung an Shibli sei. Diese Entscheidung, Shibli den Raum und die Anerkennung zu verweigern, weist auf ein größeres Problem hin: die Zensur palästinensischer Stimmen.
„Zensur widerspricht vom Westen proklamierten liberalen Werten“
In einer Welt, die stolz auf ihre „liberalen Werte“ ist, scheint diese Zensur im Widerspruch zu den Prinzipien der Inklusivität und Meinungsfreiheit zu stehen, die von den westlichen Staaten so oft verteidigt werden, sagt Prof. Muhannad Ayyash.
Der palästinensische Schriftsteller, Soziologieprofessor an der Mount Royal University in Kanada und Politik-Analyst betont, wie wichtig es sei zu erkennen, dass „der euro-amerikanische Liberalismus auf dem Ausschluss kolonisierter und versklavter Völker aufgebaut ist“.
Dies wirft die Frage auf, wie inklusiv westlich-liberale Werte tatsächlich sind und ob sie nicht in erster Linie von Eigeninteressen getrieben werden. Die Absage der Preisverleihung an Adania Shibli ist ein deutliches Beispiel für die Grenzen der Inklusivität in westlichen Gesellschaften und hat System, so Ayyash.
Er beleuchtet einen wichtigen Aspekt des westlichen Liberalismus und stellt fest: „In Ländern wie Deutschland, Frankreich, den USA, Kanada und anderen öffnet sich der Liberalismus erst für Perspektiven aus dem globalen Süden, nachdem die Zentralität und Vorherrschaft euro-amerikanischer Perspektiven etabliert wurde. Wenn Stimmen aus dem globalen Süden die Zentralität Westeuropas in Frage stellen, werden sie ausgeschlossen“.
Autoren und Journalisten beklagen Unsichtbarmachung
Die Autorin, die im Zentrum dieser Kontroverse steht, ist wie Palästinenser viele mit solchen Herausforderungen vertraut. Ihr literarisches Werk ist oft von der Unsichtbarmachung palästinensischen Lebens und Stimmen geprägt.
In ihren Texten für das Arab Lit Magazine reflektiert Shibli über das „Verschwinden eines normalen Lebens“ in Palästina seit 1948, als die Existenz der Palästinenser zu einem „Problem“ wurde. Ihre Arbeit versucht, Licht in das marginalisierte und bedeutungslose Leben zu bringen, in das die Palästinenser gedrängt wurden.
Noura Erakat, eine palästinensisch-amerikanische Professorin, Anwältin und Aktivistin, bringt ihre Frustration über die westliche Medienberichterstattung zum Ausdruck. Diese hindere die Palästinenser oft daran, ein umfassendes und nuanciertes Verständnis der Palästina-Frage zu vermitteln. Sie protestiert auf X: „Sie wollen, dass wir um unsere Toten trauern, aber nicht den Kontext liefern oder über die Verantwortlichen sprechen.“
Ähnlich beschreibt der palästinensische Dichter, Schriftsteller und Journalist Mohammed El Kurd seine Erfahrungen bei Interviews mit westlichen Medien. Er sei oft auf ein „gequältes Subjekt“ reduziert, von dem erwartet werde, dass es seine physischen Wunden zeigt. Selten wird ihm die Möglichkeit gegeben, eine tiefgründige Analyse und einen Kontext zu liefern.
Palästinenser wollen keine stummen Opfer sein
Ayyash weist auf eine vorherrschende Tendenz in der euro-amerikanischen Berichterstattung über Palästina hin. Er stellt fest, dass die Palästinenser oft als hilflose Opfer dargestellt werden, die westlicher Barmherzigkeit und Wohltätigkeit bedürfen.
Ihre Fähigkeit, als denkende Individuen zu handeln, werde dabei übersehen. Als Menschen, die in der Lage sind, sich das unterdrückerische System, dem sie ausgesetzt sind, selbst zu erklären, und die eine Vision für ihre eigene Befreiung haben.
Letztlich entkontextualisiere dieser Ansatz den palästinensischen Kampf und reduziere ihn auf ein humanitäres Anliegen. Ayyash argumentiert, dass dadurch das Interesse der westlichen Medienkonsumenten auf dieser Ebene verharre. Dies führe auch zu einer Entfremdung von den Realitäten des „Siedlerkolonialismus und der Apartheid in der Region“, so der Palästinenser.