von Emre Bölükbaşı
Der Sicherheitsexperte Erich Vad war von 2006 bis 2013 als militärischer Berater der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel tätig. Der Brigadegeneral a.D ist besonders seit Beginn des Ukraine-Kriegs ein gefragter TV-Experte im Bereich der Sicherheitspolitik.
Im Interview mit TRT Deutsch schildert der Ex-Merkel-Berater, warum die Vermittlerrolle des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Ukraine-Krieg besonders wichtig ist. Zudem begründet er, weshalb er die Sicherheitsbedenken Ankaras beim NATO-Erweiterungsprozess als berechtigt betrachtet.
Das Getreide-Abkommen wurde zuletzt um 120 Tage verlängert. Wie wichtig ist diese Entscheidung?
Das Getreideabkommen ist sehr wichtig. Gerade mit Blick auf den laufenden Krieg in der Ukraine war es wirklich der Verdienst des türkischen Präsidenten, muss man sagen – dass er parallel mit Russland und auch den Ukrainern verhandelt und dieses Getreideabkommen ausgehandelt hat.
Das ist ja ein Format, was durchaus interessant sein könnte. Und der türkische Präsident könnte dort auch eine entscheidende Rolle spielen, weil er natürlich mit Putin noch redet, was ja viele westliche Staatslenker nicht mehr machen oder nur noch telefonieren.
Wie bewerten Sie die Vermittlerrolle Ankaras im Ukraine-Krieg?
Wir haben natürlich den Ukrainern alles gegeben, was wir geben konnten, damit sie sich gegen diese Aggression von Russland verteidigen können. Wir haben eigentlich sehr, sehr einseitig auf militärische Eskalation gesetzt und da muss ich sagen, war die Türkei eine Ausnahme, weil sie haben auch Waffen geliefert an die Ukraine. Sie haben auch Russland verurteilt für die Aggression. Sie standen auch als starkes NATO-Mitglied in der westlichen Formation, natürlich hinter der Ukraine. Aber sie haben zusätzlich mit dem Gegner gesprochen, mit Putin gesprochen und das fand ich sehr wichtig. Und sie haben dieses Abkommen aushandeln können, was wirklich ein erster Schritt sein kann – perspektivisch zu einem künftigen Friedensabkommen.
Der PKK-Terror ist ein großes Thema beim NATO-Erweiterungsprozess. Sind Ankaras Bedenken und Forderungen berechtigt?
Man muss eben auch sehen, dass die PKK ja Terroraktionen durchgeführt hat in der Türkei. Und das muss man auch verstehen. Und dass die Türkei eben auch eine lange Grenze hat zu Syrien und zum Irak und dass es dort ein Schutzbedürfnis auch gibt von Seiten der Türkei.
Die Türkei hat ja mehr als dreieinhalb Millionen Flüchtlinge aus der Region aufgenommen. Das ist ja mehr, als Deutschland aufgenommen hat. Und insofern ist die Sicherheit in dieser Region aus der türkischen Sicht verständlich. Das muss man einfach auch akzeptieren.
Welche Rolle spielt Türkiye heute für die NATO?
Die Türkei hat eine ganz wichtige geostrategische Bedeutung für die NATO. Die Türkei hat die zweitstärkste Armee der NATO. Das kann man von Deutschland nicht mehr sagen. Vor allen Dingen sind die türkischen Streitkräfte auch voll funktionsfähig. Ich weiß das als ehemaliger General auch zu beurteilen und wir hatten immer sehr engen Kontakt, auch zu dem türkischen Generalstabschef. Es ist wirklich eine sehr gute Armee und insofern bleibt die Türkei sehr wichtig für das westliche Bündnis.
Vielen Dank für das Gespräch!